30.03. | Paul Temple und der Fall Marquis |
03.03. | Die weiße Mafia |
16.02. | Das Mädchen mit den schwarzen Strümpfen |
11.02. | Im Dutzend zur Hölle |
28.01. | Die Engel von St. Pauli |
21.01. | Die Todeskralle des grausamen Wolfes |
06.01. | Die Mörderklinik |
12.12. | Paul Temple: Jagd auf Z |
27.11. | Die drei Supermänner räumen auf |
30.10. | Die Heuchler |
10.10. | X 312 … Flug zur Hölle... |
03.10. | Das Todeslied des Shaolin |
15.09. | Der Koloss von Konga |
26.08. | Das Omen des Bösen |
11.08. | Menschen im Hotel |
06.08. | Mädchen: Mit Gewalt |
kurzrezension
09.11. | Return of the Warrior |
30.05. | Iron Sky - Director's Cut (blu-ray) |
21.05. | Captain Invincible oder „Wer fürchtet sich vor Amerika?“ |
22.04. | True Justice: Angel of Death – Der Todesengel (blu-ray) |
Noch bevor „Gandu – Wichser“ das heimische Abspielgerät erreicht, eilen ihm mit großer Wahrscheinlichkeit bereits einige der Etiketten voraus, die dem Film aufgeklebt wurden. Zwei davon befinden sich unter anderem auch auf dem Bluray-Schuber. „ANTI-Bollywood par exellence“ (Les Inrocks) ist da zu lesen, als wenn das schon ein Wert an sich wäre. Der bloße Verweis auf das, was „Gandu – Wichser“ nicht ist, sagt aber nichts über seine eigene Qualität aus. Die Grenzen sinnvollen Zitierens sind erreicht.
„Eine großartige Entdeckung … ein wunderbar dreckiger Film“ (F.LM), steht unweit davon. Angesichts der zwischendurch auch wunderbar ästhetisch-glatten Bilder des Films, die den bescheidenen Verhältnissen des indischen Handlungsortes jegliche soziale Brisanz rauben, bleibt unklar, was hier gemeint ist. Aber auch dieses Zitat, das logischerweise nur die Verkürzung eines längeren Textes ist, wurde auf schwache Weise mit dem Ziel ausgewählt, ein Etikett zu produzieren.
„Gandu – Wichser“ selbst, und das kann man ihm Zugute halten, verweigert sich auf der einen Seite aber einer derart simplen Einordnung, weil er einfach sein Ding macht. Natürlich kann man ihn als Gegenentwurf zum ästhetischen und moralischen Kanon des Bollywoodkinos verstehen, aber er ist, wie noch zu erwähnen sein wird, in seiner Erzählweise so eigenständig, dass er sich nicht auf die Oppositionsrolle reduzieren lässt. Auf der andere Seite macht der Film auch nicht den Eindruck, auf Teufel komm raus dreckig sein zu wollen. Dafür herrscht viel zu viel gewöhnliche Tristesse vor, die sich nur mit langweiligem, ziellosen Alltagsleben
beschreiben lässt. Besonders dreckig wirkt das nicht. Es sei denn, man empfindet jegliche sexuelle Handlung als dreckig, auch wenn sie nicht romantisch verklärt daherkommt.
Die Hauptfigur des Films ist Gandu (Anubrata Basu), was je nach Auffassung mit Wichser oder auch Arschloch übersetzt werden kann, wenn man den Aussagen innerhalb des Films glaubt. Gandus Leidenschaft besteht aus dem Rappen seiner wütenden Songs, die Ausdruck seiner persönlichen Frustration sind. Er arbeitet nicht, sondern stiehlt aus dem Portemonnaie des Mannes (Shilajit), mit dem seine Mutter (Kamalika) ins Bett geht, das notwenige Geld zum Leben. Eines Tages gerät Gandu bei einer kleinen Auseinandersetzung mit dem Riksha-Fahrer Riksha (Joyraj Bhattacharya), einem Bruce Lee Fan, aneinander, freundet sich aber schließlich mit ihm an. Das öffnet ihm eine Welt der Drogen.
