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rezensionen

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06.08. Mädchen: Mit Gewalt

kurzrezension

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blu-ray

Das Grauen im Glitzerland

Passion

Passion

Brian de Palma hat sich in seiner Karriere oft mit dem Glanz der Oberfläche beschäftigt. Seine Vexierspiele mit Wahrnehmung, Wirklichkeit und Obsession basieren auf Täuschungsmotiven. Der Voyeur belügt sich zum Beispiel selbst, wenn er glaubt, durch die Beobachtung anderer Menschen wirklich in ihre Intimsphäre einzudringen. Stattdessen sind dessen Beobachtungsobjekte nur Projektionsflächen für seine eigenen Fantasiekonstruktionen und die Rolle des Voyeurs schiebt De Palma dank eleganter Inszenierungstechniken auch immer wieder dem Kinopublikum zu. So passt das Glitzerland der Werbeagentur in „Passion“ hervorragend zu De Palmas Wahrnehmungsspielen.
Die deutsche Dependance des Kreativunternehmens Koch befindet sich in ein paar Büros am Berliner Potsdamer Platz. Chefin Christine (Rachel McAdams) und ihre Mitarbeiterin Isabelle (Noomi Rapace) arbeiten zur Zeit ohne durchschlagenden Erfolg an einer Kampagne über ein neues Smartphone. Doch plötzlich wacht Isabelle mitten in der Nacht auf, ruft ihre Assistentin Dani (Karoline Herfurth) an und erstellt mit ihr einen ungeschliffenen Clip. Bei einem Meeting in London kommt die Arbeit hervorragend an, aber die Lorbeeren heimst hinterher die in Berlin gebliebene Christine ein. Aus Frust über den Ideenklau beginnt Isabelle, ihre zurückhaltende Rolle der unterwürfigen Mitarbeiterin abzustreifen, um Christine in die Schranken zu weisen. Das anschließende Duell der beiden Karrierefrauen entwickelt sich zunehmend zu einer psychotischen Angelegenheit.

Alles sieht irgendwie elegant, aber auch irgendwie leblos aus. Glasfassaden, durchgestylte Büros, geschniegelte Korridore ohne störende Fremdkörper und die schicke, aber wie Businessuniformen anmutende Kleidung der Figuren. In „Passion“ ist das Grauen lange Zeit auch ohne Mord präsent, weil die gezeigte Oberflächenwelt fast nichts besitzt, was an menschliche Eigenschaften erinnert. Christine ist ein beweglicher Kleiderständer, der seine kalkulierte Bösartigkeit so steril durchplant, dass sie erschreckend emotionslos bleibt. Sie will nichts böses, sie spielt nur die Rolle durch, die sie für ihre Aufgabe im Wirtschaftsleben hält. Einzig Isabelle passt hier nicht rein, weil sie Werten wie Anstand und Fairness noch verbunden ist. Als ihre Idee von Christine geklaut wird, da kann man in Isabelles Gesicht echte, überraschte und verständnislose Enttäuschung sehen. Das Grauen hat sie gepackt, das mit der Abwesenheit der Gefühle um sie herum einher geht. Langsam begreift sie die Apokalypse ihrer Passion Gegenwart, in der alles austauschbar ist, Berlin so aussieht als wäre es gar nicht Berlin – deswegen darf es in einer Szene auch mal kurz London doubeln - und die Ereignisse einem unerbittlichen Programm zu folgen scheinen. Das Leben hat seinen Wert verloren, weil es keine Werte jenseits des Selbstzwecks mehr gibt. Die Menschheit ist in dieser bitterbösen Zuspitzung neoliberaler Tendenzen zur Hülle verkommen.

Der Ausweg führt Angesichts der inneren Verzweiflung direkt in den Wahnsinn einer Schattenwelt, deren Glitzerland nur noch im Halbdunkel zu sehen ist. Auf einmal sind die Rollos immer runtergelassen, sodass pausenloses Dämmerlicht herrscht. Erzählungen aus der Vergangenheit, wie eine vermutlich erlogene Geschichte Christines über den tragischen Tod ihrer Zwillingsschwester, durchbrechen wie monströse Phantasien in Menschengestalt die Grenze zwischen Traum und Realität. Hier existiert eine der stärksten Ausdrucksformen menschlicher Gefühlsregungen noch: der Mord. In einer wunderschönen Split-Screen-Sequenz spiegelt De Palma die Tötung Christines mit der Aufführung des Nijinsky-Baletts „Der Nachmittag eines Fauns“, in dem die Liebeshandlung eines Fauns mit einer nur noch in seiner Fantasie existierenden Nymphe angedeutet wird. So kombiniert er nicht nur Mord mit Begehren, um Fragen über die Motive hinter der brutalen Tat aufzuwerfen, er weist der Phantasie auch die Lebenskraft zu, die in der Welt des Filmanfangs längst nicht mehr vorhanden ist. Kunst und Wahnsinn werden zum letzten Refugium für die Menschheit.

Bildqualität

Passion

Die Bluray verfügt über ein einwandfreies Bild, dessen glasklare Schärfe die Sterilität der Oberflächenwelt sehr gut wiedergibt. Dank kräftiger Farben und einem sauberen Kontrast entfaltet sich die nuancierte Eleganz des visuellen Konzeptes in De Palmas „Passion“. Nennenswerte Schwächen gibt es nicht.

Tonqualität

Genrebedingt trumpfen die DTS-HD-Master-5.1-Tonspuren nicht mit einer spektakulären räumlichen Kulisse auf, bei der zahllose Nebengeräusche auch aus den hinteren Lautsprechern erklingen. Dafür entfaltet sich Pino Donaggios dramatische Filmmusik mit dynamischer Wucht. Die Dialoge sind stets klar und verständlich.

Extras

Das Bonusmaterial besteht aus einer knapp vierminütigen Featurette und kurzen Interviews mit den Darstellerinnen Noomi Rapace, Rachel McAdams, Karoline Herfurth sowie Regisseur Brian de Palma. Dabei schwimmern zwischen oberflächlichen Angaben zum Inhalt des Films gelegentlich ein paar wenige Gedanken durch, in denen Rollen und Geschehen reflektiert wird. Insgesamt ist das Bonusmaterial aber unerheblich. Trailer zum Film sind auf der Bluray natürlich auch vorhanden.

Fazit

In „Passion“ ist das Grauen besonders dann präsent, wenn Mord und Totschlag noch abwesend sind. Die Leblosigkeit im Glitzerfassadenuniversum entpuppt sich als bitterböse Auseinandersetzung mit der Scheinwelt mancher Wirtschaftsunternehmungen, vor der man nur noch in den eigenen Wahnsinn flüchten kann. Technisch ist die Bluray gut.

Stefan Dabrock

05.12.2013

   
Originaltitel Passion (BRD/Frankreich 2012)
Länge 98 Minuten (24p)
Studio Ascot Elite
Regie Brian de Palma
Darsteller Rachel McAdams, Noomi Rapace, Karoline Herfurth, Paul Anderson, Rainer Bock, Benjamin Sadler, Michael Rotschopf, Max Urlacher, Dominic Raacke, u.a.
Format 1:1,85 (16:9)
Ton DTS-HD-Master 5.1 Deutsch, Englisch
Untertitel Deutsch
Extras Featurette, Interviews, Trailer
Preis ca. 15 EUR
Bewertung gut, technisch gut