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Appartement ohne Wiederkehr

Spurlos – Die Entführung der Alice Creed

Rezension von Stefan Dabrock vorlesen lassen

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Spurlos – Die Entführung der Alice Creed

„Spurlos – Die Entführung der Alice Creed“ ist Genrekino mit ökonomischer Prägnanz und perfekter Reduktion auf das zentrale Drama. Die Handlung dreht sich um zwei ehemalige Knastbrüder, die eine Entführung begehen. Wie dem Filmtitel bereits ohne große Anstrengung entnommen werden kann, ist das unglückliche Opfer eine Frau mit dem Namen Alice Creed. Die beiden Entführer verschleppen ihre Geisel, die Mitte 20 ist, in ein speziell hergerichtetes Appartement. In Verhandlungen wollen sie vom Vater Creeds ein Lösegeld über zwei Millionen Pfund erpressen. Alles läuft nach Plan, aber es gibt ein paar Details, die einer der beiden Kidnapper dem anderen verschwiegen hat. Das sorgsam aufgebaute Gleichgewicht der Kräfte, das die Gewalt jenseits der Entführung im Zaum gehalten hat, besteht nicht mehr, so dass sich eine dynamische, unkontrollierbare Situation entwickelt.

Die anfänglichen, ohne jegliche Dialoge inszenierten gut zehn Minuten des Films sind perfektes Kino der Bilder, das ohne Ausschweifungen die dramatische Grundsituation aufbaut. Die beiden Entführer werden in einer prägnanten Schnittfolge dabei gezeigt, wie sie alles für die Entführung und die notwendige Unterbringung des Opfers erwerben sowie das Appartement herrichten. Regisseur J. Blakeson gelingt es, mit Hilfe der punktgenauen Erzählweise einen Sog zu entwickeln, der einen in das Geschehen einsaugt. Die Präzision seiner Schnitttechnik reflektiert die Präzision der beiden Entführer. Alles läuft so bruchlos ab, dass sich eine Atmosphäre unentrinnbarer Bedrohung aufbaut. Das Opfer hat keine Chance zu entkommen, weil nichts die Perfektion stört. Das macht Blakeson so überzeugend, dass er die eigentliche Überwältigung der jungen Frau nicht einmal zeigen muss, um Zweifel an der eiskalten Ausführung zu zerstreuen. Es ist lediglich aus dem Innenraum des Transporters heraus zu sehen, wie Alice Creed in den Fluchtwagen gelegt und anschließend gefesselt wird. Aufnahmen von den Entführern, die ihre Geisel ins Appartement tragen und dort für den Aufenthalt vorbereiten, schließen die Exposition ab.

Neben dem hervorragenden Aufbau einer Atmosphäre der Ohnmächtigkeit dient der Anfang aber noch einem zweiten Ziel. Blakeson baut die Fallhöhe auf, mit der die Entführer schließlich konfrontiert werden. Das anschließende Drama wirkt viel intensiver, weil die anfängliche Präzision zeigt, was hätte sein können, wenn nicht der Mensch mit seinen Schwächen agieren würde. Natürlich hat es auch etwas Tröstliches, das sich die Kriminellen nicht als emotionslose Spurlos – Die Entführung der Alice Creed Maschinen entpuppen. Sie tragen viel mehr mit sich herum, als zunächst sichtbar ist. Nach und nach entblättern sich neue Details der Geschichte, die nicht nur als überraschende Wendungen funktionieren, sondern auch noch völlig nachvollziehbar in den Ablauf integriert werden. Der Film vermeidet es, Haken zu schlagen, die als reine Masche erkennbar sind. Das ist die große Stärke des Drehbuchs, das ebenfalls von Blakeson stammt. Ohne logische Brüche entzaubert er die anfängliche Perfektion immer weiter, um die Menschen mit ihren Emotionen, Fehlern und irrsinnigen Ideen ins Zentrum zu rücken. Obwohl die Spannung nie nachlässt und der Film stets ein klassischer Genrefilm bleibt, wird aus dem Werk mit zunehmender Lauflänge ein Drama, das sowohl tragische als auch melodramatische Züge trägt. Diesen sanften Wandel erzählt Blakeson mit einer ebenso eindringlichen wie brillanten Souveränität. Aus der Kälte des Beginns wird eine gewalttätige, aber aufgrund der Emotionen letztlich Wärme ausstrahlende Auseinandersetzung. Aus Maschinen wurden Menschen.

