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rezensionen

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12.12. Paul Temple: Jagd auf Z
27.11. Die drei Supermänner räumen auf
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03.10. Das Todeslied des Shaolin
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11.08. Menschen im Hotel
06.08. Mädchen: Mit Gewalt

kurzrezension

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22.04. True Justice: Angel of Death – Der Todesengel (blu-ray)

blu-ray

Ein Indianer räumt auf

Navajo Joe

Western Unchained Nr. 3: alle Filme

Navajo Joe

Vom Branchenblatt Filmecho/Filmwoche wurde Sergio Cobuccis „Navajo Joe“ seinerzeit als weiterer europäischer Western der „harten Welle“ bezeichnet. Die lakonische Art, mit der die anschwellenden Italowesternveröffentlichungen kommentiert wurden, die seit dem Erfolg von Sergio Leones „ Für eine Handvoll Dollar“ („Per un Pugno die Dollari“, Italien 1964) in die Kinos kamen, verdeckt ein wenig das Besondere des Films. Der Held ist ein Indianer.
Als Navajo Joe (Burt Reynolds) verfolgt er eine Bande fieser Gesetzloser, die unter Führung des skrupellosen Halbblutes Mervyn Duncan (Aldo Sambrell) friedliche Indianer töten, um mit deren Skalps Geld zu verdienen. Aber die Zeiten haben sich geändert und die amerikanische Politik will keinen Krieg gegen Indianer führen, die sich einem Dasein im Reservat unterworfen haben. Deswegen bricht Duncans Geschäftsmodell zusammen. Statt einer Belohnung wartet im nächsten Ort ein Steckbrief mit einem Kopfgeld, das auf ihn ausgesetzt wurde. Während Navajo Joe Jagd auf Duncan und seine Spießgesellen macht, weil die Banditen Joes Frau mitsamt des ganzen Stammes getötet haben, versucht Duncan einen Zug zu überfallen, in dem sich eine halbe Millionen Dollar befinden soll. Das Geld gehört den Bürgern einer nahegelegenen Stadt, deren einzige Hoffnung auf Navajo Joe ruht, wollen sie das Vermögen behalten. Aber ein Indianer erscheint ihnen wenig vertrauenswürdig.
In den meisten Western tauchen amerikanische Ureinwohner nur als Randfiguren oder amorphe Bedrohung auf, wenn sie eine Rolle spielen. Hauptfiguren wie Massai (Burt Lancaster) in Robert Aldrichs „Massai – Der große Apache“ („Apache“, USA 1954) sind eine absolute Ausnahme in einem Genre, das die weiße Besiedlungsgeschichte aus der Eigenperspektive betrachtet. Der Italowestern besteht in der Regel ohnehin aus Handlungsmustern ohne indianischem Bezug und umschifft durch diese Themenwahl die Frage, wie man es denn mit ihrer Darstellung hält.
Umso überraschender etablierte Corbucci in „Navajo Joe“ nicht nur eine indianische Hauptfigur, sie erweist sich auch als Held der Geschichte, dessen moralische Position den restlichen Charakteren überlegen ist. Den amerikanischen Genrevertretern hielt der italienische Regisseur so einen Spiegel ihrer eigenen Versäumnisse vor. Die offensichtliche Auseinandersetzung mit dem Rassismus der Weißen auf dem Gebiet uramerikanischer Mythenwelten war für das Jahr Navajo Joe 1966 immer noch eine ungeheuerliche Sache. Einen indianischen Schauspieler verpflichtete Corbucci zwar auch nicht, um der Tradition des US-Western, Indianer von Weißen spielen zu lassen, einen vollständigen Gegenentwurf zu präsentieren, aber Joe-Darsteller Reynolds hat immerhin indianische Vorfahren.
Energiegeladen verkörpert er die mysteriöse Aura des Rächers, der oft wie ein Mahnmal der Schande als Silhouette auf den Bergkämmen der Umgebung aufgenommen wird. Die Banditen sollen an ihren Sündenfall erinnert werden, den sie zu Beginn des Films als grausame Schlächter an den Mitgliedern des Indianerstammes begangen haben. Das Verhältnis der Schuld zwischen ihnen und Navajo Joe überträgt sich auch auf die übrigen, scheinbar friedlich wirkenden Weißen. Die Bewohner des Ortes, denen das Geld gestohlen wurde, wollen Joes Hilfe gegen die Gesetzlosen nicht annehmen, weil sie Indianern nicht trauen. In einem programmatischen Dialog weist Joe den örtlichen Sheriff bei der Frage zurecht, wer die eigentlichen Amerikaner sind. Im Gegensatz zu den Vorfahren des Gesetzeshüters stammen die von Joe tatsächlich aus Amerika.

In so einem Umfeld kann er trotz brutaler Rachehandlungen nur als moralisch integrer Held erscheinen. So wie sich der Indianer die Deutungshoheit über seine Identität als Amerikaner zurückholt, verweist Corbucci durch die ungewöhnliche Hauptfigurenwahl auf die sonst einseitige Erzählung der amerikanischen Besiedlungsgeschichte. Kulturelle Mythen und der einfache Rassismus der Figuren in „Navajo Joe“ verstärken sich zu einer dynamischen Skizze über die Unterdrückung der Indianer. Die Verdrängungswünsche der Westernstadtbewohner spiegeln die überhebliche Ignoranz gegenüber den amerikanischen Ureinwohnern wieder, die oft in Gewalt münden.
Passenderweise ist es ihr Rassismus, der in Gestalt des Banditen Duncan als grausame Spiegelung der eigenen Schuld zurückkehrt. Denn Duncans Indianerhass sowie sein gewalttätiges Naturell ist die Folge der Hänselungen, die er als Halbblut im Kindesalter erfahren musste. Das schlichte Ursache-Wirkungs-Schema ist zwar etwas einfach gestrickt, im Rahmen einer skizzenhaften Darstellung aber durchaus legitim.

