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kurzrezension
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Ein berühmter Satz des amerikanischen Schriftstellers F. Scott Fitzgerald lautet, dass ein amerikanisches Leben keinen zweiten Akt habe. Durch ihre Flucht nach Bolivien bewiesen die beiden Outlaws Butch Cassidy und Sundance Kid etwas anderes. Regisseur Mateo Gil sattelt auf Cassidys Leben sogar noch einen dritten Akt drauf. Sein Western „Blackthorn“ basiert auf den unter Historikern umstrittenen Todesumständen der beiden Gesetzlosen. Während die gängige Meinung davon ausgeht, dass sie 1908 im bolivianischen San Vicente bei einem Schusswechsel mit Ordnungskräften ums Leben gekommen sind, gibt es auch Indizien für Butch Cassidys Flucht.
Seitdem lebt er in Gils Western unter dem Namen James Blackthorn (Sam Shepard) in einer kleinen Berghütte und betreibt Viehzucht. Aber 19 Jahre später packt den alten Mann das Heimweh nach Amerika, weil ein Tod in der Fremde für ihn nicht in Frage kommt. Als er genügend Ersparnisse zusammen hat, bricht Blackthorn auf, wird aber in einen Schusswechsel mit Eduardo Apodaca (Euardo Noriega) verwickelt, bei dem sein Pferd mit dem Geld das Weite sucht. Apodaca befindet sich auf der Flucht vor denjeniegen, die er um ein kleines Vermögen gebracht hat. Aus Angst vor den Verfolgern hat er das Feuer auf Blackthorn eröffnet. Obwohl der Amerikaner zu Recht nicht gut auf Eduardo zu sprechen ist, raufen sich die beiden zusammen, weil die Beute Apodacas den Verlust Blackthorns ausgleichen kann. Nachdem sie das Geld aus dem Versteck herausgeholt haben, hängen ihnen die eigentlichen Besitzer schon dicht auf den Fersen, so dass sich eine erbitterte Verfolgungsjagd entwickelt.
In seinem dritten Akt ist aus Butch Cassidy ein gesetzter, alter Mann geworden, der mit melancholischer Wehmut an die Heimat sowie die alten Zeiten denkt, als er mit Sundance Kid die Freiheit des Outlaw-Lebens genossen hat. Immer wieder streut Mateo Gil Rückblenden ein,
die als formale Erinnerungssplitter Andeutungen zur Vergangenheit offenbaren, ohne eine eigene erzählerische Wucht zu entfalten. Sie repräsentieren das selektive Gedächtnis Cassidys, das nur auf kurze Momente aus Glück, Abenteuerlust und am Ende auch Tragik zurückblickt. Zu einer umfassenden Reflexion der Zusammenhänge scheint er nicht fähig zu sein.
Sam Shepard verkörpert Cassidy mit würdevoller Ausstrahlung. Er bewahrt auch im Angesicht des großen Verlustes die Haltung. Das Leben hat ihn zwar zu einem Mann ohne Outlaw-Ambitionen gemacht, aber die alte Kraft ist immer noch da. Er kann hervorragend mit der Waffe umgehen und legt ein strategisches Geschick an den Tag, das Neugauner Apodaca nichtmal ansatzweise besitzt. So entgeht „Blackthorn“ der Gefahr, in eine weinerliche Demontage der Hauptfigur abzugleiten. Die Wehmut des Films verliert ihre Würde nicht. Sie ist Ausdruck der Befindlichkeit eines Menschen, der langsam aus der Zeit gefallen ist. Sein Wunsch nach einem ruhigen Dasein in Amerika ist konsequent. Eine andere Chance hat Cassidy nicht. Er ist bereit, sich der Veränderung zu stellen, die mit den Jahren eingetreten ist. Der Outlaw will Frieden, nimmt sich aber das Recht in Anspruch, auf seine Weise an die Vergangenheit zu denken.
Aber er wird in eine Gaunergeschichte verwickelt, hinter der mehr steckt, als Apodaca zunächst erzählt. So gerät für Cassidy nicht nur der gewünschte Frieden in Gefahr, er wird auch mit einem anderen Typus des Gesetzlosen konfrontiert. Der Freiheitsbegriff, mit dem Cassidy und Sundance ihre Aktionen durchgeführt haben, spielt für Apodaca keine Rolle. Auf ihrer gemeinsamen Flucht vor den rechtmäßigen Besitzern der Beute erkennt Cassidy, dass sich nicht nur die äußeren Bedingungen so verändert haben, dass der Lebensstil seiner Vergangenheit nicht mehr möglich ist, auch die Gauner haben sich verändert. Mit der Skupellosigkeit eines Apodaca will er auf Dauer nichts zu tun haben. Gil fügt die Konfrontation aus Wehmut, Sensucht nach Ruhe sowie den neuen Umständen zu einem dichten Szenario zusammen, dessen Widersprüche faszinierende Reibungspunkte ergibt. „Blackthorn“ entpuppt sich als vielschichtige Auseinandersetzung mit einer Umbruchphase, die in den USA schon längst abgeschlossen ist, in den einsamen Gegenden Boliviens aber erst langsam spürbar wird. Dadurch ergibt sich das Nebeneinander aus alt und neu, zu dem auch der Raubzug mit anschließender Flucht zu Pferde gehört, der den grundsätzlichen Regeln des klassischen Western folgt. Seine Hintergründe versalzen das letzte Abenteuer Cassidys aber mit Widersprüchen.
