30.03. | Paul Temple und der Fall Marquis |
03.03. | Die weiße Mafia |
16.02. | Das Mädchen mit den schwarzen Strümpfen |
11.02. | Im Dutzend zur Hölle |
28.01. | Die Engel von St. Pauli |
21.01. | Die Todeskralle des grausamen Wolfes |
06.01. | Die Mörderklinik |
12.12. | Paul Temple: Jagd auf Z |
27.11. | Die drei Supermänner räumen auf |
30.10. | Die Heuchler |
10.10. | X 312 … Flug zur Hölle... |
03.10. | Das Todeslied des Shaolin |
15.09. | Der Koloss von Konga |
26.08. | Das Omen des Bösen |
11.08. | Menschen im Hotel |
06.08. | Mädchen: Mit Gewalt |
kurzrezension
09.11. | Return of the Warrior |
30.05. | Iron Sky - Director's Cut (blu-ray) |
21.05. | Captain Invincible oder „Wer fürchtet sich vor Amerika?“ |
22.04. | True Justice: Angel of Death – Der Todesengel (blu-ray) |
Der Balkan ist eine der unruhigsten Gegenden Europas. Immer wieder haben Kriege die Leidensfähigkeit der Bevölkerung auf die Probe gestellt. Die brutalen Auseinandersetzungen der jüngeren Geschichte wirken noch deutlich nach, das beweist auch ein Film wie „Leben und Tod einer Pornobande“.
Darin versucht der junge Filmschulabsolvent Marko, Geld für ambitionierte Projekte aufzutreiben. Aber die Bäume wachsen nicht in der Himmel, so dass Marko nicht nur Werbespots dreht, sondern schließlich beim Pornoproduzenten Cane landet. Für seinen Lebensunterhalt inszeniert er kleine Hardcoreszenen, schafft es aber seinem Produzenten etwas Geld loszueisen, um ein eigenes Werk zu drehen. Markos bizarrer Arthaus-Porno kommt bei seinem handfester denkenden Geldgeber aber nicht gut gut. Deswegen beschließt der junge Mann, das erste Porno-Theater des Balkans zu gründen. Die Premieren-Aufführung der bunten Truppe wird jedoch nach kurzer Zeit durch die Polizei unterbunden. Ohne große Umschweife machen sich die Bühnenshow-Aktivisten darauf in einem Hippie-Bus aus dem Staub, um mit ihrer schrillen, sexuell freizügigen Darbietung die Landbevölkerung Serbiens aus dem Dornröschenschlaf verkrusteter Strukturen und Denkweisen zu wecken. Der Erfolg ist jedoch nicht so groß wie gedacht. Daher gehen die Mitglieder der Truppe schließlich auf das zwielichtige Angebot des Deutschen Franz ein, für Geld Snuff-Filme zu drehen. Oder wie Franz seine Offerte ausdrückt: „Der Porno bleibt, es kommt einfach der Tod hinzu“.
Der Filmtitel „Leben und Tod einer Pornobande“ deutet die Bewegung des Films von einer zwar schwierigen, aber befreienden Atmosphäre hin zu einem Dasein an, das zunehmend düstere Züge trägt. Regisseur Mladen Djordjevic beginnt seinen Film als schrille Satire mit grotesker Überzeichnung. Der Arthaus-Porno, den der Filmschulabsolvent Marko im Laufe der Handlung dreht, ist Ausdruck des absurden, schon fast surrealen Stils, mit dem Djordjevic sein Werk garniert. In schwarzweißen Bildern ist ein Bauer zu sehen, der auf die Tragödie einer absoluten Missernte damit reagiert, seinen Acker sexuell zu bearbeiten. Sein Samen führt schließlich dazu, dass eine merkwürdige Pflanze wächst, deren Blätter einen intensiven Rausch verursachen. Ein zufällig vorbeikommender Hallodri – jetzt ist der Film farbig - sammelt die Pflanze ein, kultiviert sie und lebt als Dealer. Das Problem ist nur, dass die Abhängigen unkontrollierbar werden. Die Wendungen sorgen in Verbindung mit der Mischung unterschiedlicher Filmstile dafür, dass eine mögliche Pornowirkung völlig untergraben wird. Markos Ansatz ist vor dem Hintergrund, für wen er da eigentlich arbeitet, absolut aberwitzig. Auch die Bühnenshow, die er mit seiner bunten Truppe schließlich auf die Beine stellt, strotzt vor Absurditäten, wenn aggressive Schminke und Fetischkostüme auf sexuell Explizites und bedeutungsschwangere Monologe treffen. Die schrille Zuspitzung führt unweigerlich zu einem Komödienszenario, in dem die Welt trotz Reibereien und Repressalien durch die Staatsgewalt noch halbwegs in Ordnung ist. Die Irritationen sind aber bereits angelegt.