Trotz der thematischen Brisanz wollte Corbucci kein großer Film gelingen. Dafür nehmen die Spitzen auf dem Gebiet rassistischer Fragestellungen zu wenig Raum ein. Sie sind nicht nur selbst skizzenartig ausformuliert, sie erweisen sich auch nur als Teilstriche in der dramaturgischen Zeichnung der gesamten Handlungskonstruktion. Viel stärker widmet sich sich Corbucci den Tötungsszenen, mit denen Joe seine Rache vollzieht. Als gnadenloser Bluthund schleicht er um Duncans Bande, um sie immer weiter zu dezimieren. Dabei verliert der Film nicht nur die thematische Prägnanz ein wenig aus den Augen, auch die Inszenierung der Rache ist weniger gelungen als die Stilisierung Joes zu einem mystischen Mahnmal der Schuld. Immer wieder taucht der Indianer im Rücken seiner Gegner auf, um sie zu töten. Die Gleichförmigkeit der zahllosen Auseinandersetzungen lässt die Banditen wie dumme Jungen erscheinen. Gefährlich wirken sie nicht. „Navajo Joe“ verliert sich deswegen trotz hervorragender Ansätze im guten Durchschnitt des Genres.

Bildqualität

Navajo Joe

Das Bild der Bluray kann sich sehen lassen. Die Körnigkeit der Vorlage ist immer noch leicht präsent, sodass das Bild nicht die Künstlichkeit kaputtgefilterter Werke ausstrahlt. Dezente analoge Defekte fallen kaum ins Gewicht. Die Schärfe überzeugt bei den Nahaufnahmen mit klaren Konturen und einem ansprechenden Detailreichtum. Landschaftsaufnahmen wirken wenig überraschend nicht so detailliert, machen aber auch eine sehr ordentliche Figur. Manchmal neigt das Bild zu leichtem Banding. Die Farben sehen kräftig aus, der Kontrast überzeugt durch eine ausgewogene Nuancierung.

Tonqualität

Der englische sowie der deutsche DTS-HD-Master-2.0-Ton verfügen über klare und verständliche Dialoge mit einem leichten Hintergrundrauschen. Der englische Ton klingt etwas dumpfer. Der italienische Ton setzt auf diesem Gebiet noch einen drauf, verfügt aber immer noch über eine anständige Wiedergabequalität.
Die Dialogentschärfungen der deutschen Fassung, die bei einer früheren Veröffentlichung vorhanden waren, gibt es hier nicht mehr.

Extras

In der etwa 11-minütigen Featurette „On Behalf of American Indians“ ordnet Filmkritiker Antonio Bruschini das Werk gewohnt souverän in die Historie des Italowestern ein und arbeitet vor allem die Besonderheit des indianischen Helden heraus.
Die etwa 30-minütige Featurette „An Indian Named Joe“ besteht aus Interviews mit Rugero Deodato, der bei „Navajo Joe als Regieassistent tätig war, Sergio Corbuccis Frau Nori und Darstellerin Nicoletta Machiavelli. Darin lassen sie die alten Zeiten wiederaufleben und erinnern sich an die Verhältnisse bei den Dreharbeiten, Burt Reynolds sowie den Arbeitsstil, den Corbucci pflegte.
Ein sechsminütiger Vergleich der Drehorte mit den entsprechenden Szenen aus dem Film, einer Bildergalerie und Trailer zum Film sind auf der Bluray ebenfalls enthalten.

Fazit

„Navajo Joe“ liefert mit der indianischen Heldenfigur großartige Ansätze, um sich mit dem Rassismus gegenüber den amerikanischen Ureinwohnern zu beschäftigen. Dieses Thema ist aber nur eine Skizze innerhalb der Rachegeschichte, deren Tötungszenarien im Vordergrund stehen. Dabei lässt Corbucci eine variantenreiche Inszenierung vermissen. Technisch ist die Bluray gut.

Stefan Dabrock

31.01.2013

   
Originaltitel Navajo Joe aka. Kopfgeld: Ein Dollar aka. An seinen Stiefeln klebte Blut (Italien/Spanien 1966)
Länge 92 Minuten (24p)
Studio Koch Media
Regie Sergio Corbucci
Darsteller Burt Reynolds, Aldo Sambrell, Nicoletta Machiavelli, Fernando Rey, Zanya Lopert, Franca Polesello, Lucia Modugno, Pierre Cressoy, u.a.
Format 1:2,35 (16:9)
Ton DTS-HD-Master 2.0 Deutsch, Englisch, Italienisch
Untertitel Deutsch
Extras Featurette „An Indian Named Joe“, Featurette „On Behalf of American Indians“, Bildergalerie, Trailer
Preis ca. 13 EUR
Bewertung spannende Ansätze, technisch gut