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rezensionen

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kurzrezension

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blu-ray

Blutgericht in Texas

Texas Chainsaw Massacre

Für eine herausragende Bluray-Edition (sehr gute Bildqualität und überzeugendes Bonusmaterial) wird dieser Bluray der Gipfel verliehen.

 

Ultimate Collector's Edition (Bluray+DVD)

Texas Chainsaw Massacre

Nach jahrelangen Bemühungen ist es dem Münsteraner Label Turbine Medien gelungen, nicht nur die bundesweite Beschlagnahmung von „Texas Chainsaw Massacre“ erfolgreich anzufechten, der Film wurde anschließend auch aus der Liste der jugendgefährdenden Medien gestrichen und steht somit nicht mehr auf dem Index. Was für Sammler verbotener beziehungsweise indizierter Titel möglicherweise ein Schock ist, weil sie den Film nun aus ihren entsprechend eingerichteten Regalen entfernen müssen, erweist sich indes als Glücksfall für den deutschen Heimkinomarkt. Denn nun ist eines der faszinierendsten Werke des 1970er-Terrorkinos auch hierzulande wieder erhältlich. Daneben erlaubt die Geschichte aus Indizierung und Beschlagnahme sowie der Verlauf der Aufhebung dieser Restriktionen einen Blick auf den kulturellen Wandel in der deutschen Gesellschaft.
Tobe Hooper schickte Mitte der 1970er Jahre die Jugendlichen Sally (Marilyn Burns), Jerry (Allen Danziger), Franklin (Paul A. Partain), Kirk (William Vail) und Pam (Teri McMinn) in einem Kleinbus in die amerikanische Provinz. Die Gruppe befindet sich auf einer Reise durch den Hinterhof der Vereinigten Staaten, der durch zunehmenden Verfall gekennzeichnet ist. Sie machen auf der Suche nach Kindheitserinnerungen einen Abstecher zu einem verlassenen Haus und genießen die Idylle des Sommertags. Darüber hinaus müssen sie auf Benzin warten, das der örtlichen Tankstelle ausgegangen ist. Einzig Franklin zeigt sich vom Aufeinandertreffen mit einem derangierten Anhalter beeindruckt, der ihn mit einem Rasiermesser verletzt hat, bevor er aus dem Kleinbus geworfen wurde. Der Rest der Gruppe ist guter Dinge, bis einer von ihnen den Fehler macht und in ein einsames, aber bewohntes Haus geht, um nach Benzin zu fragen. Jetzt nimmt das Grauen seinen Lauf.

Über „Texas Chainsaw Massacre“ sind unzählige Analysen geschrieben worden, die das Geschehen sehr treffend vor dem Hintergrund einer zunehmenden Unsicherheit in der amerikanischen Gesellschaft nach dem Vietnamkrieg gedeutet haben. Die Jugendlichen geraten in eine für sie unbeherrschbare Situation, in der es nur noch um das nackte Überleben geht. Darüber hinaus gibt es eine Kapitalismuskomponente, die das Wirtschaftssystem auf grausame Weise ad absurdum führt. Die vom ökonomischen Niedergang gebeutelte Familie um Texas Chainsaw Massacre „Leatherface“ nutzt das, was ihnen noch bleibt, um wirtschaften zu können. Ihre Profession des Schlachtens, die sie im örtlichen Schlachthaus ausgeführt haben, dient ihnen nun dazu, um die von außen eintreffenden Menschen in ihrem Sinne zu „verarbeiten“. Aus beruflichem Können ist eine Perversion geworden. Die Jugendlichen sind für die degenerierten Schlächter nur ein Rohstoff, der einer Verwendung zugeführt werden muss.

Hooper schildert die grausame Perversion ohne nennenswerte Verwendung von Splattereffekten als barbarischen Akt, dem keine Anziehungskraft zukommt. Dabei sorgt gerade das Fehlen von besonders blutigen Bildern für eine schockierende Wirkung. Es ist nicht möglich, beim Zuschauen über die Fragestellung der technischen Umsetzung entsprechender Effekte eine distanzierende Wirkung zu erzielen. Gerade weil nur relativ wenig zu sehen ist, verfügt der Film über eine teilweise authentische Atmosphäre des Schreckens. Der eingeschränkte Blick, den man als Zuschauer aufgrund der gewählten Kameraperspektiven natürlicherweise hat und der deswegen glaubhaft ist, lässt keinen Blick auf schwache oder eindeutig dem Bereich der Phantastik entspringende explizite Gewalt zu. Die Grausamkeit wird vielmehr im Kopf des Zuschauers zu einem vollständigen Bild zusammengesetzt, das aufgrund der eigenen Gehirnleistung keinen Realitätsverlust hinnehmen muss.