Konsequent führt die Reise der „Pornobande“ aus Schwulen, Transvestiten, Experimentierfreudigen und Zoophilen in eine Welt der Dunkelheit. Denn in der Provinz Serbiens sind die Wunden der kriegerischen Auseinandersetzungen viel stärker präsent. Die
dortige Landbevölkerung zeigt kein nennenswertes Interesse daran, durch ein intellektuelles Porno-Theater befreit zu werden. Die Reaktionen sind verhaltend oder ablehnend. Insofern bleibt die Reise zunächst eine Art Selbstbefreiung für Markos Gruppe selbst. Ihr Kampieren unter freiem Himmel, das Vagabundentum sowie die Freizügigkeit lässt sie das Leben genießen, obwohl die Armut der Preis ist. Eine Vergewaltigung der gesamten Truppe durch bärtige Hinterwäldler aus der Provinz Serbiens ist eine Art Wendepunkt für die Charaktere und für den Inszenierungsstil des Films. Die grausame Tat selbst schwankt allerdings noch zwischen absurder Überzeichnung und brutaler Demütigung. Die Optik der Vergewaltiger mit den Bärten, der massigen Statur und den derben Klamotten sorgt dafür, dass sie wie groteske Abziehbilder entsprechend verrohter Gestalten aussehen. Deswegen treffen hier bittere Satire über die Entmenschlichung der Bevölkerung sowie die Tragödie eines in der Gewalt endenden Traums aufeinander.
Die Mischung ist schwer erträglich, in ihrem Widerstreit aber nur konsequent, denn in „Leben und Tod einer Pornobande“ geht es um unbequeme, ambivalente Fragen. So kommt das Angebot des Deutschen Franz, Snuff-Filme zu drehen, zwar mit der kühlen Widerlichkeit des kalkulierenden, machtfreudigen Geschäftsmannes daher, die „Opfer“ der Filmaufträge aber sind Menschen, die sterben wollen. In einer erschreckenden Szene reagiert ein alter Mann, der mit dem Honorar seiner durch den Krieg entstellten Tochter eine Behandlung ermöglichen wollte, mit absoluter Verzweiflung, als das Tun abgebrochen wird, weil die Polizei naht. Djordjevic bindet Grausamkeiten und die verschiedenen Interessen so eng zusammen, dass sie nicht mehr auseinandergerissen werden können. Seine Szenerie lässt keine isolierte Betrachtung zu. Dadurch gelingt es ihm, die Komplexität vor dem Hintergrund verschiedener Kriegstraumata einzufangen. Ein Soldat schafft es nicht, mit seinen Kriegsverbrechen zu leben. Deswegen stellt er sich für einen Snuff-Film zu Verfügung. Seine Gewalt in der Vergangenheit trifft auf die Snuff-Gewalt in der Gegenwart. Daraus ergibt sich eine Intensität, die als Hilfeschrei eines kollektiven Traumas interpretierbar ist. Die Pornobande findet in der Provinz Serbiens die Wunden des Krieges, welche die Menschen malträtieren. Die Befreiung durch so etwas Naives wie eine grenzüberschreitende Sextravestie kann hier nicht funktionieren. Die Tragödie übernimmt mit ihrem düsteren Haupt das Kommando bis zum Schluss.
Bildqualität
Da der Film den Charakter einer mit Handkamera gedrehten, unmittelbaren Dokumentation besitzt, ist die Schärfe der Bluray nicht vergleichbar mit einer Hochglanzproduktion. Sie passt mit ihrem dezent weichen Stil aber sehr gut zur rauen Machart des Films. Die Farbwiedergabe ist überzeugend, da die oftmals schmutzigen, trostlosen Töne gut auf die Bluray übertragen wurden. Der Kontrast ist ansprechend. Je nach Szenario weist das Bild ein deutliches Rauschen auf oder es sieht recht glatt aus. So wirken Nachtaufnahmen sehr körnig. Das alles unterstützt des dokumentarischen Stil des Films.
Tonqualität
Der DTS-HD-Master-5.1-Ton hätte etwas mehr Raumklang haben dürfen. Die Musik nutzt zwar alle Lautsprecher, sonst bleiben die hinteren Boxen aber weitgehend stumm. Angesichts der Filmart ist das zwar noch in Ordnung, aber ein wenig mehr hätte es sein dürfen. Die Dialoge wurden sauber abgemischt.
