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Rezension von Stefan Dabrock vorlesen lassen
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Alfred Hitchcock drehte einen Film, der in einem Ruderboot spielt („Das Rettungsboot“ / „Lifeboat“, USA 1944), Carl Schenkel drehte einen Film, der in einem Fahrstuhl spielt („Abwärts“ BRD 1984), und Joel Schumacher drehte einen Film, der im wesentlichen „in“ einer Telefonzelle spielt („Nicht auflegen“ / „Phone Booth“, USA 2002). Den Umgang mit einem stark begrenzten Raum als Handlungsort für einen Film setzt Rodrigo Cortés mit „Buried – Lebend Begraben“ fort. Auf der visuellen Ebene der Kamerabilder spielt sein Werk lediglich in einem Sarg. Darin wacht Paul Conroy auf, ohne zu wissen wie er hineingekommen ist. Er erinnert sich, dass er zuletzt als LKW-Fahrer im Irak unterwegs war. Jetzt befindet er sich irgendwo unter der Erde. Ein Feuerzeug und ein Mobiltelefon bilden die Utensilien, mit denen er sich orientieren kann. Als das Mobiltelefon klingelt, kündigt sich zumindest eine Information über die Situation an, aber seine verzweifelte Lage wird dadurch nicht gelöst. Das Telefon ist seine einzige Kontaktmöglichkeit zur Außenwelt. Conroy versucht, mit dessen Hilfe Rettung zu holen, aber er weiß ja selbst nicht, wo er sich befindet.
Regisseur Rodrigo Cortés findet zusammen mit seinem Kameramann Eduard Grau erstaunlich variantenreiche Einstellungen, um die Sargszenerie aus unterschiedlichen Perspektiven einzufangen. Ihnen gelingt es, den begrenzten Raum von allen Seiten zu drehen und zu wenden, bis nichts mehr übrig ist. Damit spiegeln sie die klaustrophobische, augenscheinlich ausweglose Situation Paul Conroys wieder, der zwischen hysterischer Aggression und niedergeschlagener Ruhe pendelnd immer neue Wege sucht, um sich aus der lebensbedrohlichen Lage zu befreien. Die Dynamik der inneren Anspannung, die Conroy durchlebt, kann sich so perfekt auf den Zuschauer übertragen. Der ganze Irrsinn des Sarggefängnisses, der für seinen Insassen damit verknüpft ist, in der Begrenzung dort neue
Möglichkeiten zu finden, wo andere sie mit einer Außenperspektive nicht sehen, wird im visuellen Stil lebendig. Conroys Hirn arbeitet auf Hochtouren und erweitert dadurch den Raum, in dem er liegt. Nüchterne Realitätsbetrachtung und fieberhafter Wahn verschmelzen zu einer Einheit. Cortés gelingt somit der perfekte Film, über die Grenzerfahrung der Gefangenschaft, deren psychische Auswirkungen im intensiven Spiel des Conroy-Darstellers Ryan Reynolds sichtbar ist. Er verkörpert die Stimmungsschwankungen ebenso souverän wie sein ständiges Schnaufen die immerwährende Todesangst hörbar macht.
Aber „Buried – Lebend Begraben“ begnügt sich nicht ansatzweise damit, nur die prekäre Situation an sich in einen Spannungsfilm zu gießen. Die Telefongespräche, die Conroy führt, entfalten nach und nach ein immer komplexeres Bild über die Wechselwirkungen verschiedener Einflussgrößen im Irak. Natürlich bleiben die Möglichkeiten begrenzt, da hier nur der Dialog präsent ist, aber die Andeutungen sowie Informationsbrocken werfen kritische Fragen zum politischen sowie militärischen Tun der USA und ihrer Verbündeter im Irak oder an anderen Brennpunkten auf. Dabei geht es auch um Schuld, die Conroy auf sich geladen hat, ohne dass er eine zentraler Akteur wäre. Vor allem aber geht es um die wichtigen Entscheidungsträger auf politischer und wirtschaftlicher Ebene, die teilweise im Falle Conroy ein fragwürdiges, taktische Spiel spielen. Hier wird der Film zu einer Auseinandersetzung mit den Grenzen politischer sowie wirtschaftlicher Ethik angesichts einer komplexen geopolitischen Lage, mit der man es zu tun hat.
