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rezensionen

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kurzrezension

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blu-ray

Destruktives Drama

Mädchen: Mit Gewalt

Mädchen: Mit Gewalt

In „Mädchen mit Gewalt“ spielt sich vor der reduzierten Kulisse einer Kiesgrube ein monumentales Drama ab, dessen konsequenter Hang zur Destruktion jegliche Schutzmöglichkeiten aushebelt. Die bittere Ironie ist, dass ausgerechnet ein Film, den man nach seiner Ansicht kaum vergessen kann, über Jahrzehnte in Vergessenheit geriet. Die Heimkinoveröffentlichung von Subkultur macht dem glücklicherweise ein Ende, sodass eines der wichtigsten Werke der deutschen Filmgeschichte wieder verfügbar ist.
Werner (Klaus Löwitsch) und Mike (Arthur Brauss) arbeiten im gleichen Unternehmen und verbringen auch ihre Freizeit zusammen. Sie wollen stets attraktive Frauen aufreißen, gerne auch sehr junge Frauen. Auf einer Cartbahn treffen die beiden Alice (Helga Anders), die mit ihren Freunden einen amüsanten Abend verbringt. Gemeinsam möchten sie zu einem lauschigen Nachtbad an einen See fahren. Während Alice bei Werner und Mike ins Auto steigt, nutzen die übrigen ein weiteres Gefährt. Doch die beiden Männer haben ihre eigenen Pläne mit der jungen Frau. Sie fahren über eine scheinbare Abkürzung zu einer verlassenen Kiesgrube. Als Alice begreift, dass ihre Freunde nicht mehr eintreffen werden, hat sie kaum noch eine Chance, zu entkommen.

Bevor Werner und Mike auf Alice treffen, sieht man, wie die beiden in der Morgenstunde ein Mädchen auf einer Straße absetzen. Da sich die junge Frau zuvor im Beisein der Männer in einer Wohnung angezogen hat, ist anzunehmen, dass die drei Sex hatten. Nachdem sie den Wagen verlassen hat, brechen Werner und Mike in ein schmieriges Lachen aus, das einen kalten Schauer hervorruft. Man ahnt, dass die beiden Männer voller Abgründe sind.
Die Angst vor dem unbekannten Grauen zersetzt fortan jede, ansonsten vielleicht harmlos erscheinende Szene. Das alltägliche Anbandeln mit zwei anderen Mädchen, Werners aggressive, sonst möglicherweise neckisch wirkende Fahrweise auf der Cartbahn, und der unbedingte Wunsch der beiden, mit Alice an einem einsamen Ort allein zusein, wirken wie der gespenstische Beginn einer großen Tragödie.

Doch nichts kann auf das vorbereiten, was sich schließlich in der Kiesgrube abspielen wird. Auf manipulative Weise treiben Werner und Mike ihre Beute Alice vor sich her, bis die Mädchen: Mit Gewalt psychologische Gewalt auch in körperliche Brutalität umschlägt. Im bläulich-kalten Schein der Nacht spitzt sich das manisch-rücksichtslose Verhalten bis zur Vergewaltigung zu. Fritz verzichtet dabei auf plumpe Effekte, die nur als reißerische Ausbeutung einer an sich schon schrecklichen Szenerie wirken würden. Er konzentriert sich auf die Machtpräsenz der unterschiedlich auftretenden Männer. Löwitsch übernimmt als Werner den körperlich dominanten Part, der nach seiner Tat perfiderweise auch noch versucht, ein vertrauliches Verhältnis zu seinem Opfer aufzubauen. Arthur Brauss hingegen wirkt als Mike zurückhaltend, übt aber umso mehr psychologische Gewalt aus.

Während die nächtliche, zwischen dem blauen Licht und dem rötlichen Schein des Feuers wechselnde Optik eine Art triebhafte Urzeitstimmung vermittelt, ändert sich die Ästhetik im Morgengrauen deutlich. Die aufgehende Sonne verstärkt die Tristesse der Ereignisse. Das fahle Licht und die weiß-grau-sandfarbenen Töne der Kiesgrube wirken bedrückend. Die grausamen Folgen der Gewalt schälen sich mit unnachgiebiger Intensität aus der spartanischen Umgebung heraus. Alice sieht innerlich leer aus. Gerade die nüchterne Erscheinung der menschengemachten Landschaft verstärkt das Drama der Figuren, das immer destruktiver wird. Denn Mike und Werner gehen jetzt auch aufeinander los.
Ihr konsequenter Machtanspruch mündet schließlich in einem zerstörerischen Verhalten, das auch vor der eigenen, körperlichen Unversehrtheit nicht halt macht. Neben der persönlichen Tragödie der jungen Alice gibt es in „Mädchen mit Gewalt“ auch gesellschaftliche Komponenten. Denn Mike und Werner müssen in einem männlich dominierten Gemeinwesen kaum befürchten, für ihre Taten bestraft zu werden. Diese Fragestellung wird ebenso aufgegriffen wie die Gefährdung des Zusammenlebens durch triebhafte Kräfte. Und mit diesen sind Werner und Mike nicht allein.