Extras
Im Audiokommentar berichten Regisseur Mladen Djordjevic und Kameramann Nemanja Novanov über die Dreharbeiten sowie die Schwierigkeiten, Schauspieler für die heiklen Rollen zu bekommen. Sie gehen dabei auch szenenspezifisch auf einzelne Drehorte ein, deren visuelle Funktion innerhalb der Filmes sie erläutern. Darüber hinaus sprechen sie auch über die technische Umsetzung sowie die stilistische Konzeption. In seiner Informationsfülle ein guter Audiokommentar.
Regisseur Mladen Djordjevic geht in seinem gut 40-minütigen Interview auf den Beginn seiner Regiekarriere ein, berichtet über die Vorbereitungen zu dem Spielfilm „Leben und Tod einer Pornobande“, setzt sich mit dessen ästhetischem Stil auseinander, analysiert die aktuellen Bedingungen in der serbischen Filmindustrie und spricht über filmische Einflüsse seines Werkes. Erfreulicherweise gibt es kaum Überschneidungen zum Audiokommentar. Deswegen sind die sehr reflektierten Ausführungen Djordjevics sehr hörenswert. Er erweist sich als Filmemacher, der einiges zu den genannten Themen seines Interviews zu sagen hat.
Kameramann Nemanja Novanov erzählt in seinem etwa 24-minütigen Interview von den Vorbereitungen zu „Leben und Tod einer Pornobande“ und erläutert wie er zu dem Projekt kam. Er geht auch auf die visuelle Gestaltung des Films ein und äußert sich zum Werk „A Serbian Film“ („Srpski film“, Regie: Srdjan Spasojevic, Serbien 2010), bei dem er ebenfalls für die Kameraarbeit verantwortlich war. Ein gutes, informatives Interview.
Bei den Deleted Scenes handelt es sich um längere Varianten bereits im Film enthaltener Szenen. So ist beispielsweise eine etwas ausführlichere Version des bizarren Kunstpornos zu sehen, den Marko innerhalb des Films dreht.
Behind the Scenes zeigt etwa 26 Minuten unkommentierten B-Roll-Materials, während die Bildergalerie einen interessanten Kommentar besitzt, der das Material einordnet.
Sehr gut sind noch die drei Ausschnitte aus Dokumentationen, die Regisseur Mladen Djordjevic zuvor gedreht hat. „Porno Guerilla“ (knapp drei Minuten), „Gespenster des Krieges“ (gut 13 Minuten) und „Die weiße Qaida“ (gut zwölf Minuten) zeigt die realen Menschen, die Djordjevic zu einigen Figuren seines Films inspiriert haben. So ist ein Scharfschütze aus dem Bosnienkrieg und eine Gruppe Pornodarsteller zu sehen.
Ein Trailer ist auf der Bluray ebenfalls enthalten.
Das 28-seitige Booklet wartet mit ausführlichen Texten zu „Leben und Tod einer Pornobande“ auf, in denen Journalist Jochen Werner und der US-Filmkritiker Steven Shaviro den Film analysieren und Bezüge zum jugoslawischen Kino der Vergangenheit herstellen. Daneben ist noch ein Interview mit Regisseur Mladen Djordjevic abgedruckt.
Fazit
„Leben und Tod einer Pornobande“ reflektiert mit drastischen Mitteln über das kollektive Trauma einer Region, die keinen Raum für naive Träume hat und die Erlösung nur noch im Ende findet. Technisch ist die Bluray dem Film angemessen.
Stefan Dabrock
12.07.2011
Originaltitel | Zivot i smrt porno bande (Serbien 2009) |
Länge | 112 Minuten (24p) |
Studio | Bildstörung |
Regie | Mladen Djordjevic |
Darsteller | Mihajlo Jovanovic, Ana Acimovic, Predrag Damnjanovic, Radivoj Knezevic, Srdjan Jovanovic, Ivan Djordjevic, Bojan Zogovic, Natasa Miljus, Aleksandar Gligoric, Mariana Arandjelovic, Srdjan Miletic, Spencer Gray, u.a. |
Format | 1:1,97 (16:9) |
Ton | DTS-HD-Master 5.1 Serbisch |
Untertitel | Deutsch, Englisch |
Extras | Audiokommentar von Mladen Djordjevic (Regie) und Nemanja Novanov (Kamera) , Interviews mit Mladen Djordjevic (Regie) und Nemanja Novanov (Kamera), u.m. |
Preis | ca. 23 EUR |
Bewertung | drastische Reflexion, technisch dem Film angemessen |