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rezensionen

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03.03. Die weiße Mafia
16.02. Das Mädchen mit den schwarzen Strümpfen
11.02. Im Dutzend zur Hölle
28.01. Die Engel von St. Pauli
21.01. Die Todeskralle des grausamen Wolfes
06.01. Die Mörderklinik
12.12. Paul Temple: Jagd auf Z
27.11. Die drei Supermänner räumen auf
30.10. Die Heuchler
10.10. X 312 … Flug zur Hölle...
03.10. Das Todeslied des Shaolin
15.09. Der Koloss von Konga
26.08. Das Omen des Bösen
11.08. Menschen im Hotel
06.08. Mädchen: Mit Gewalt

kurzrezension

09.11. Return of the Warrior
30.05. Iron Sky - Director's Cut (blu-ray)
21.05. Captain Invincible oder „Wer fürchtet sich vor Amerika?“
22.04. True Justice: Angel of Death – Der Todesengel (blu-ray)

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Die Zukunft ist auch nicht mehr das, was sie mal war

Zur Sache, Schätzchen

Zur Sache, Schätzchen

Im Juni 1962 deuten die Schwabinger Krawalle an, dass durch Deutschland ein Riss zwischen der jüngeren Generation und den etablierten Stützen der Gesellschaft geht. Die Münchener Polizei versucht, ein paar Straßenmusiker in Gewahrsam zu nehmen, die nach 22.30 Uhr noch Musik machen. Die Aktion mündet schließlich in Straßenschlachten zwischen Jugendlichen und Ordnungshütern, bis nach ein paar Tagen der Spuk vorbei ist.
Martin (Werner Enke) hat ein paar Jahre später in „Zur Sache, Schätzchen“ mit körperlicher Gewalt zwar nichts am Hut, aber die normale Ordnung, nach der man handeln soll, ist ihm ebenfalls ein Dorn im Auge. Auch jenseits der Zwanzig sträubt er sich gegen geregelte Verhältnisse und lebt lieber in den Tag hinein. So verkörpert er den jugendlichen Geist entspannter Anarchie, der dem Lebensgefühl jüngerer Menschen um das Jahr 1968 herum entspricht. Statt die Beziehung zu seiner Freundin Anita (Inge Marschall) auf ein klares Fundament zu stellen, treibt er sich mit seinem Kumpel Henry (Henry van Lyck) herum. Der will Martin dazu bringen, wie vereinbart endlich ein paar Schlagertexte für Viktor Block (Helmut Brasch) zu schreiben, damit wieder ein bisschen Geld reinkommt. Aber Martin interessiert sich mehr für die gutbürgerliche Barbara (Uschi Glas), die er im Freibad kennengelernt hat. Während Henry ihren Auftraggeber Block mit einem schnoddrigen Refrain ruhigstellt, den Martin urplötzlich aus dem Ärmel geschüttelt hat, macht der mit Barbara München unsicher.

„Zur Sache, Schätzchen“ folgt keinem politischen Manifest mit klarer ideologischer Ausrichtung. Gesellschaftstheorien sowie unmissverständlich klassifizierende Äußerungen gegenüber Polizei oder anderen Vertretern der Ordnung sucht man vergeblich. Dennoch entwickelt die luftige Komödie über 24 Stunden im Leben zweier Schwabinger Herumtreiber eine subversive Energie, die stets aus den humorvollen Einlagen herausbricht. Martin verweigert sich allen Erwartungen, die an ihn herangetragen werden. Er hat keine Lust, mittags schon aufzustehen, er hat keine Lust, Schlagertexte abzuliefern, er hat keine Lust, die Polizei zu rufen, als er in der Nacht einen Ladeneinbruch beobachtet, er hat keine Lust, der Polizei, vernünftige Angaben zu machen, als ihn sein Kumpel zu einer Aussage wegen des Einbruchs drängt, und er hat keine Lust, sein Leben in eine bürgerliche Existenz mit geregelter Zur Sache, Schätzchen Arbeit und Heirat einzuzwängen. Stattdessen folgt er der anarchischen Spontanität plötzlicher Einfälle, mit denen er auf groteske Weise die gewohnte Ordnung hinterfragt.
Ein albern-auffälliger falscher Bart mit Gummizug, der kurzzeitig als Tarnung vor der Polizei dient, gehört ebenso dazu, wie der Raub einer jungen Ziege aus einem Streichelzoo. Martin verfrachtet das Tier in einen herumstehenden Kinderwagen und rast gemeinsam mit Barbara vor den Verfolgern davon. Als surreales Bild durchbricht die Ziege im Babygefährt die Sehgewohnheiten und wirft Fragen nach der Bedeutung der Gegenstände auf. Martin weist den Dingen neue Funktionen zu, die gegenüber der scheinbaren Normalität leicht verschoben sind. Das sieht zum einen brüllend komisch aus, regt zum anderen aber auch dazu an, nicht alles in ständiger Bequemlichkeit hinzunehmen.

