30.03. | Paul Temple und der Fall Marquis |
03.03. | Die weiße Mafia |
16.02. | Das Mädchen mit den schwarzen Strümpfen |
11.02. | Im Dutzend zur Hölle |
28.01. | Die Engel von St. Pauli |
21.01. | Die Todeskralle des grausamen Wolfes |
06.01. | Die Mörderklinik |
12.12. | Paul Temple: Jagd auf Z |
27.11. | Die drei Supermänner räumen auf |
30.10. | Die Heuchler |
10.10. | X 312 … Flug zur Hölle... |
03.10. | Das Todeslied des Shaolin |
15.09. | Der Koloss von Konga |
26.08. | Das Omen des Bösen |
11.08. | Menschen im Hotel |
06.08. | Mädchen: Mit Gewalt |
kurzrezension
09.11. | Return of the Warrior |
30.05. | Iron Sky - Director's Cut (blu-ray) |
21.05. | Captain Invincible oder „Wer fürchtet sich vor Amerika?“ |
22.04. | True Justice: Angel of Death – Der Todesengel (blu-ray) |
„Irritation“, Substantiv, feminin – 1. Verwirrung, Zustand des Verunsichertseins; 2a. auf jemanden, etwas ausgeübter Reiz; …2b. das Erregtsein, Verärgerung.
Im Mainstreamfilm kommen Irritationen nur selten vor, weil sie das Publikum verschrecken könnten. Regisseur Lodge Kerrigan hat sich darum nicht gekümmert, als er sein Werk „Clean, Shaven“ drehte.
Peter Winter ist auf der Suche nach seiner Tochter, die vor ein paar Jahren zur Adoption freigegeben wurde. Der Hintergrund ist klar, denn Peter Winter ist nicht in der Lage, sich um ein Kind zu kümmern. Seine Wahrnehmung der Welt ist aus den Fugen geraten. In seinem Kopf dröhnen ständig Geräusche, nur selten herrscht einmal Stille. Sein Spiegelbild kann er nicht dauerhaft ertragen, weil er es nicht bruchlos mit seiner Wahrnehmung verknüpfen kann. Möglicherweise ist Peter Winter schizophren, in jedem Fall aber leidet er an einer Reizüberflutung, die zu Fehlinterpretationen seiner Umwelt führen. Während Winter zwischen seinem Elternhaus und der Suche nach seiner Tochter wechselt, sucht ein Polizist nach einem Mörder, der junge Mädchen um bringt. Dabei kommt er auf Winters Spur, in dem er einen Verdächtigen sieht.
Da Lodge Kerrigan seinen Film radikal aus der Perspektive Peter Winters erzählt, ist neben der Existenz der Hauptfigur überhaupt nichts sicher in „Clean, Shaven“. Es bleibt völlig offen, welche Figuren neben Winter tatsächlich vorhanden sind und welche möglicherweise nur seiner persönlichen Wahrnehmung entsprungen sind. Um Winters Perspektive einzunehmen, nutzt Kerrigan alle filmischen Mittel, die ihm zur Verfügung stehen. Immer wieder auftauchende Störgeräusche bilden im Verbund mit den Lauten der Umwelt aus Wind, Straßenlärm und anderen akustischen Reizen eine Tonkollage, die mit ihrer ständigen Dominanz immer wieder für neue Irritationen sorgt. Kerrigan gelingt es, die Sicherheit in der Wahrnehmung zu entziehen, mit der man die meisten Kinofilme ansehen kann. Das setzt er auch in der Montage fort, die recht sprunghaft angelegt ist, um die Unmöglichkeit zu reflektieren, sich auf einen Wahrnehmungsbereich zu konzentrieren. Wie ein Tier im permanenten Angstzustand hetzt Winters Aufmerksamkeit durch seine Umgebung auf der Suche nach immer neuen Aspekten, die Gefahr oder anderes für ihn bedeuten können.
