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Die Genre-Therapie

JCVD

JCVD

Jean Claude van Damme legt mit „JCVD“ unter der Regie Mabrouk El Mechris einen erstaunlich selbstreflexiven Genre-Film vor, der sich auf intensive Art und Weise mit der Problematik eines B-Action-Stars auseinandersetzt, dessen Karriere einen drastischen Knick erlitten hat. Der inzwischen in Hongkong lebende Belgier spielt sich selbst. Nachdem van Damme in den USA erfolglos um das Sorgerecht für seine Tochter gekämpft hat, trifft er in Belgien ein. Da seine Kreditkarten gesperrt wurden, hat er nicht einmal das Geld für das Taxi, mit er vom Brüsseler Flughafen in die Stadt gefahren ist. Also sucht er ein Postamt auf, um dort das notwendige Geld zu beschaffen. Kurz nachdem der Actionfilmheld die Post betreten hat, hallen Schüsse durch die Schluchten der davor liegenden Straße. Das Rolltor schließt sich, so dass die Post abgesperrt ist. Die schnell eintreffende Polizei weiß nur, dass sich van Damme in dem Gebäude aufhält und dass es Geiseln gibt. Per Telefon sucht man den Kontakt, um über die festgefahrene Situation zu verhandeln.

Die Grundidee, auf der „JCVD“ aufgebaut ist, hat schlicht brillante Qualitäten. Die Metapher des abgehalfterten B-Action-Film-Stars, der in einer Postbank eingesperrt ist, transportiert auf geschickte Weise die elementaren Themen des Films. Einerseits reflektiert Mabrouk El Mechri dadurch die festgefahrene Situation, in der sich van Damme als Mensch befindet, andererseits präsentiert er eine Genregrundsituation, in welcher der Belgier wieder seine Fähigkeiten beweisen kann. Der Genrefilm selbst, ein Bereich dem van Damme seinen Aufstieg zu verdanken hat, liefert deswegen gleichermaßen eine Analyse der angeknacksten Psyche des Schauspielers sowie einen Ausweg, um neue JCVD Kraft zu schöpfen. Das formale Konzept des Films spiegelt insofern van Dammes Lebensdramaturgie mit Abstieg und neuem Mut in Kurzform wieder, ohne sich in Regionen eines auf der Stelle tretenden Psychodramas zu bewegen. Stattdessen funktioniert das Werk auch als Genrefilm ganz hervorragend. Die Thrillerhandlung über die Geiselnahme in der Bank nutzt das klaustrophobische Szenario für einen versiert inszenierten Spannungsaufbau, indem der Druck innerhalb der Postbank angesichts der Belagerung durch die Polizei sowie diverser strategischer Mätzchen immer größer wird.

Dazwischen schneidet el Mechri auf vorherige Geschehnisse, in denen van Dammes desolate Situation zum Ausdruck kommt. Kurze, wie Nadelstiche wirkende Aufnahmen aus der Gerichtsverhandlung, in der dem Schauspieler seine gewalttätigen Filme vorgehalten werden, oder ein kurzes Telefonat, in dem er erfährt, dass Steven Segal eine für ihn vorgesehene Rolle bekommen hat, weil sich Segal den Pferdeschwanz abschneiden lassen will, verdichten van Dammes Befindlichkeit.

Die Symbiose aus Genre und Drama funktioniert auf der Ebene des Schnittes sowie der schauspielerischen Leistung sehr elegant. Van Damme selbst beweist, dass er zu einem nuancierten, emotionalen Spiel in der Lage ist, so dass man in Zukunft noch mehr von ihm erwarten kann. An einer Stelle übertreibt Mabrouk El Mechri das reflexive Konzept aber gehörig. Wenn van Damme während eines intimen Monologs auf einer Hebebühne über das Szenenbild gehoben wird, so dass die Scheinwerfer sichtbar werden, dann ist da zwar eine der eindrucksvollsten schauspielerischen Leistungen des Belgiers, aber der geniale Pakt zwischen Genre und Drama wird hier zugunsten einer selbstverliebten Idee des Regisseurs aufgekündigt. Statt der bis dahin vorherrschenden eleganten, ineinander fließenden Erzählweise verlässt der Film die Genrehandlung für eine einzelne, nur für sich stehende Nummer. Die wahrhaftige Meisterschaft wäre es gewesen, van Dammes Monolog bruchlos in die Handlung zu integrieren. Die Wirkung wäre nicht kleiner, sondern größer, da im Erzählkino die Macht der emotionalen Lenkung durch die Gesamtdramaturgie stets am effektivsten ist.