Das funktioniert jedoch nicht mehr, wenn einerseits ein ständiger Reflexionsprozess beim Zuschauen eine immerwährende Distanz erzeugt und andererseits, wenn der Zuschauer eine andere Erwartungshaltung hat. Wer bei Hoopers Film auf heutzutage übliche Gewaltdarstellungen spekuliert, wird schnell das Interesse an der Erzählung verlieren und allein deswegen eine Distanz zu ihr aufbauen, weil mit wachsender Ungeduld das Fehlen entsprechender Szenen als Manko deutlich auffällt. Das Geschehen erscheint dann nicht mehr authentisch, sondern bekommt den Stempel des Mangelhaften. Schrecken kann es vor diesem Hintergrund kaum verbreiten.

Bildqualität

Texas Chainsaw Massacre

Die Ultimate Collector's Edition enthält den Film auf Bluray und DVD, wobei jeweils auf das gleiche Master zurückgegriffen wurde. Für die Veröffentlichung stand eine neue Abtastung vom Originalkameranegativ zur Verfügung, so dass der Film in der bestmöglichen Qualität auf Bluray und DVD gebracht werden konnte.

Da der Film in den 1970ern auf 16mm gedreht wurde, gibt das Material nicht die gleiche Optik her wie eine 35mm-Produktionen. Die Körnigkeit des 16mm-Materials ist stets sichtbar, wobei ein Unterschied zwischen DVD und Bluray erkennbar ist. Während die Bluray eine natürlich-raue Atmosphäre vermittelt, kommt bei der DVD ein erhöhtes Maß an Körnigkeit zum Tragen, das Schärfe und Detailfreude etwas mindert. Insofern lohnt sich selbst bei einem derart alten 16mm-Film die Bluray-Produktion.

Die Schärfe fällt bei der Bluray gut aus, wobei die Konturen dem Charakter des alten Materials entsprechend wiedergegeben werden. Nur sehr wenige Szenen wirken etwas weich. Der Detailgrad ist eingeschränkt, weil das 16mm-Material nicht mehr hergibt.

Die DVD ist etwas schwächer, liefert angesichts des Ausgangsmaterials aber immer noch das Optimum in diesem Medium. Die Farben werden sehr gut wiedergegeben, der ausgewogene Kontrast leistet sich keine Schwächen. Bei tiefem Schwarzwert verfügen selbst dunkle Szenen noch über ein ansprechendes Maß an Details.

Glücklicherweise hat Turbine auf den Einsatz von Rauschfiltern verzichtet, so dass der Film auf Bluray und DVD in seiner Ursprünglichkeit erstrahlt. Dezente Verschmutzungen stören nicht. Dank einer ausgezeichneten Würdigung des Original-Negativ-Materials liegt der Film nun in der bestmöglichen Bildqualität vor.

Tonqualität

Der Ton des Films liegt in deutscher Sprache im DTS-HD-Master-5.1-Format sowie als DD 2.0 Mono Ton vor. Die Originalfassung ist ebenfalls als DTS-HD-Master-5.1-Ton sowie im DD 2.0 Stereo- und DD 2.0 Mono-Format enthalten. Bei der DVD liegen die Surround-Spuren natürlich im DD5.1-Format vor. Außerdem enthält die DVD keinen englischen Mono-Ton.

Für die deutschen Fassungen mussten teilweise Nachsynchronisationen angefertigt werden, da Teile des Films bislang nicht auf Deutsch vorlagen.

Die räumliche Abmischung der 5.1-Tonspuren wurde dezent, aber effektiv gestaltet. So kommt vor allem in der Szene, in der ein Huhn in einem Käfig zusehen ist, und bei der Verfolgungsjagd von Leatherface mit der Kettensäge die räumliche Wirkung zum Tragen. Das bedrohliche klingende Gackern des Tieres und die grimmig surrende Säge nutzt auch die hinteren Lautsprecher, um so die Atmosphäre der Angst zu steigern. Ansonsten erklingen dezente Umgebungsgeräusche sowie die Musik und die diversen Soundeffekte aus den hinteren Lautsprechern, ohne dass sie aggressiv in den Vordergrund gemischt wurden und so das Tonkonzept des Film vollends auf den Kopf stellen würden. Da die Dialoge klar und verständlich wiedergegeben werden, sind die 5.1-Tonspuren hervorragend gelungen.