Bildqualität

Mädchen: Mit Gewalt

Das Bild der Bluray sieht ausgezeichnet aus. Zum sauberen Bild gesellt sich eine wunderbare Schärfe, die kaum besser hätte sein können. Fast noch wichtiger sind bei „Mädchen mit Gewalt“ die Farben und der Kontrast. Schwarz, Blau, Rot und die diversen Sandtöne werden prägnant wiedergegeben, sodass die besondere, visuelle Atmosphäre des Films sehr gut zur Geltung kommt. Ohne diese Qualitäten wäre der Film nicht so eindrucksvoll. Das gleiche gilt für den Kontrast, denn die Nachtaufnahmen leben vom Zusammenspiel aus hellen und dunklen Bildbereichen. Die Verläufe sind stimmig, wichtige Details gut erkennbar.

Tonqualität

Die DTS-HD-Master-1.0-Tonspur klingt ebenfalls überzeugend, da kein nennenswertes Hintergrundrauschen auftritt, Musik und Geräusche eine gewisse Dynamik aufweisen und die Dialoge gut verständlich sind.

Extras

Im ersten Audiokommentar äußern sind Roger Fritz (Regie) und Arthur Brauss (Darsteller) unterstützt von Christoph Draxtra und Sano Cestnik zu „Mädchen mit Gewalt“. Neben den Dreharbeiten geht es vor allem auch um die ästhetische sowie die dramaturgische Gestaltung des Films. Somit ist der Audiokommentar ein lohnenswerter Diskussionsbeitrag zur Rezeption des Werks.
Das gleiche gilt für den zweiten Kommentar mit Pelle Felsch, Tino Zimmermann und Christoph Draxtra, die weitere Deutungsmöglichkeiten und Sichtweisen präsentieren.
Regisseur Roger Fritz (knapp 6 Minuten), sowie die beiden Darsteller Arthur Brauss (knapp 8 Minuten) und Rolf Zacher (gut 12 Minuten) kommen jeweils in einem Interview zu Wort. Fritz und Brauss skizzieren relativ sachlich den Beginn ihrer Karriere und die Zusammenarbeit mit dem jeweils anderen. Zacher hingegen äußert sich in seiner ganz speziellen Art nicht nur über die Münchener Filmszene der späten 1960er und frühen 1970er Jahre, er liefert auch sehr persönlich vorgetragene lebensphilosophische Ansichten über Sex, Glück und die Welt.
Die kürzere US-Fassung des Films, der US-Vorspann und seine Bildergalerie befinden sich zusätzlich auf der Bluray.
Im 10-seitigen Booklet ist Dieter Lasers Grabrede zur Beerdigung des Schauspielers Klaus Löwitsch abgedruckt, in der Laser ein liebevolles, persönliches Bild des charismatischen Löwitsch entwirft. Unbedingt lesenswert.

Fazit

„Mädchen mit Gewalt“ wirkt als destruktive Tragödie mit persönlichem wie gesellschaftlichem Drama beklemmend. Vor der direkten Wirkung des Films kann man sich nicht schützen, weil die inhaltlichen Aspekte mit klarer Präzision zu Tage treten. Technisch ist die Bluray sehr gut.

Stefan Dabrock

06.08.2015

   
Originaltitel Mädchen: Mit Gewalt (BRD 1970)
Länge 98 Minuten (24p)
Studio Subkultur Entertainment
Regie Roger Fritz
Darsteller Helga Anders, Klaus Löwitsch, Arthur Brauss, Rolf Zacher, Henry van Lyck, Astrid Boner, u.a.
Format 1:1,66 (16:9)
Ton DTS-HD-Master-1.0 Deutsch
Untertitel Englisch
Extras Audiokommentar von Roger Fritz (Regie), Arthur Brauss (Darsteller), Christoph Draxtra und Sano Cestnik, Audiokommentar von Pelle Felsch, Christoph Draxtra und Tino Zimmermann, Interviews, US-Fassung, US-Vorspann, Bildergalerie, Trailer, 10-seitiges Booklet
Preis ca. 30 EUR
Bewertung sehr gut, technisch sehr gut