Auf einer dritten Ebene lässt sich das Werk schließlich auch als metaphorische Abrechnung mit dem amerikanischen Handlungsspielraum lesen. Conroy befindet sich als Symbol für Amerika in einer ausweglosen Lage, deren Tragweite er kaum überblicken kann. So wie Conroy fieberhaft versucht, die Situation unter Kontrolle zu bringen, indem er immer wieder neue Lösungsmöglichkeiten testet, so versucht Amerika, einen außer Kontrolle geratenen Irak wieder in den Griff zu bekommen. Aber die technischen Möglichkeiten sowie die Fähigkeit, die vielen Facetten zu erfassen, sind wie bei Conroy extrem begrenzt. Der Ausweg aus der Sackgasse ist noch nicht gefunden.
Bildqualität
Die Bluray präsentiert den Film mit einer sehr guten Bildqualität. Aufgrund der reduzierten Lichtsituation – ein Feuerzeug oder das Display des Mobiltelefons bilden die Lichtquelle – bleiben immer wieder große Teile des Bildes relativ undifferenziert, aber das, was beleuchtet wird, besitzt eine ausgezeichnete Schärfe. Das gilt sowohl für die Konturen als auch für die Detailfreude. Der Sargbegrenzung oder Conroys Gesicht werden hervorragend herausgearbeitet. Die Farbpalette kommt mit einer reduzierten Anzahl an Tönen aus, die aber kräftig erscheinen. Der ausgewogene Kontrast überzeugt. In dunklen Bereichen kommt es gelegentlich zu Bildrauschen, was zur visuellen Konzeption dazugehört. Der dunkle Schwarzlevel überzeugt.
Tonqualität
Die DTS-HD-Master-5.1-Tonspuren geben die Dialoge sehr gut verständlich wieder. Darüber hinaus werden die Nebengeräusche – Conroys Atmung, der Druck des Sandes von außen oder aber die Geräusche die Conroy verursacht, wenn er gegen die Sargwände stößt – sehr gut auf die Lautsprecher übertragen. Dadurch ergibt sich eine gute räumliche Atmosphäre, welche die dramatische Situation perfekt verstärkt.
Extras
Der Audiokommentar von Regisseur Rodrigo Cortés gehört zu den besseren Kommentaren. Die Mischung aus einigen analytischen Ansätzen, wenn Cortés über seine künstlerische Vision spricht, und Informationen zum Dreh oder einigen Begebenheiten am Set wechselt zwischen Unterhaltung und Faktentreue. Langeweile kommt nicht auf.
Das etwa 63minütige Making Of besteht aus mehreren Beiträgen, die entweder einzeln angewählt oder zusammen abgespielt werden können. Neben einigen völlig uninteressanten Bemerkungen einzelner Stabmitglieder – der Regisseur lobt beispielsweise erwartungsgemäß Ryan Reynolds Leidensfähigkeit – erfährt man einiges über die technische Umsetzung der Kameraarbeit, den Aufbau des Sets, die Spezialeffekte, die Komposition der Musik oder den stressigen Schnitt. Wenn Regisseur Rodrigo Cortés nicht gerade einem kurzen Anfall verbaler Allgemeinplätze erliegt, dann hat er einiges über sein Werk zu sagen. Deswegen ist das Making Of über weite Strecken gelungen, leistet sich aber ein paar Durchhänger. Die Interviews mit Rodrigo Cortés (Regie) und Ryan Reynolds (Darsteller), die beim Sundance Filmfestival entstanden ist, liefern beispielsweise wenig interessante Aussagen. Das gesamte Material ist deutsch untertitelt.
Teaser und Trailer zum Film sind auf der Bluray ebenfalls enthalten.
Fazit
„Buried – Lebend Begraben“ überzeugt einerseits auf der Ebene der Gefängnissituation, die Regisseur Rodrigo Cortés mit eindringlichen filmischen Mitteln in Szene gesetzt hat, und andererseits als Auseinandersetzung mit geopolitischem, auf Machtausweitung aufgebautem Engagement wirtschaftlich sowie militärisch potenter Staaten. Technisch ist die Bluray sehr gut.
Stefan Dabrock
05.05.2011
Originaltitel | Buried (Spanien/USA 2010) |
Länge | 95 Minuten (24p) |
Studio | Ascot Elite |
Regie | Rodrigo Cortés |
Darsteller | Ryan Reynolds, José Luis García Pérez, Robert Paterson, u.a. |
Format | 1:2,35 (16:9) |
Ton | DTS-HD-Master 5.1 Deutsch Englisch |
Untertitel | Deutsch |
Extras | Audiokommentar von Rodrigo Cortés (Regie), Making Of, Teaser, Trailer |
Preis | ca. 17 EUR |
Bewertung | sehr gut, technisch sehr gut |