Das Handlungsgerüst darf einen aber nicht im Glauben lassen, „Gandu – Wichser“ würde großen Wert auf eine klassische Dramaturgie mit Einführung, Spannungsbogen und Schluss legen. Stattdessen, und da ist er der Vorliebe seiner Protagonisten zum Rap nahe, erzählt Regisseur Q mit fragmentarischen Motiven. Es gibt einen recht eingeschränkten Kanon an Szenerien, die er mit leichten Variationen wiederholt. Mehrfach sieht man Gandu beim Geld stehlen. Mehrfach sieht man Riksha beim Nachspielen einiger Bruce Lee-Posen. Mehrfach sieht man Gandu im Internetcafe, wobei er hauptsächlich den sexuell aufgeladenen Telefonaten seiner Terminalnachbarin lauscht. Und natürlich sieht man Gandu immer wieder beim Rappen. Ein paar Drogenszenen runden das Gemisch ebenso wie eine längere Sexszene ab. Auch wenn Q diesen Stil des Erzählens nicht erfunden hat, kann man ihm doch einen eigenständigen Zugang zu seinen Figuren und ihrem Schicksal attestieren, weil der Inhalt der fragmentarischen Motive sowie ihre Montage keine simple Kopie anderer Werke ist. Insofern entwirft der Film ein eigenes Universum mit den Facetten eines perspektivlosen Alltags, aus dem heraus sich Frustration und Aggression entwickeln.
Das liefert sowohl das Potential für finsteren Sozialrealismus mit ruhigen Bildern wie auch für einen radikalen Film aus mitreißender Montage. Q hat nichts dergleichen inszeniert. Die einzelnen Szenen seiner Geschichte sind so narrativ, dass sie wie Teile aus einem Sozialdrama wirken, es fehlt aber an einem Informationsgerüst, um einem komplexen Geflecht wie einer sozialen Situation gerecht zu werden. Mit ruhiger Kamera zeigt Q beispielsweise wie Gandu in das Zimmer seiner Mutter schleicht, während sie mit ihrem Liebhaber im Bett ist. Gandu stiehlt Geld aus dessen Portemonnaie, ohne dass jemand etwas davon bemerkt. Nichts an dieser Szene wirkt stilistisch radikal. Die Schwarzweiß-Optik bleibt schlicht, ohne dass Kontraste oder Ausleuchtung etwas anderes als ein mit reduzierten Grautönen arbeitendes Bild erzeugen. Das erzeugt eine triste Atmosphäre, die zur bedauerlichen Natur des Geschehens passt. Gandu ist schon arm dran, wenn er sich so Geld beschaffen muss. Besonders dreckig wirkt es aber auch nicht, dafür ist das Schwarzweiß noch zu glatt geraten. Q macht hier einen auf Sozialportrait, liefert aber nichts zu den Umständen, in denen Gandu mit seiner Mutter lebt. Es bleibt ein Fragment ohne gesellschaftlich Einordnung. Als Informationsschnipsel aber besitzt das schlichte, ohne stilistische Besonderheiten arbeitende Bild keine Kraft.
Das gilt auch für die übrigen sich wiederholenden Szenen, wobei die Rapeinlagen eines Ausnahme bilden. Sie strahlen allein schon über die Musik eine packende Dynamik aus und warten auch mit einem sehr schön gestalteten, ästhetisch-göänzenden Schwarzweiß auf. Eine energiegeladene Montage könnte dem Film die fehlende Kraft einhauchen, aber dafür sind die erzählerischen Szenen zu lang und zu schlicht geraten. „Gandu – Wichser“ ist einfach nicht radikal genug, um auf diesem Gebiet etwas leisten zu können.