Jenseits der perfekten Spiegelung des Lebensgefühls kurz vor den Studentenunruhen, liegt hier die zeitlose Qualität des Films. Im Gegensatz zu steifen Ideologiemanifesten hat „Zur Sache, Schätzchen“ keinen Staub angesetzt. Selbst die Sprüche Martins („Es wird böse enden!“, „Kerzen aus! Hier wird nicht gezündelt.“) gehen noch als lakonische Verweigerungspoesie durch, auch wenn sich der Begriff des „Fummelns“ wohl eher überholt hat. Die Angst vor der Normalität, die auch immer eine Angst davor ist, einzurosten, also davor, dass alles vorbei ist, obwohl man noch lebt, durchweht die Komödie. Denn Martins schlaffe Art, viele Dinge nicht zu tun, darf nicht mit völliger Antriebslosigkeit verwechselt werden. Im Angesicht des Schabernacks durchfegt ihn eine bemerkenswerte Energie, mit der er auch die gutbürgerliche Barbara mitreißt. Sie sieht in Martin eine Chance, wenigstens mal für eine gewisse Zeit aus der steifen Atmosphäre auszubrechen, die bei ihr zu Hause im väterlichen Geigenspiel nach dem Abendessen kulminiert. Dieser Ausbruch aus dem Trott ist dank „Zur Sache, Schätzchen“ jedem möglich.

Bildqualität

Zur Sache, Schätzchen

Anlässlich der Heimkinoveröffentlichung wurde „Zur Sache, Schätzchen“ aufwendig restauriert, und die Arbeit hat sich gelohnt. Die Schwarz-Weiß-Optik erstrahlt ohne analoge Störungen im perfekten Glanz. Vereinzelte Szenen wirken etwas matschig, während der überwiegende Teil des Films überraschend scharf aussieht. Das Material macht einfach einen frischen Eindruck, der sich bei der präzisen Graustufenwiedergabe der Vorlage fortsetzt.

Das ursprüngliche Normalformat (1:1,33) des Films wurde für die Veröffentlichung verändert, sodass Bluray und DVD die Komödie im Format 1:1,78 enthalten. Dieser Umstand hat Thomas Groh veranlasst, in seinem Blog zu bemerken, „Zur Sache, Schätzchen“ sei kaputt restauriert worden. Auf meine Anfrage teilte Konrad Hirsch, der Geschäftsführer von Schamoni-Film, zur Fragestellung folgendes mit:


Lieber Herr Dabrock,

der Film wurde im Normalformat 1:1,33 gedreht und lief so im Kino.
Die restaurierte Fassung (4 K Scan) ist natürlich 1:1,33. So wird die digitale Restaurierung auch im Bundesarchiv Filmarchiv eingelagert. Außerdem steht ein DCP im Originalformat für Kinoaufführungen zur Verfügung.

Bei der Restaurierung haben May Spils, Werner Enke und ich im Studio eine 16:9-Fassung erarbeitet. Das heißt, wir haben jede Szene einzeln hoch bzw. runter geschoben, damit keine Bildinhalte abgeschnitten werden.
Diese 16:9-Fassung ist auf ausdrücklichen Wunsch von Werner Enke entstanden.

Ich wollte die DVD im Originalformat haben. Dann entschlossen wir uns, eine Doppel-DVD auf den Markt zu bringen – 1 Scheibe 4:3 und eine 2. Scheibe 16:9.
Werner Enke hat das gestoppt. Er hat sich mit der Materie sehr intensiv auseinandergesetzt und die 4:3-Version nicht freigegeben.
Grund dafür ist, dass er nicht möchte, dass versehentlich beim Anschauen der 4:3-Version durch eine falsche Einstellung des Fernsehers wichtige Bildelemente abgeschnitten werden.
Es geht hauptsächlich um die Schlussszene, wo die Pistole auf dem Bett liegt. Enke hat eine Test-DVD 4:3 mit verschiedenen Playern und Monitoren getestet und festgestellt, dass bei fehlerhafter Einstellung des Formats die Pistole fehlen könnte.

Die Entscheidung wurde wochenlang diskutiert. Nach der Erarbeitung der 16:9-Version fanden wir diese alle so gelungen, dass dies nun das neue „Schätzchen“ ist, an dem man auf den neuen TV-Geräten Freude haben wird.

