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rezensionen

30.03. Paul Temple und der Fall Marquis
03.03. Die weiße Mafia
16.02. Das Mädchen mit den schwarzen Strümpfen
11.02. Im Dutzend zur Hölle
28.01. Die Engel von St. Pauli
21.01. Die Todeskralle des grausamen Wolfes
06.01. Die Mörderklinik
12.12. Paul Temple: Jagd auf Z
27.11. Die drei Supermänner räumen auf
30.10. Die Heuchler
10.10. X 312 … Flug zur Hölle...
03.10. Das Todeslied des Shaolin
15.09. Der Koloss von Konga
26.08. Das Omen des Bösen
11.08. Menschen im Hotel
06.08. Mädchen: Mit Gewalt

kurzrezension

09.11. Return of the Warrior
30.05. Iron Sky - Director's Cut (blu-ray)
21.05. Captain Invincible oder „Wer fürchtet sich vor Amerika?“
22.04. True Justice: Angel of Death – Der Todesengel (blu-ray)

blu-ray

Gemischte Platte

Antichrist

Antichrist

Das perfekte Zusammenspiel aus Schnitt, Händels Arie „Lascia ch'io pianga“ aus der Oper „Rinaldo“ und den in schwarzweiß aufgenommenen Superzeitlupenszenen eines kopulierenden Paares, dessen kleines Kind während ihrer sexuell ausgelebten Lust aus dem Fenster zu Tode stürzt, sorgt für einen kraftvollen, mächtigen Einstieg in Lars von Triers Film „Antichrist“. So offensichtlich gestaltet der Prolog auch ist, so gut greifen die Elemente ineinander, dass die Konstruktion in den Hintergrund tritt. Das gelingt Von Trier im weiteren Verlauf des Films nicht mehr, wenn es um die Bewältigung des Unglücksfalles geht. Das trauernde Paar zieht sich in eine einsam gelegene Hütte in waldreicher Natur zurück. Da der Mann Psychiater ist, hält er es für eine gute Idee, dort seine Frau zu therapieren, die in einem Sog aus Trauer, Verzweiflung und Schuldgefühlen versinkt. Nach anfänglichen Fortschritten, die aus der Sicht des Psychiaters zu verzeichnen sind, gerät die Situation jedoch zunehmend außer Kontrolle, so dass die Selbstzerfleischung des Paares in körperliche Gewalt umschlägt.

Von Trier und sein Kameramann Anthony Dod Mantle haben „Antichrist“ bis ins kleinste Detail gestaltet. Nichts an den vielfach bearbeiteten Bildern mit ihren Unschärfen, den Lichteffekten sowie der Platzierung der Objekte wirkt zufällig. Sprechende Tiere, die Totgeburt eines Rehs, das noch halb im Körper seines Muttertieres hängt, Raben, der Wald oder auch sprachliche Elemente wie die Bezeichnung Eden für die Hütte mit ihrer Umgebung liefern klare Referenzen an intellektuelle Konzepte religiöser, morbider oder auch naturinterpretierender Art. Das Böse spielt darin ebenso eines entscheidende Rolle wie die tiefenpsychologische Fragestellung nach seinem Ort und Wesen. Zur Illustration präsentiert Von Trier unter anderem drohende Waldbilder, welche die Natur als undurchdringlichen, bedrückenden Ort zeigen. Die Frau bekommt aus der Sicht des Mannes etwas Dämonisches verpasst, weil er sie in ihrem Wesen überhaupt nicht versteht. Daraus resultiert eine fragwürdige Behandlungsstrategie. Ihre Gewaltausbrüche reflektieren die Kollision der unterschiedlichen Geschlechterwesenszüge, die Antichrist angesichts der vorherigen Katastrophe in voller Wucht ausbrechen können. Die Kraft der Unklarheit oder des Diffusen ist in den durchkomponierten Szenerien nicht enthalten, da jedes Bild eine eindeutige Intention hat. Ambivalenz entsteht hier nur durch die Aneinanderreihung der Umschwünge. Mal wirkt die Frau Dämonisch, wenn sie mit nahezu eiskalter Präzision das Bein ihres Mannes mit einem Bohrer malträtiert, und mal nicht, wenn sie in weinerlicher Verzweiflung seine Nähe sucht. Mal präsentiert sich die Natur bedrohlich und dann gibt es auch wieder Bilder fast sonniger Schönheit. Diese simple Form der Irritation sowie die Konzentration auf eine intellektuelle Schaffenskraft, welche aus den kristallklar komponierten Bildern spricht, kollidiert unaufhaltsam mit der grollenden Thematik des Films, die sich um schwer fassbare, diffuse Angst- und Schuldgefühle sowie das Böse dreht. Die verwendeten Mittel sind nicht in der Lage, die Themen in ihrer emotionalen Kraft widerzuspiegeln. Stattdessen sorgt Von Trier für eine Distanzerweiterung, die auch durch kalkulierte Gewaltprovokationen nicht eingerissen werden kann. Sein intellektueller Ansatz, der aufgrund der vielen Verweise Tiefe suggerieren soll, geht genau daran vorbei. Die schablonenartige Präsentation ist nur noch der Ausdruck eines Scheiterns. Im Abspann widmet Von Trier seinen Film Andrej Tarkowski. Dessen Bilder können im Gegensatz zu „Antichrist“ die intellektuelle Mauer der ebenfalls vorhandenen Konstruktion immer wieder durchbrechen, indem sie etwas Unergründliches Ausstrahlen. Von Trier sollte sich Tarkowskis Filme noch öfter ansehen und ein paar Werke von Werner Herzog könnten auch nicht schaden.

