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Zwanglose Macht

Unruhige Töchter

Unruhige Töchter

„Unruhige Töchter“ stammt aus der Übergangsphase Ende der 1960er Jahre, in der sich Produzent Erwin C. Dietrich bereits sexuellen Themen widmete, zumeist aber noch nicht so freizügig wie bei seinen späteren Filmen zu Werke ging. Dabei hätte die Geschichte nach einem in der Quick erschienenen Kolportageroman der Autorin Ilse Collignon die Möglichkeit geboten, spekulativ-explizite Bilder zu präsentieren. Stattdessen zeichnet sich „Unruhige Töchter“ eher durch einen satirisch-bissigen Stil mit bitter-süßer Note aus.
Susanne (Brigitte Skay) steht kurz vor ihrem Abschluss an einer Berner Schule. Da sie ganz alleine in einer eleganten Wohnung lebt – ihre Eltern unterstützen sie finanziell, befinden sich aber nicht vor Ort -, genießt das Mädchen seine Freiheit in vollen Zügen. In der Schule fällt sie als selbstbewusst-herausfordernd auf. Mit ihrer direkten Art gelingt es Susanne, ihren Lateinlehrer zu einem unbeschwerten Nachmittag mit anschließendem Abend zu überreden. Der kleinbürgerliche Pädagoge lässt sich angesichts Susannes Attraktivität nur zu gern von ihrem Reichtum inklusive schnittigem Wagen und Schnellboot verführen, zumal auch deutliche sexuelle Spannungen in der Luft liegen. Diesen erliegt der Lehrer im letzten Moment jedoch nicht, dennoch gelingt es einem verklemmten, eifersüchtigen Mitschüler Susannes Fotos zu schießen, die phantasievoll weitergedacht eine andere Interpretation ermöglichen. Während es der Lehrer angesichts des folgenden Erpressungsversuchs mit der Angst zu tun bekommt, hat Susanne schnell eine Abwehrstrategie parat. Denn in ihrer Freiheit will sie sich nicht behindern lassen.

Susanne ist der Kristallisationspunkt des Films, an dem sich alle übrigen Figuren abarbeiten. Durch ihre geschickte, strategisch-ausgeklügelte Art, das Leben anzugehen, bietet sie jedoch keinerlei Angriffspunkte, obwohl sie fundamental gegen die damaligen gesellschaftlichen Regeln für Frauen sowie Mädchen verstößt. Immer wenn es wie beispielsweise angesichts der Fotos mit ihrem Lehrer eng werden könnte, hat sie für sich eine Lösung parat. Auf der Strecke bleiben lediglich die Menschen, die sich intensiver auf sie einlassen. Ihr unbeschwerter Gestus wird jedoch so aufreizend heiter-flockig präsentiert, dass Susanne nicht als männermordender Vamp erscheint. Vielmehr ist sie eine Art Projektionsfläche, an der sich die Wünsche, Träume und Illusionen der anderen Figuren spiegeln.
Im familiären Alltag muss sich ihr Lateinlehrer mit einer zeitlich durchorganisierten Lebensführung auseinandersetzen, die schnell aus den Fugen gerät. Seine Frau kommt nicht damit zurecht, wenn er nicht pünktlich zum Essen erscheint und macht eine Szene. Susannes Art bietet ihm das Versprechen, dem muffigen Korsett zu entkommen. Der verklemmte Schüler Unruhige Töchter sieht in dem Mädchen die Chance, endlich seine Männlichkeit zu entwickeln, bekommt aber nicht mit, dass dies genau der Souveränität bedarf, die er gerade nicht besitzt. Ihre Mitschülerinnen arbeiten sich beim gemeinsamen Freizeittreffen entweder moralisch an ihr ab, indem sie explizit eine Gegenposition einnehmen, oder sie bewundern Susannes Freiheit. Ihr Fotograf betrachtet sie als sein Geschöpf, das er zu seiner eigenen Selbstbeweihräucherung erschaffen hat, und der Filmregisseur, mit dem sie schließlich zusammenarbeitet, glaubt, mit Susannes Hilfe noch einmal Jugendlichkeit und sexuelle Freude ausleben zu können.
Sie alle bleiben auf der Strecke und müssen ihre Illusionen begraben, sobald Susanne wieder weitergezogen ist. Bürgerliche Moral, Pubertät, Intellektualität und Glamour werden im Laufe des Geschehens süffisant aufgespießt, wobei sich zum heiteren Gestus auch Bitterkeit gesellt. Denn im Gegensatz zur Projektionsfläche Susanne wirken die übrigen Figuren wie Menschen aus Fleisch und Blut. Ihre Gefühle sind Teil eines Lebens in gesellschaftlichen Strukturen. Ihr Scheitern ist nicht nur lächerlich, sondern je nach Ausgestaltung der Persönlichkeit auch tragisch. Während sie auf zugespitzte Weise durchaus etwas mit der Lebenswirklichkeit der späten 1960er Jahre zu tun haben, entfleucht Susanne als Nullstelle am Ende aus dem Film. Ihre Freiheitsliebe, so übertrieben und strategisch sie auch sein mag, bleibt jedoch als faszinierendes Element übrig.

Bildqualität

Unruhige Töchter

Das Bild der DVD kann sich sehen lassen. Die Körnigkeit gehört zum authentischen visuellen Charakter des Films, Verschmutzungen oder Defekte hakten sich in Grenzen. Die Schärfe ist recht gut, auch wenn die Konturen etwas weich aussehen. Die Farben machen einen sehr ordentlichen Eindruck, sodass die zwischen Muffigkeit und Eleganz pendelnde Atmosphäre der jeweiligen Szenen gut zur Geltung kommt. Der Kontrast ist solide.

Tonqualität

Der 2.0-Monoton kommt ohne nennenswerte Schwächen aus. Die Dialoge lassen sich gut verstehen, die Musik ertönt relativ kraftvoll aus den Lautsprechern. Da die Beat-Stücke der schweizerischen „The Countdowns“ wichtig für die Wirkung des Films sind, kann man sich darüber freuen.

Extras

Das Bonusmaterial besteht aus einem knapp fünfminütigen Interview mit Kameramann Peter Baumgartner, in dem er sich lose an die damalige Zeit sowie die Produktion des Films erinnert, einer Bildergalerie und der PDF-Version des Cinesex-Romans „Sexy Baby“ in dem die Handlung des Films mit Standbildern und Sprechblasen nacherzählt wird.

Fazit

„Unruhige Töchter“ überzeugt als satirisch zugespitzte Variante eines Kolportageromans, in dem gesellschaftliche Befindlichkeiten der späten 1960er Jahre dramatisierend aufgegriffen wurden. Technisch ist die DVD in Ordnung.

Stefan Dabrock

26.09.2014

   
Originaltitel Unruhige Töchter (BRD/Schweiz 1968)
Länge 77 Minuten (24p)
Studio Pidax Film
Regie Hansjörg Amon
Darsteller Brigitte Skay, Jöns Andersson, Bella Neri, Ruedi Walter, Inge Burckhardt, Maria Caleita, Peter Capra, Heidy Forster, u.a.
Format 1:1,33 (4:3)
Ton DD 2.0 Mono Deutsch
Untertitel -
Extras Interview „Peter Baumgartner, Filmkameramann“, Bildergalerie, PDF-Version des Cinesex-Romans „Sexy Baby“
Preis ca. 11 EUR
Bewertung gut, technisch in Ordnung