Bei Fragen rufen Sie mich gern an!

Herzliche Grüße

Konrad Hirsch


Einen im Tenor sehr ähnlichen Kommentar hat Herr Hirsch dann auch in Thomas Grohs Blog veröffentlicht.
Mir selbst wäre eine Veröffentlichung mit beiden Fassungen in einer Edition am liebsten gewesen, aber die vorliegende Version wurde auf jeden Fall sehr akkurat erstellt. Zurück bleibt ein Zwiespalt.
Interessant an Thomas Grohs Argumentation ist, dass er eine Frage aufwirft, die er in seinen eigenen Anmerkungen zwar nicht konkret ausspricht, die aber vorhanden ist, wenn er schreibt:

Auch Werner Enke steht am Ende nicht über der Filmgeschichte. Und: "Wichtig is aufm Platz" und das heißt hier: "Wichtig is auf Scheibe" - und da liegt nunmal eine bewusst inakkurate Version vor, da beißt die Maus keinen Faden ab.

Daraus ergibt sich nämlich die Frage, ob es ein allgemeines Recht auf die Unveränderbarkeit eines Films gibt, nachdem das Werk der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Groh bemüht den abstrakten Begriff der Filmgeschichte, die er zu einem Wert an sich erhebt, und spricht auch denjenigen das „moralische“ Recht ab, Änderungen vorzunehmen, die den Film als Autoren künstlerisch zu verantworten haben. Das ist eine sehr spannende, ideologisch-fundamentalistische Position, die einen guten Diskussionsstoff abgibt.

Tonqualität

Der Ton liegt in einer DTS-HD-Master-2.0- sowie in einer DTS-HD-Master-1.0-Abmischung vor. So müssen auch die Freunde des ursprünglichen Monoformats nicht auf ihre Version verzichten. Beide Fassungen klingen klar und relativ voluminös, sodass man das Alter des Films kaum merkt. Auch die beschwingte Musik kommt gut zur Geltung.

Extras

Veredelt wird die hervorragende Präsentation durch die beiden jeweils etwa 10-minütigen Kurzfilme „Das Porträt“ und „Manöver“, die May Spils vor „Zur Sache, Schätzchen gedreht hatte. Im „Porträt“ geht es um eine junge Künstlerin, die am Versuch scheitert, sich selbst zu malen und stattdessen zu einer anderen Lösung greift, „Manöver“ ist die satirische Aufbereitung eines Montagmorgens, an dem ein Pärchen das pünktliche Aufstehen übt. Letzterer sieht auch so aus, als wäre er restauriert worden.
In dem gut vierminütigen Clip „Werner Enke 2012 über Geburtstage“ äußert sich der Hauptdarsteller aus „Zur Sache, Schätzchen“ auf unnachahmlich süffisante Weise über die menschliche Eigenschaft, runde Geburtstage in den Vordergrund zu stellen, und das drohende Ende sowie die Leichtigkeit des Lebensbeginns.
Das 12-seitige Booklet enthält einen lesenswerten Text von May Spils über die Entstehungsgeschichte ihrer ersten Filme und einen Beitrag des Altbundeskanzlers Gerhard Schröder, der „Zur Sache, Schätzchen“ in seine eigene Vita einordnet.

Fazit

„Zur Sache, Schätzchen“ ist nicht nur ein hervorragendes Zeitdokument, das die misstrauische Haltung am Vorabend der 1968er-Bewegung gegenüber der Gesellschaft in anarchischen Humor übersetzt, die luftige Komödie regt auch dazu an, die gewohnten Dinge immer wieder neu zu hinterfragen. Technisch ist die Bluray sehr gut, wenn man die komplexe Formatfrage zunächst ausklammert.

Stefan Dabrock

04.08.2013

   
Originaltitel Zur Sache, Schätzchen (BRD 1968)
Länge 82 Minuten (24p)
Studio Ascot Elite
Regie May Spils
Darsteller Werner Enke, Uschi Glas, Henry van Lyck, Rainer Basedow, Inge Marschall, Helmut Brasch, Joachim Schneider, Fritz Schuster, Johannes Buzalski, Horst Pasderski, Edith Volkmann, Martin Lüttge, u.a.
Format 1:1,78 (16:9)
Ton DTS-HD-Master 2.0 Deutsch, DTS-HD-Master Mono Deutsch
Untertitel -
Extras Zwei Kurzfilme von May Spils: „Das Porträt“ und „Manöver“, Werner Enke über Geburtstage, Trailer 12-seitiges Booklet
Preis ca. 15 EUR
Bewertung sehr gut, technisch sehr gut (Formatfrage ausgeklammert)