Dank seines souveränen Umgangs mit Ton, Schnitt und Kamera ist Kerrigan außerordentlich erfolgreich dabei, Winters Innenperspektive einzunehmen. Und genau hier beginnt die Schwierigkeit, welche der Film aufwirft. Kerrigan ist so erfolgreich, dass nichts sicher ist. Jedes Bild und jeder Ton des Films könnte Teil der Wahnvorstellungen Winters sein. Eine Handlung
existiert nicht, denn die obigen Zeilen sind nur der mickrige Versuch, eine möglichst glatte Interpretation des Geschehens zu präsentieren. Deswegen ist letztlich nicht nachvollziehbar, was der Film zeigt, wodurch Kerrigan eine Distanz erzeugt. Das Ergebnis ist ein Film, der trotz seiner auf die Sinne ausgerichteten filmischen Mittel letztlich weitgehend keine emotionalen Qualitäten mehr entfaltet, sondern als intellektuell erfahr- und interpretierbares Experiment stehen bleibt. Einzig als Winter seine reale oder vermeintliche oder imaginierte Tochter trifft, hält „Clean, Shaven“ inne, um in der Ruhe der Bilder einen Moment der Nähe zu erzeugen. Das ist angesichts des zuvor Gezeigten nicht nur überraschend, sondern auch ergreifend.
Bildqualität
Das Bild der Bluray ist einwandfrei, besser kann der Independentfilm, der Anfang der 1990er Jahre gedreht wurde, kaum aussehen. Dank einer blitzsauberen Vorlage entfaltet sich das Geschehen mit einer guten Schärfe, soweit die filmischen Mittel nicht auf gezielte Unschärfen setzen. Die weitgehend triste Farbpalette wurde gut auf die Bluray übertragen. Der ausgewogene Kontrast sorgt für ein differenziertes Bild. Gelegentliche Überstrahlungen sind Teil des visuellen Konzepts der Irritation. Nennenswertes Rauschen ist neben einer leichten Körnigkeit nicht vorhanden.
Tonqualität
Die DD 2.0 Mono Tonspur im englischen Originalformat verfügt über gut verständliche Dialoge, die keine Verzerrungen aufweisen. Die Tonkollage der vielen Geräuschfetzen kann ihre irritierende Wirkung gut übertragen, da der Ton auch die notwendige Klangfülle besitzt. Eine deutsche Synchronisation liegt nicht vor.
Extras
Der Audiokommentar von Steven Soderbergh (Regisseur) und Lodge Kerrigan (Regie) entpuppt sich als informatives Gespräch zweier erfahrener Menschen aus dem Filmgeschäft. Dabei übernimmt Soderbergh den Part des Fragestellers, der den Kommentar führt. Die beiden unterhalten sich über die technische Realisierung des Low-Budget-Films, gehen auf verschiedene Methoden, Regie zu führen, ein, streifen die wichtige Thematik der Schizophrenie und kommentieren die filmische Gestaltung einzelner Szenen, so dass ein rund um guter Kommentar entstanden ist.
Das zwölfseitige Booklet enthält jeweils einen Text von Michael Schleeh und des Filmkritikers Michael Atkinson. Beide analysieren die filmische Machart von „Clean, Shaven“ und gehen auf einige Motive sowie die akustische Gestaltung des Films ein.
Fazit
Lodge Kerrigan überzieht das Konzept der filmischen Irritation ein wenig zu weit, da ohne ansatzweise Sicherheit über das Geschehen im Film kaum ein emotionaler Moment entsteht. Der Film ist so nur noch eine intellektuelle Schnitt- und Tonkollage, die als Experiment sehenswert ist. Technisch ist die Bluray gut.
Stefan Dabrock
30.05.2011
Originaltitel | Clean, Shaven (USA 1993) |
Länge | 79 Minuten (24p) |
Studio | Bildstörung |
Regie | Lodge Kerrigan |
Darsteller | Peter Greene, Robert Albert, Alice Levitt, Megan Owen, Jennifer MacDonald, Molly Castelloe, u.a. |
Format | 1:1,66 (16:9) |
Ton | DD 2.0 Mono Englisch |
Untertitel | Deutsch |
Extras | Audiokommentar mit Lodge Kerrigan (Regie) und Steven Soderbergh (Regisseur, Produzent), 24-seitiges Booklet |
Preis | ca. 26 EUR |
Bewertung | Experiment, technisch gut |