Auf visueller Ebene entfacht die Kameraarbeit von Juan Ruiz Anchía Remeniszenzen an den Freiheitswunsch der Outlaws aus dem mythologischen Western. Malerische Bergtäler mit atemberaubender Natur oder die zwar staubigen, aber unbegrenzten Weiten des Hochlandes offenbaren ein Raumerlebnis ohne störende Zivilisationsgrenzen. Auf seinem letzten Ritt befindet sich Cassidy in einer Gegend, die sein Ideal der Freiheit noch einmal widerspiegelt. Sie steht in einem Gegensatz zu den Grenzen, die sich mit zunehmender Handlungslänge offenbaren. Daraus entfaltet sich ein Spannungsverhältnis, das von der grandiosen Wucht der visuellen Gestaltung unterstützt wird. „Blackthorn“ ist ein Film des Widerstreits, der seine unterschiedlichen Ebenen so elegant ineinander schachtelt, dass es ihm fast gelingt, das Unmögliche miteinander zu versöhnen.
Bildqualität
Das saubere Bild der Bluray präsentiert die Szenerien mit hervorragender Schärfe. Sowohl bei den grandiosen Landschaftsaufnahmen des bolivianischen Hochlandes als auch bei Aufnahmen in Innenräumen kommen alle Details sehr gut zur Geltung, die Konturen sind klar. So wirkt das Bild absolut präsent. Die kräftigen Farben veredeln die gute Kameraarbeit. Im Verbund mit dem sehr guten Kontrast entfaltet der Film seine visuelle Schönheit. Auch in dunklen Szenen werden keine Details verschluckt. Ein sehr guter Transfer.
Tonqualität
Die DTS-HD-Master-5.1-Tonspuren liefern keinen überbordenden Budenzauber, sondern eine gut austarierte Nutzung aller Lautsprecher. Gelegentliche Surroundeffekte bei den atmosphärischen Geräuschen wechseln sich mit einer präsenten Musikabmischung ab. Da die Dialoge stets gut verständlich bleiben, gibt es keinen Anlass zur Kritik.
Extras
Im 10-minütigen Making Of spricht vor allem Regisseur Mateo Gil über die Entstehung der Produktion sowie seinen filmischen Ansatz. Dabei bleibt er knapp, aber durchaus informativ. Daneben kommen noch weitere Stabmitglieder in kurzen Einschüben zu Wort. Das Niveau des Making Ofs liegt etwas über dem Standard reiner Werbeclips, ohne begeistern zu können.
In „HDNet: Ein Blick auf Blackthorn“ äußert sich hauptsächlich Sam Shepard. Die etwa fünfminütige Mischung aus Interviewschnipseln und Filmausschnitten kann die Schwächen eines Werbeclips aber nicht abschütteln.
„Deleted Scenes“ beinhaltet eine etwa vierminütige geschnittene Szene über die Vergangenheit von Butch Cassidy und Sundance Kid. Als Bonus interessant, wäre sie im dramaturgischen Kontext des Films fehl am Platz gewesen, weil sie zu früh zu viel verrät.
Neben dem Bonusmaterial zu „Blackthorn“, zu dem noch Trailer gehören, enthält die Bluray zwei gut 15-minütige Kurzfilme von Mateo Gil. In „Breaking and Entering“ geht es um zwei windige Vertreter, die mit einer miesen Masche eine Hausfrau unter Druck setzen, und „Say Me“ beschäftigt sich mit dem Zusammenhang zwischen Lügen und Liebe.
Fazit
Durch den Schauplatz Bolivien verschiebt „Blackthorn“ die Umbruchphase des Spätwestern knapp 30 Jahre nach hinten. Die um 1927 in der bolivianischen Einöde noch spürbare Westernmentalität ist in den USA aber schon längst einer industriellen Gesellschaft gewichen. Daraus ergibt sich ein Spannungsfeld, aus dem „Blackthorn“ seine Kraft schöpft. Cassidys letzter Ritt ist seine letzte Chance auf persönlichen Frieden. Der Wandel der Zeiten und Cassidys Drama verbinden sich zu einer dichten Erzählung über Freiheit, Heimat, Glück und die Moral des Outlaws. Technisch ist die Bluray sehr gut.
Stefan Dabrock
28.06.2012
Originaltitel | Blackthorn (Spanien/USA/Bolivien 2011) |
Länge | 106 Minuten (24p) |
Studio | Ascot Elite |
Regie | Mateo Gil |
Darsteller | Sam Shepard, Eduardo Noriega, Stephen Rea, Magaly Solier, Nikolaj Coster-Waldau, Padraic Delaney, Dominique McElligott, u.a. |
Format | 1:2,35 (16:9) |
Ton | DTS-HD-Master 5.1 Deutsch, Englisch |
Untertitel | Deutsch |
Extras | Making Of, Deleted Scenes,Trailer, u.m. |
Preis | ca. 14 EUR |
Bewertung | sehr gut, technisch sehr gut |