Bildqualität

Antichrist

Die Bluray gibt das Bild des Films sehr gut wieder, das stilistisch zwischen sehr scharfen Szenen mit vielen Details und weichen Bildelementen wechselt. Die mal entsättigten und mal kräftigen Farbtöne werden sehr gut wiedergegeben, so dass der Film seine visuellen Qualitäten voll entfalten kann. Der ausgewogene Kontrast ist ebenso überzeugend wie es keine Rauschmuster zu sehen gibt.

Tonqualität

Die DTS-HD-Master-5.1-Tonspuren bieten neben klaren und verständlichen Dialogen eine subtile räumliche Abmischung, die zumeist die vorderen Lautsprecher nutzt, für spezielle Szenen aber auch die hinteren Lautsprecher mit Toneffekten versorgt. Dadurch entfaltet der Ton zwar keine überwältigende Wucht, überzeugt aber durch seine eindringliche Präzision.

Extras

Der Audiokommentar mit Lars von Trier (Regie) und Maurice Smith (Filmdozent) gerät zwar zwischenzeitlich immer wieder ins Stocken widmet sich in der verbleibenden Zeit aber intensiv der Gestaltung des Films sowie manchen produktionstechnischen Umständen, so dass ein guter, spannender Kommentar entstanden ist.
In ihrem etwa 43minütige Interview geht Darstellerin Charlotte Gainsbourg ausführlich auf die Dreharbeiten ein, äußert sich zu ihren Gefühlen angesichts heikler Szenen sowie der Arbeitsweise von Lars von Trier und spricht über die Publikums- sowie Pressereaktionen auf den Film. Dabei kommen Themen wie Angst, Frauenfeindlichkeit oder Gewalt zur Sprache. Ein sehr gutes Interview, dass nur ein wenig unter der Machart leidet, da der Einsatz von Splitscreen ablenkend wirkt.
Das etwa achtminütige Interview mit Darsteller Willem Dafoe nutzt seine kompakte Laufzeit für ein paar ansprechende Einblicke in Dafoes Sicht auf die schauspielerischen Anforderungen sowie die künstlerische Autonomie eines solchen Projektes.
In „Geständnisse des Regisseurs Lars von Trier“ (etwa fünf Minuten) geht es hauptsächlich um seine Panikattacken sowie seine Depression, die er mit Hilfe des Films zu bekämpfen suchte. All das ist bereits im Audiokommentar enthalten, so dass der Beitrag nur für diejenigen interessant ist, die keine Lust haben, den Film mit Kommentar anzusehen.
Der etwa 15minütige Beitrag „Die visuellen Effekte“ veranschaulicht mit Hilfe ausgewählter Filmausschnitte die zahlreichen digitalen Bearbeitungen, die bei diversen Szenen eingesetzt wurden. Darin erläutern unter anderem Kameramann Anthony Dod Mantle und der Leiter des Teams für die visuellen Effekte Peter Hjorth einzelne Arbeitsweisen.
Im 13minütigen Beitrag „Die Musik“ geht Kristian Eidnes Andersen auf die Gestaltung der Toneffekte sowie die Aufnahmen der Händel-Arie ein, die zu Beginn des Films zu hören ist. Dokumentarische Bilder von der Einspielung des Händel-Stückes veranschaulichen den Entstehungsprozess. Zusätzlich erläutert Andersen den musikalischen Gestus der Toneffekte und deren beabsichtige atmosphärische Wirkung.