Wer lieber die ursprünglichen Klangkonzeption hören will kann lobenswerter Weise auf die ebenfalls guten 2.0-Mono-Versionen beziehungsweise bei der Originalfassung auch auf die 2.0-Stereo-Fassung zurückgreifen. Die Dynamik fällt bei diesen Spuren gegenüber den 5.1-Pendants natürlich ab, aber sie weisen ebenfalls keine nennenswerten Verzerrungen auf und geben die Dialoge klar und verständlich wieder. Leichtes Rauschen stört nicht.
Insgesamt liefert auch die Umsetzung des Tons eine bestmögliche Qualität.

Extras

Auf der Bluray beziehungsweise der DVD des Hauptfilms befinden sich jeweils zwei Audiokommentare. Das übrige Bonusmaterial wurde auf zwei DVDs untergebracht. Deutsche Untertitel sind beim gesamten Material vorhanden

Der Audiokommentar mit Tobe Hooper (Regie), Daniel Pearl (Kamera) und Gunnar Hansen (Darsteller) wirft einen Blick auf die inszenatorische Gestaltung des Films, lässt die Limitierung der Mittel Revue passieren, geht auf die Stimmung beim Dreh ein, wartet mit Anekdoten auf und kommentiert natürlich auch die speziellen Umstände der berühmten Dinner-Szene. Dabei kommt es nicht zur reinen Dopplung mit den Dokumentation, so dass sie die Ansicht des Kommentars lohnt.

Der Audiokommentar mit Marilyn Burns, Paul A. Partain, Allen Danziger (alle Darsteller), Robert A. Burns (Bauten, Dekoration und Szenenbild) wird moderiert von David Gregory, der die ebenfalls im Bonusmaterial enthaltene Dokumentation „The Shocking Truth“ gedreht hat. In launiger Runde gehen die Darsteller auf viele Details des Drehs ein, die in direktem Zusammenhang mit den parallel zu sehenden Bildern stehen. Einzelne Requisiten spielen ebenfalls eine Rolle wie die Atmosphäre am Set. Robert A. Burns äußert sich zur Ausstattung des Films. Da der Kommentar sehr nah an den Filmbildern bleibt, vermittelt er Informationen, die selbst in den Dokumentationen nicht enthalten sind. Ein lohnenswerter Kommentar.

Die etwa 70-minütigen Dokumentationen „The Shocking Truth“ und „Flesh Wounds – Fleischwunden“ sowie der gut 60-minütige Beitrag „A Family Portrait“ haben den gleichen Ansatz, Hintergründe über die Produktionsumstände, die Entstehung des Films, den Dreh sowie Fragen der Ausstattung zu beleuchten und Anekdoten zu präsentieren. Trotz der gleichen Konzeption kommt es nur zu überschaubaren Wiederholungen. So gehen die beteiligten Darsteller und die sonstigen Stabmitglieder jeweils auf die berühmte Dinnerszene ein, deren Dreh bei extrem heißen Temperaturen etwa 26 Stunden gedauert hat. Die anschaulichen Schilderungen lassen die absurden Zustände am Set lebendig werden. Darüber hinaus beantworten die Dokumentation auch noch die meisten anderen Fragen, die man als Zuschauer haben kann.
Zu „The Shocking Truth“ existiert sogar noch eine knapp achtminütige Outtake-Rolle mit zusätzlichen, interessanten Interviewausschnitten der einzelnen Stabmitglieder, die sich inhaltlich aber nicht so gut in die Montage der fertigen Dokumentation integrieren ließen.

Hinter „Off the Hook“ verbirgt sich ein knapp 17-minütiges Interview mit Darstellerin Teri McMinn, die auf den Dreh sowie ihre damalige persönliche Sicht des Films zurückblickt. Darin geht es auch ausführlich um die berühmte Hakenszene. Ein gutes Interview.

In etwa acht Minuten führt Leatherface-Darsteller Gunnar Hansen durch das Original Texas Chainsaw Massacre Haus, das eine Zeit nach dem Dreh abgebaut und einige Kilometer entfernt wieder aufgebaut wurde. Hansen schildert zu jedem der Räume, was darin gedreht wurde. Das ist auch nötig, da das Haus in renoviertem Zustand völlig anders wirkt.