Wut, Kraft, Energie, Tempo oder irgendetwas anderes, was anstelle einer mitreißenden Erzählung in die Bresche springen könnte ist nicht vorhanden. Eine Szene mit echtem Sex kann zwar mit Sicherheit immer noch zu Provokationen führen, aber das macht ebenso wenig einen auch emotional packenden Film aus wie ein paar schnelle Schnittfolgen im Drogenrausch. Die Montage als Reflexion emotionaler Zustände, die sich mit Hilfe einer Überwältigungsstrategie direkt auf den Zuschauer stürzt, fehlt in „Gandu – Wichser“. Ihm fehlt jenseits seiner Position für das indische Kino Bedeutung.
Bildqualität
Die Bluray überzeugt mit einem sehr guten Bild, dessen Schärfe sich keine nennenswerte Blöße gibt. Je nach stilistischem Willen des Regisseurs und Kameramanns Q sieht das Bild knackscharf mit hohem Detailgrad aus, dann wieder wirkt es dezent weich mit etwas reduzierter Detailfreude. Der Kontrast sorgt für eine sehr gute Wiedergabe der Graustufen.
Tonqualität
Der DTS-HD-Master-2.0-Ton verfügt über klare Dialoge, die sauber mit der restlichen Geräuschkulisse abgemischt wurde. An keiner Stelle wird die Sprache übertönt. Die Musik kommt mit kraftvoller Dynamik gut zur Geltung.
Extras
Der gut 30-minütige Beitrag „Behind the Scenes“ besteht aus der üblichen Mischuang aus B-Roll-Material, Interviews am Set und Filmausschnitten, die zwar peppig zusammengeschnitten wurden, aber keine nennenswerten Informationen bereit halten. Daneben enthält der Beitrag auch Bilder einiger Auftritte des Regisseurs bei verschiedenen Festivals. Dort äußert sich Q über einige Produktionsumstände, geht auf die Entstehung des Films ein und hat ein paar Anekdoten parat. Diese kurzen Segmente liefern die wenigen interessanten Informationen.
Die beiden Kurzdokumentationen „Berlin Episode 1 und 2“ mit einer Lauflänge von knapp sieben und knapp neun Minuten bestehen aus einem clipartigen Zusammenschnitt des Filmteamaufenthalts bei der Berlinale 2011.
Der gut 10-minütige Beitrag „Where the Fuck RV?“ dokumentiert die Osteuropa-Tour der Gandu-Band.
Daneben sind noch ein Musikvideo und zwei Promo-Clips zur Gandu-Musik-Tour sowie der Filmtrailer auf der Bluray enthalten.
Das 16-seitige Booklet enthält neben einem Grußwort des Regisseurs Q zwei lesenswerte Texte, die sich mit stilistischen und inhaltlichen Aspekten des Films auseinandersetzen.
Einer limitierten Auflage der Bluray liegt noch der energiegeladen, ausgesprochen hörenswerte Soundtrack des Films bei. Q wäre vermutlich ein sehr fähiger Videoclip-Regisseur.
Fazit
„Gandu – Wichser“ setzt sich zwischen alle Stühle, weil er weder als konsequentes Sozialdrama durchgeht, noch radikal genug ist, um die Energie eines filmisch kraftvollen Stils aus Montage, Musik und visueller Qualität zu beschwören. Technisch ist die Bluray gut.
Stefan Dabrock
27.03.2012
Originaltitel | Gandu (Indien 2010) |
Länge | 85 Minuten (24p) |
Studio | Bildstörung |
Regie | Q aka. Kaushik Mukherjee |
Darsteller | Anubrata Basu, Joyraj Bhattacharya, Rii, Kamalika, Shilajit, u.a. |
Format | 1:2,35 (16:9) |
Ton | DTS-HD-Master 2.0 Bengalisch |
Untertitel | Deutsch |
Extras | Behind the Scenes, Berlin Episode 1, Berlin Episode 2, Trailer, u.m. |
Preis | ca. 23 EUR |
Bewertung | gescheitert, technisch gut |