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Sittenreißer!

Perrak

Rezension von Stefan Dabrock vorlesen lassen

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Perrak

Alfred Vohrer hat sich in den 1960er Jahren einen Namen mit Edgar-Wallce- und Karl-May-Filmen gemacht, bevor er in den 1980ern dann beim Fernsehen landete. Dazwischen lagen die 1970er, und Anfang dieses Jahrzehnts drehte Vohrer den wüsten Polizeikrimi „Perrak“.
Auf einer Hamburger Mülldeponie findet ein trinkfreudiger Obdachloser die Leiche einer Frau. Da die Aufmachung der Toten auf eine Verbindung zum Milieu schließen lässt, wird Inspektor Perrak (Horst Tappert) von der Sitte mit den Ermittlungen beauftragt. Ein kurzer Blick des erfahrenen Polizisten genügt, um die Identität des Leichnams zurechtzurücken. Es handelt sich um den Transvestiten Toni. Perrak beginnt, in den einschlägigen Kreisen Erkundigungen einzuholen, und stößt sehr schnell auf ein kompliziertes Geflecht aus Prostitution, Erpressung und Geldgier. Der Tod des Transvestiten hat nicht nur viele Väter, auch nach dem Ableben Tonis behaken sich die Halbweltgrößen mit Waffengewalt auf der Suche nach dem großen Geld. Sogar Perraks Sohn Joschi gerät ins Fadenkreuz der Kriminellen.

Alfred Vohrers „Perrak“ ist einer der wichtigsten deutschen Nachkriegsfilme, der gesellschaftliche Befindlichkeiten mit den Mitteln des derb überzeichneten Krimis offen legt. Schon die erste Sequenz, in der Perrak und sein Sohn Joschi eingeführt werden, entpuppt sich als zugespitzte Reflexion verschiedener Konfliktlinien der deutschen Seele Anfang der 1970er Jahre. Joschi schnappt mit seiner schäbigen Ente einem Industriellen den Parkplatz weg, um dann noch keck durch dessen heruntergekurbeltes Fenster zu posaunen, dass so eine Aktion nur möglich sei, wenn man einen kleinen Wagen hat und jung und clever ist. Daraufhin fährt der Industrielle mit seinem Auto ein paar Meter vor, um dann rückwärts mit voller Wucht die Ente gegen die Mauer zu rammen, die den Parkplatz abschließt. Dem verdutzten Joschi tut er Perrak kund, dass eine solche Aktion nur möglich sei, wenn man einen großen Wagen hat und alt und reich ist. Die rebellische Unbekümmertheit Joschis ist nicht nur Ausdruck eines generellen Generationskonfliktes, der zu allen Zeiten zwischen Jung und Alt existiert, im Zuge der 68er spiegelt sich in der satirisch überhöhten Auseinandersetzung auch das Misstrauen gegenüber wohlhabenden, älteren Bürgern wieder, da man ihnen eine zumindest unklare Rolle während des Nationalsozialismus unterstellte. Gleichzeitig ist die klapprige, alternativ bemalte Ente nicht nur der geringen ökonomischen Leistungskraft Joschis geschuldet, sie funktioniert auch als politisches Statussymbol einer linken Gesinnung im Gegensatz zur schwarzen Limousine des Industriellen. Dabei hebt Vohrer nicht auf einen kommunistischen Aktivismus ab, denn Joschi äußert sich während der gesamten Lauflänge des Films in keiner Weise politisch oder verkehrt in entsprechenden Gruppen. Es geht vielmehr um eine latente Strömung innerhalb der Jugend, die auch diejenigen erfasst hat, die nicht an vorderster Front marschieren. Die karikierende Zuspitzung auf die symbolischen Gegensätze der beiden Autos offenbart die Bedeutung, obwohl sie nicht mit großen Reden thematisiert wird.

