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rezensionen

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16.02. Das Mädchen mit den schwarzen Strümpfen
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28.01. Die Engel von St. Pauli
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12.12. Paul Temple: Jagd auf Z
27.11. Die drei Supermänner räumen auf
30.10. Die Heuchler
10.10. X 312 … Flug zur Hölle...
03.10. Das Todeslied des Shaolin
15.09. Der Koloss von Konga
26.08. Das Omen des Bösen
11.08. Menschen im Hotel
06.08. Mädchen: Mit Gewalt

kurzrezension

09.11. Return of the Warrior
30.05. Iron Sky - Director's Cut (blu-ray)
21.05. Captain Invincible oder „Wer fürchtet sich vor Amerika?“
22.04. True Justice: Angel of Death – Der Todesengel (blu-ray)

dvd

Japans absurde Identitätssuche

Carmens reine Liebe

Japanische Meisterregisseure Nr. 8: alle Filme

Carmens reine Liebe

Ein Jahr nach „Carmen kehrt heim“ realisierte Keisuke Kinoshita die in schwarz-weiß gedrehte Fortsetzung „Carmens reine Liebe“. Die selbstbewusste Carmen lebt mit ihrer Freundin Akemi in einer einfachen Wohnanlage. Geldnot ist ein ständiger Begleiter der beiden Frauen, zumal Akemi ihr Kind versorgen muss. Während die junge Mutter als Straßenverkäuferin ein bisschen Geld verdient, arbeitet Carmen in einem Stripclub, wo sie die berühmte Opernfigur in frivolen Schauspielminiaturen verkörpert. Als sie durch Zufall einen Künstler kennen lernt, spürt Carmen, dass sie wahrhaftig verliebt ist. Der junge Mann ist jedoch aus wirtschaftlichen Gründen schon längst einer Anderen versprochen worden. Die Mutter seiner zukünftigen Braut, eine engagierte Politikerin, geht gegen alles vor, was die Hochzeit gefährden könnte. Das sorgt für Turbulenzen in Carmens Leben.

Keisuke Kinoshita führt mit „Carmens reine Liebe“ seine komödiantische Bestandsaufnahme der japanischen Gesellschaft wenige Jahre nach dem verlorenen Zweiten Weltkrieg fort. Das Land befindet sich in einer kollektiven Identitätskrise, die aus wirtschaftlicher Not und politischem Machtverlust heraus entstanden ist. In „Carmens reine Liebe“ regiert aber nicht die trübsinnige Not, sondern die Groteske mit tragikomischen Momenten. Weil die Haushälterin des Künstlers, in den sich Carmen verliebt, ihr einziges Kind durch die Atombombe verloren Carmens reine Liebe hat, macht die Frau für alles, was schief geht, die Bombe verantwortlich. Jedes Alltagsmissgeschick wird genauso in die Schuldzuweisungen miteinbezogen wie größere Schwierigkeiten. Das Trauma der Katastrophe findet seinen Niederschlag in der Absurdität, die ihr einerseits ein wenig den Schrecken nimmt und andererseits die Tragik nicht leugnet. Die Leichtigkeit, mit der Keisuke Kinoshita eine solche Figur ins Geschehen integriert, dokumentiert seine meisterlichen Qualitäten im Umgang mit sensiblen Themen. Ihm gelingt der Spagat zwischen luftiger Komödie sowie tiefsinniger Reflexion, hinter der auch eine größere Dramatik lauert.