Ein weiterer unzureichender Aspekt des Films ist das visuelle Konzept. Alles, wirklich alles wird in dieselbe, grau-bräunliche optische Sauce getaucht, der es an jeglicher Bandbreite mangelt. So lässt sich die Wahl als Spiegelung der Tristesse zwar grundsätzlich nachvollziehen, ohne Variationen landet der Film aber in einer Sackgasse, da er nicht mehr in der Lage ist, das emotionale Geschehen visuell adäquat unterschiedlich zu bebildern. Die Polizei wirkt deswegen genauso desolat, wie van Damme am Ende ist oder die Bevölkerung nur eine breiartige Masse darstellt. Alles ist gleich. Das ist für eine Geschichte mit einem dramatischen Anspruch zu wenig. Ein Remake des Films mit einem differenzierten visuellen Konzept wäre wünschenswert, damit JCVD das Meisterwerk wird, das er hätte werden können.

Bildqualität

Die Bildqualität der Bluray ist gut geraten, da die saubere Vorlage mit guter Schärfe übertragen wurde. Das Szenario wirkt zwar etwas weicher als bei sehr guten Blurays, das ist zu einem großen Teil aber auf den Filtereinsatz beziehungsweise die Bearbeitung des Materials zurückzuführen. So könnte das Bild etwas detailfreudiger sein, als es sich präsentiert. Insofern wird die farblich reduzierte Optik sehr gut wiedergegeben. Der Kontrast leistet solide Arbeit. Die leichte Körnigkeit stört nicht, sonstige Rauschmuster treten nicht auf.

Tonqualität

Die DTS-5.1-HD-Master-Tonspuren liefern in den wenigen actionreichen Szenen eine dynamische, druckvolle Klangkulisse mit großer räumlicher Wirkung. Darüber hinaus ist das Geschehen eher ruhig gehalten, aber auch hier kommen die hinteren Lautsprecher immer wieder mit feinen Effekten zum Einsatz. Die Dialoge sind klar und verständlich, störendes Rauschen gibt es nicht.

Extras

JCVD

Im Audiokommentar äußert sich Regisseur Mabrouk El Mechri über das künstlerische Konzept des Films, wobei er auch viele technisch Informationen einfließen lässt. Der Kommentar gerät erfreulicherweise nicht zur reinen Lobeshymne auf den Film, da el Mechri mit einem kritischen Blick auf das eigene Treiben ausgestattet ist. Daneben enthält die Bluray noch sechs Teaser zum Film.

Das restliches Bonusmaterial befindet sich auf einer Zusatz-DVD. Die Dokumentation „Ein Tag mit JCVD“ (etwa 60 Minuten) zeigt Jean Claude van Damme, der einen Filmjournalisten durch sein Brüssel führt. Während die Beiden Orte aus van Dammes Vergangenheit wie den ehemaligen Blumenladen der Eltern van Dammes besuchen, in dem inzwischen ein Friseur untergebracht ist, plaudern sie über den vorliegenden Film, van Dammes Leben mit seinen Höhen und Tiefen sowie zukünftige Pläne. Herausgekommen ist ein sehr persönliches, informatives Portrait des belgischen Action-Stars, das den Hauptfilm hervorragend ergänzt.

Das Making Of (etwa 30 Minuten) fängt zum einen die Atmosphäre während der Dreharbeiten ein, zum anderen sorgend die Interviewteile mit einigen Darstellern sowie dem Regisseur für einen gelungenen Blick auf die Arbeit an diesem sehr speziellen Film, ein sehr ordentliches bis gutes Making Of.

Die beiden geschnittenen Szenen lassen sich wahlweise mit einem Kommentar des Regisseurs Mabrouk El Mechri abspielen. Die Szenen selbst sind für den fertigen Film nicht von so großer Bedeutung, eine der beiden ist allerdings sehr drollig. Durch den Kommentar des Regisseurs gewinnt das Material an Qualität, da el Mechri die Szenen versiert einordnet.

Der Outtake der Synchronarbeiten ist so amüsant, dass es in der Tat sehr schade gewesen wäre, wenn er nicht auf der Zusatz-DVD enthalten wäre.

Fazit

Das schwache visuelle Konzept sowie die an einer Stelle übertriebene Selbstreflexivität verhindern, dass „JCVD“ sein Potential ausschöpfen kann. Da die immer gleiche grau-bräunliche Sauce, in die alle Bilder getaucht sind, sehr aufdringlich daher kommt, landet der Film aufgrund mangelnder visueller Dramatik letztlich nur im Mittelfeld. Technisch ist die Bluray gut.

Stefan Dabrock

17.08.2009

   
Originaltitel JCVD (Belgien / Luxemburg / Frankreich 2008)
Länge 97 Minuten (24p)
Studio Koch Media
Regie Mabrouk El Mechri
Darsteller Jean Claude van Damme, Zinedine Soualem, Francois Damiens, Karim Belkhadra, Jean-François Wolff, u.a.
Format 1:2,35 (16:9)
Ton DTS-HD-Master 5.1 Deutsch, Französisch
Untertitel Deutsch
Extras Audiokommentar mit Mabrouk El Mechri (Regie), Making Of, Trailer, u.m.
Preis ca. 18 EUR
Bewertung aufgrund des visuellen Konzeptes mittelprächtig, technisch gut