Bildqualität

Spurlos – Die Entführung der Alice Creed

Das Bild der Bluray verfügt dank digitaler Drehtechnik über eine gute Schärfe, welche die klaren Konturen und die zahlreichen Details sauber abbildet. Die Farben wirken weitgehend kühl, was dem visuellen Konzept des Films entspricht. Nennenswertes Rauschen tritt nicht in Erscheinung. Der Kontrast macht eine weitgehend gute Figur, der Schwarzwert könnte in einigen Szenen aber stärker ausgeprägt sein. Hier neigt das Bild manchmal zur leichten Graufärbung.

Tonqualität

Die DTS-HD-Master-5.1-Tonspuren liefern aufgrund der kammerspielartigen Inszenierung kein akustisches Feuerwerk mit dynamischer Kraft, sondern eine subtile Abmischung. Die Dialoge sind stets gut verständlich, die hinteren Lautsprecher kommen immer wieder zum Einsatz, wenn es darum geht, kleinere atmosphärische Geräusche wiederzugeben. Während das angesichts der Machart des Films absolut passend ist, hätte man sich etwas mehr Bandbreite auf den vorderen Lautsprechern gewünscht. Wirklich tragisch ist das aber nicht.

Extras

Im Audiokommentar äußert sich Regisseur J. Blakeson zu verschiedenen Aspekten des Films. Einerseits kommentiert er einzelne Szenen, indem er ihren dramaturgischen Aufbau analysiert oder die psychologische Tragweite der Gefängnissituation für die Figuren verdeutlicht, andererseits geht er auf das Casting und den Entstehungsprozess des Films ein. So gelingt ihm ein informativer, hörenswerter Audiokommentar, der keine deutschen Untertitel besitzt.

Das knapp 12-minütige Making Of entpuppt sich als Standardbeitrag mit der üblichen Mischung aus Interviews und Filmausschnitten, die relativ wenig Informationen präsentiert.

„Beim Dreh“ besteht aus einem knapp neunminütigen Zusammenschnitt unterschiedlichen, unkommentierten B-Roll-Materials, das mit einordnenden Zwischentiteln wie „Der Regisseur sieht sich eine Szene auf dem Monitor an“, unterteilt wurde. Interessierte mögen einschalten.

„Interviews“ vereint mit einer Lauflänge von knapp 35 Minuten die vollständigen Versionen der Gespräche mit den einzelnen Stabmitgliedern wie dem Regisseur, dem Kameramann und den Darstellern, die in Ausschnitten für das Making Of verwendet wurden. Faszinierenderweise lohnen sich aber auch die längeren Versionen nicht entscheidend mehr, da die Beteiligten letztlich nur etwas länger ihre Rolle inhaltlich fassen, erzählen, wie intensiv ein Low-Budget-Dreh ist, oder aber so knapp auf die Entstehungsgeschichte des Films eingehen, dass sie hinter dem Audiokommentar zurückbleiben.

Making Of, „Beim Dreh“ und die Interviews besitzen deutsche Untertitel.

Die „Deleted Scene“ ist die längere Version einer sehr dialoglastigen Szene, welche im fertigen Film auf Tempo gekürzt worden ist. Sie lässt sich mit oder ohne Kommentar des Regisseurs abspielen. Beim deutsch untertitelten Kommentar geht Blakeson sehr ausführlich auf den Dreh der Szene sowie ihre Gestaltung ein.

Ein gut fünfminütiger Vergleich einzelner Filmszenen mit den dazugehörigen Storyboardbildern sowie Trailer zum Film runden das Bonusmaterial ab.

Fazit

„Spurlos – Die Entführung der Alice Creed“ ist eine wunderbare Mischung aus knackiger Genrespannung und intensivem Drama, die konsequent zu Ende erzählt ist. Technisch ist die Bluray gut.

Stefan Dabrock

19.05.2011

   
Originaltitel The Disappearance of Alice Creed (Spanien/USA 2010)
Länge 100 Minuten (24p)
Studio Ascot Elite
Regie J. Blakeson
Darsteller Martin Compston, Eddie Marsan, Gemma Arterton,
Format 1:2,40 (16:9)
Ton DTS-HD-Master 5.1 Deutsch Englisch
Untertitel Deutsch
Extras Audiokommentar von J. Blakeson (Regie), Making Of, Trailer, u.m.
Preis ca. 17 EUR
Bewertung sehr gut, technisch sehr gut