Mit bissiger Ironie betrachtet er die politische Klasse, die hier nur in Form einer Soldatenwitwe zugegen ist. Während sie sich darum kümmert, dass die Hochzeit ihrer Tochter mit dem Künstler nicht gefährdet wird, propagiert sie parallel dazu in ihrem Wahlkampf die Wiederbewaffnung Japans. Ihr karikaturartiges Auftreten als großspurige Kämpferin, die mit Geld oder Überwältigungstaktik noch immer alle Schwierigkeiten aus dem Weg geräumt hat, verrät die Haltung des Regisseurs zu der sensiblen Thematik. Die neue Machtoption wird bei ihm mit beißendem Humor demontiert. So herrscht im Hause der Politikerin ein militärischer Umgangston zwischen ihrem Diener und dem Rest der Familie, der im privaten Rahmen völlig deplatziert wirkt. Die Ideen der Politikerin erscheinen deswegen aus einem Geist heraus geboren zu sein, der keinen Realitätsbezug kennt. Einzig Carmen strahlt im bunten Panoptikum der grotesken Figuren eine gewisse Normalität aus. Sie will ihre Identität im wahrhaftigen Ausleben ihrer Gefühle finden. Die Liebe zum Künstler hat keinen Hintergedanken, sie verfolgt keinen übergeordneten Zweck. Das macht Carmen zu einem Ideal in einer Gesellschaft, die sich noch nicht gefunden hat, aber bei einer Rückbesinnung auf sich selbst noch finden kann. Die Schieflage, mit der Japan wenige Jahre nach dem zweiten Weltkrieg noch zu kämpfen hat, drückt sich auch in einem Stilmittel aus, das in seiner Konsequenz ein wenig übertrieben wirkt. Immer wieder neigt Keisuke Kinoshita die Kamera zur Seite, um eine schräge Perspektive einzunehmen. Die Balance ist noch nicht da, das brüllt die Kameraarbeit einwenig zu sehr hinaus. Dadurch wird die meisterliche Gesellschaftsreflexion aber nicht nennenswert in Mitleidenschaft gezogen.

Bildqualität

Carmens reine Liebe

Das saubere Bild der DVD weist angesichts des Filmalters eine sehr gute Schärfe auf, die auch durch das leichte analoge Rauschen nicht beeinträchtigt wird. Die Konturen sind klar, der Detailreichtum ist ansprechend. Der sehr gute Kontrast sorgt für ein differenziertes Schwarzweiß, das nur selten zu leichten Überstrahlungen führt. Nennenswerte Rauschmuster treten nicht in Erscheinung. Die Qualität ist sichtbar besser als bei „Carmen kehrt heim“.

Tonqualität

Der japanische 2.0-Mono-Ton – eine deutsche Synchronisation existiert nicht - liefert klare und verständliche Dialoge, die nur wenige Verzerrungen aufweisen. Das gilt auch für die Musik sowie die Toneffekte. Insgesamt eine gute Tonqualität.

Extras

Das Bonusmaterial besteht wie bei den vorherigen Veröffentlichungen aus demselben 20seitigen Booklet, das sich der kompletten Reihe widmet, indem die einzelnen Regisseure Nagisa Ôshima, Yoshitarô Nomura, Keisuke Kinoshita und Yasujirô Ozu sowie die Filme vorgestellt werden, deren Veröffentlichung noch geplant ist.
Daneben enthält die DVD noch Trailer zu den Reihenfilmen „Sing a Song of Sex“, „Die Nacht des Mörders“, „Nacht und Nebel in Japan“ sowie „Carmen kehrt heim“.

Fazit

„Carmens reine Liebe“ reflektiert auf meisterliche Art und Weise die japanische Identitätskrise wenige Jahre nach dem verlorenen Zweiten Weltkrieg. Dabei gelingt Keisuke Kinoshita der Spagat zwischen luftiger Komödie und intensiver Dramatik. Technisch ist die DVD sehr gut.

Stefan Dabrock

07.08.2010

   
Originaltitel Karumen junjo su (Japan 1952)
Länge 99 Minuten (Pal)
Studio Polyfilm
Regie Keisuke Kinoshita
Darsteller Hideko Takamine, Masao Wakahara, Chikage Awashima, Toshiko Kobayashi, Eiko Miyoshi, Chieko Higashiyama, Takeshi Sakamoto, Shinichi Himori, u.a.
Format 1:1,33 (4:3)
Ton DD 2.0 Mono Japanisch
Untertitel Deutsch
Extras 20seitiges Booklet
Preis ca. 24 EUR
Bewertung sehr gut, technisch sehr gut