Neben Trailern, TV- und Radio-Spots sowie einer Bildergalerie zu „Texas Chainsaw Massacre“ enthält die Veröffentlichung auch etwa 25 Minuten „Entfernte Szenen“ und etwa zwei Minuten Outtakes. Während letztere Missgeschicke beim Dreh zeigen, bestehen die „Entfernten Szenen“ sowohl aus tatsächlich neuen Handlungselementen, die dem Endschnitt des Films zum Opfer gefallen sind, und alternativen Takes zu bestehenden Szenen. Für das Material ist teilweise kein Ton vorhanden.

Für die vorliegende Edition des Films hat Turbine Medien eine kleine Diskussionsrunde durchgeführt, an der Jörg Buttgereit (Regisseur), Roland Seim (Kunsthistoriker und Publizist), Stefan Höltgen (Medienwissenschaftler und Publizist) und Christian Bartsch (Turbine Medien) beteiligt waren. In 2 Stunden und 9 Minuten sprechen die vier über die deutsche Zensurthematik, gehen auf Fragen zur Wirkung von Horrorfilmen sowie die Motivation ein, entsprechende Werke anzuschauen und gehen explizit auf die schwierige Geschichte ein, die „Texas Chainsaw Massacre“ als lange Zeit beschlagnahmter Film in Deutschland hinter sich hat. Kompetente Aussagen zu den einzelnen Themenbereiche sorgen für eine intelligente Reflexion der unterschiedlichen Aspekte, die sich simplen Antworten in die eine oder auch andere Richtung verweigert. Eine hervorragende und unterhaltsame Diskussion, die das Bonusmaterial zur Edition würdig abrundet.

Das „5 Minuten Massaker“ ist ein gut fünfminütiger Zusammenschnitt der gewalttätigen Szenen des Original sowie des Remakes aus dem Jahr 2003. Die Gegenüberstellung soll die Absurdität der damals noch wirksamen Beschlagnahmung des Originals angesichts der deutlich expliziteren Szenen des Remakes verdeutlichen. Das gelingt aber nur teilweise, weil die Wirkung einer Filmszene immer auch kontextabhängig ist, so dass die isolierte Präsentation nur eingeschränkt Aussagekraft besitzt.

Das 64-seitige Booklet enthält nicht nur einen detaillierten Text über Indizierung und Beschlagnahme von „Texas Chainsaw Massacre“, es stellt auch die FSK sowie die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien kurz dar und fasst Dokumente sowie Akten zum Fall „Texas Chainsaw Massacre“ zusammen. So wurden unter anderem Indizierungs- und Beschlagenahmebeschlüsse nachgedruckt.

Fazit

„Texas Chainsaw Massacre“ ist zurecht ein Klassiker des Terrorkinos, dessen Inszenierung immer noch eine erschreckende Wirkung entfalten kann, wenn man nicht ein hohes Maß an Bluteffekten erwartet. Technisch ist die vorliegende Edition herausragend.

Stefan Dabrock

02.04.2012

   
Originaltitel Texas Chainsaw Massacre (USA 1974)
Länge 84 Minuten (24p)
Studio Turbine Medien
Regie Tobe Hooper
Darsteller Marilyn Burns, Allen Danziger, Paul A. Partain, William Vail, Teri McMinn, Edwin Neal, Jim Siedow, Gunnar Hansen, John Dugan, u.a.
Format 1:1,78 (16:9)
Ton DTS-HD-Master 5.1 Deutsch, Englisch, DD 2.0 Englisch, DD 2.0 Mono Deutsch, Englisch
Untertitel Deutsch, Deutsch für Hörgeschädigte, Englisch
Extras Audiokommentar mit Tobe Hooper (Regie), Daniel Pearl (Kamera) und Gunnar Hansen (Darsteller), Audiokommentar mit Marilyn Burns, Paul A. Partain, Allen Danziger (alle Darsteller) und Robert A. Burns (Ausstattung und Bauten), Dokumentation „The Shocking Truth“, Diskussion über Filmzensur und die Bedeutung des Horrorgenres mit Stefan Höltgen (Medienwissenschaftler und Publizist), Roland Seim (Kunsthistoriker und Publizist), Jörg Buttgereit (Regisseur) und Christian Bartsch (Turbine Medien), Trailer, 64-seitiges Buch über den Fall „Texas Chainsaw Massacre“ mit Texten, Gutachten und behördlichen sowie gerichtlichen Beschlüssen zur Indizierung beziehungsweise Beschlagnahme des Films, u.m.
Preis ca. 24 EUR
Bewertung sehr gut, technisch herausragend