Denn das ist Vohrers Stil. Er lässt keine sozio-politischen Reden schwingen, sondern arbeitet in „Perrak“ mit den Mitteln der Karikatur. Das zieht sich in ähnlicher Weise durch den ganzen Film. Wenn ein afrikanisch stämmiger Mann von seinem schmierigen Boss „Bimbo“ genannt wird, dann ist das nicht nur politisch unkorrekt, es spiegelt auch in Verbindung mit einer grell-symbolischen Farbeimerszene den damals und eventuell auch heute noch weit verbreiteten biederen Rassismus in der deutschen Gesellschaft wieder. Integration wird hier zum höhnischen Farbbranding, bei dem die Herrschaftsverhältnisse klar verteilt sind. Der „Bimbo“ hat zur parieren und wenn er das tut, dann darf er existieren. Solche Wunden legt Vohrer mit irrwitzigem Einfallsreichtum offen. Die Verquickung wohlhabender Charaktere mit dem Milieu entlarvt moralische Anständigkeiten als Scheinwelt zum Schutz des eigenen Status. Die Menschen agieren mit einer berechnenden Gier gegeneinander, die sich durch die unterschiedlichen Schichten vom Milieu bis zur Wirtschaft zieht. Das wirft ein ernüchterndes Schlaglicht auf das Miteinander der Menschen. Dabei schlägt Vohrer nicht nur einen grellen Stil an, dessen Zuspitzung mit brillanter Wucht einschlägt, auch das Tempo ist aufgrund der Verwicklungen hoch, die in 88 Minuten Laufzeit untergebracht wurden. So entwickelt sich ein packender Genre-Reißer, der mit seiner subversiven Überzeichnung als Monolith im deutschen Genre-Kino auch heute noch Bestand hat.

Bildqualität

Perrak

Wer schon einmal eine der im Umlauf befindlichen extrem rotstichigen Kopien von „Perrak“ im Kino gesehen hat, der weiß zu schätzen, wie gut die nun erschienene DVD aussieht. Vom Rotstich ist nur in vereinzelten, wenige Sekunden langen Segmenten noch etwas übrig. Sonst sind die korrekten Farben zu sehen, die zumeist im Stil der 1970er Jahre etwas schmutzig und nicht so kräftig aussehen. Das dies dem visuellen Stil des Films entsprechen dürfte, sieht man an der Farbeimerszene, die kräftige Töne aufweist. Die Schärfe ist recht gut, wenn man das Filmalter berücksichtigt. Leichte Nachzieheffekte sind zu sehen, treten aber nur selten auf. Darüber hinaus sind hier und da stehende Rauschmuster vorhanden. Das analoge Rauschen stört nicht. Beim Kontrast wurde an der einen oder anderen Stelle etwas zu viel gemacht, so dass man sich zwar über einen unfassbar tiefen Schwarzwert freuen kann, aber auch hinnehmen muss, dass hier kleine Details verschluckt werden. Insgesamt ist die DVD aber auch qualitativ ein echter Gewinn.

Tonqualität

Der DD 2.0 Ton leistet sich keine nennenswerten Schwächen. Die fetzige Musik erklingt ohne starke Verzerrungen mit relativ dynamischer Kraft, die Dialoge sind klar und verständlich.

Extras

Bei dem 8-seitigen Booklet handelt es sich um einen Nachdruck des alten Presseheftes, dessen Texte fast genauso sensationell sind wie der Film selbst.

Fazit

„Perrak“ ist ein Highlight des deutschen Genre-Films, in dem Regisseur Alfred Vohrer nicht nur ohne Rücksicht auf einen politisch korrekten Ton in den Niederungen des Milieus sowie der Wirtschaftskreise herumstochert, sondern die grelle Überzeichnung auch noch als sozio-politische Karikatur nutzt. Technisch ist die DVD angesichts des Filmalters gut.

Stefan Dabrock

29.07.2011

   
Originaltitel Perrak (BRD 1970)
Länge 88 Minuten (Pal)
Studio Pidax Film
Regie Alfred Vohrer
Darsteller Horst Tappert, Hubert Suschka, Wolf Roth, Judy Winter, Werner Peters, Eika Pluhar, Jochen Busse, André Ehoulan, Walter Richter, Arthur Brauss, u.a.
Format 1:1,66 (16:9)
Ton DD 2.0 Mono Deutsch
Untertitel -
Extras 8-seitiges Booklet
Preis ca. 12 EUR
Bewertung sehr gut, technisch gut