Die etwa fünfminütige Kurzdokumentation „Produktionsdesign und Filmausstattung“ widmet sich der alten Hütte, die aus Norwegen zum Drehort nach Deutschland transportiert wurde, sowie den Schwierigkeiten, einen geeigneten Standort zu finden, der den visuellen Anforderungen Lars von Triers gerecht wurde. Insgesamt ein wenig informationsreicher Beitrag.
„Der Teufel in ihr“ (etwa acht Minuten) kombiniert Interviewpassagen mit Heidi Laura, welche die Recherche zu historischen Texten über das Böse im Wesen der Frau durchgeführt hat, mit Aussagen Lars von Triers, in denen der Regisseur die Absurdität dieser Theorien sowie ihre inhaltliche Bedeutung in die Gestaltung der filmischen Dramaturgie einordnet. Dadurch wird ein zentraler inhaltlicher Aspekt des Films auf gelungene Weise mit der zugrunde liegenden historischen Quellenlage verknüpft.
Der sechseinhalbminütige Beitrag „Behind the Scenes & Making Of“ ist aufgrund seiner oberflächlichen Art nicht der Rede wert. Natürlich ist es ganz drollig Ausschnitte der Testaufnahmen zu sehen, die in der Phase der Vorproduktion entstanden sind, mehr aber auch nicht.
In der etwa achtminütigen Kurzdokumentation „Die drei Bettler“ wird die Arbeit mit den Wildtieren, die nur ansatzweise dressierbar sind, auf knappe Weise verdeutlicht.
„Die Spezialeffekte & Requisiten“ beschäftigt sich in etwa acht Minuten mit den physischen Effekten. Die verantwortlichen Spezialisten Morton Jacobsen und Thomas Foldberg präsentieren die Silikonprothese für Willem Dafoes Bein, in die der Mühlstein geschraubt wird, den Dummy, der das kleine Kind beim Sturz in den Tod doubelt, und gehen auf den Nachbau des weiblichen Unterleibs ein, der für die Selbstbeschneidung notwendig war. Ein hübscher Beitrag über die technische Umsetzung der entsprechenden Szenen.

Fazit

Lars von Trier scheitert bei der Umsetzung von „Antichrist“ aufgrund der intellektuellen, geradezu klinisch exakten Komposition des Bildaufbaus sowie der Eindeutigkeit jeder Szene. Die Thematik des Films um das Böse, Angst- und Schuldgefühle sowie die Kraft der Natur spiegelt sich in der viel zu distanzierten, die Kraft des Unbewussten ignorierenden Konstruktion kaum noch wieder. Technisch ist die Bluray sehr gut.

Stefan Dabrock

16.06.2010

   
Originaltitel Antichrist (USA 1960)
Länge 104 Minuten (1080i)
Studio MFA+
Regie Lars von Trier
Darsteller Willem Dafoe, Charlotte Gainsbourg, Storm Acheche Sahlstrøm
Format 1:2,35 (16:9)
Ton DTS-HD-Master 5.1 Deutsch, Englisch
Untertitel Deutsch
Extras Audiokommentar mit Lars von Trier (Regie) und Maurice Smith (Filmdozent), Interview mit Charlotte Gainsbourg, Interview mit Willem Dafoe, Behind the scenes & Making Of, Trailer, u.m.
Preis ca. 18 EUR
Bewertung gescheitert, technisch sehr gut