Dean Reed - The Red Elvis

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Die Veröffentlichungen des amerikanischen Sängers Dean Reed bei den Plattenfirmen Amiga oder Supraphon sind unter Kennern ostdeutscher Kultur wohlbekannt. Seine frühen Aufnahmen, die Ende der 50er bis Anfang der 60er Jahre für Capitol entstanden sind, können nun auf der CD „The Red Elvis“ (Bear Family Records) wieder entdeckt werden.

Biographie

An einem Junitag des Jahres 1986 wird Dean Reeds Leiche im Zeuthener See nahe Ost-Berlin gefunden. Seine Pulsadern sind aufgeschnitten, der Star ist ertrunken. Ein 15seitiger Abschiedsbrief, der auf Geheiß der DDR-Regierung bis 1990 unter Verschluss bleibt, erhärtet die Selbstmordvermutung. Dennoch dauert es nicht lange, bis Verschwörungstheorien nach einer anderen Erklärung suchen. Die Stasi soll ihn auf dem Gewissen haben, weil Reed möglicherweise wieder in die USA zurückkehren wollte, was den Sozialismus diskreditiert hätte. Andere wiederum behaupteten der CIA habe genau diese Rückkehr verhindern wollen. Jenseits der Wahrheit, die vielleicht niemals mit hundertprozentiger Sicherheit feststehen wird, zeigen die Spekulationen um Dean Reeds Tod, dass der seltsame „Grenzgänger“ in den Zeiten des kalten Krieges für die Blockinteressen genutzt wurde. Reed selbst siedelte Anfang der 70er Jahre aus Liebe und beruflichen Gründen in die DDR über, wo er wieder Filme drehen konnte. Seine sozialistische Überzeugung passte der Führungsriege natürlich gut ins Konzept. Dabei ist sie nur Motor seiner unendlichen Heimatsuche, die eine Welt ohne soziale Benachteiligung oder Kriege finden wollte. Später wurde Reed klar, dass das auch in der DDR nicht gegeben war, aber er sah Chancen, das System dahingehend fortzuentwickeln. Begonnen hat seine Reise aber in Colorado, wo er auf einer Hühnerfarm aufwuchs. Nach Cowboykunststücken und Countryballaden landete Reed 1958 in Hollywood, wo er bei Capitol Records einen siebenjährigen Plattenvertrag unterzeichnete.

CD-Rezension

Die 18 Stücke, welche auf der aktuellen Veröffentlichung „Der rote Elvis“ enthalten sind, decken einen großen Teil der Aufnahmen für Capitol ab. Sie waren bislang bestenfalls als Einzelstücke auf Zusammenstellungen erhältlich und galten weitgehend als verschollen. Bereits die ersten Takte der Musik erklären, warum der Album-Titel den Vergleich mit Elvis Presley sucht. Wenn man bei „Our Summer Romance“ (1959) nicht genau hinhört, könnte man glauben, ein unbekanntes Lied des King of Rock'n'Roll entdeckt zu haben. Mit sanfter Stimme besingt ein junger Mann seine Sommerliebe, die nicht vergehen soll. Intonation, Instrumentierung und die rhythmische Umsetzung sind unverkennbar an Elvis Presley angelehnt. Das Stück, welches Dean Reed selbst geschrieben hat, wurde 1960 ein Superhit in Südamerika, wo Reed bei einer Wahl zum beliebtesten Popstar Elvis Presly, Paul Anka, Ray Charls und Neil Sedaka hinter sich ließ. Die anschließende Tournee wurde ein gigantisches Ereignis, das den Nordamerikaner endgültig zu einem Superstar in Südamerika machte. Insofern ist es stimmig, gerade dieses Lied an den Anfang zu setzen, da es eng mit der Kunstpersona Reed verbunden ist.

Sein Erfolg diente später dazu, die Legende vom amerikanischen Star zu entwickeln, der aus Protest gegen den Vietnamkrieg den USA den Rücken gekehrt habe. In den Vereinigten Staaten war Reed jedoch nie erfolgreich. Die Lebensgeschichte des Dean Reed ist auch die Geschichte einer Biographianpassung. Der naiv-romantische Text wiederum spiegelt Reeds träumerische Suche nach einer harmonischen Heimat wieder, die sich nicht auf den konkreten Flecken Erde bezieht, der gerne mit dem Heimatbegriff assoziiert wird, sondern Heimat im Zustand der Zufriedenheit findet. Die Sommeromanze eines Schülers, von der er hier singt („Although the summer's gone , I'll try to carry on, although you won't be with me, and when school is through, I'll still be loving you“ - „Obwohl der Sommer vorbei ist, versuche ich, dich nicht zu vergessen, auch wenn du nicht bei mir bist. Auch wenn die Schulzeit zu Ende ist, werde ich dich immer noch lieben.“), erfährt im Laufe des Textes eine Wandlung zur universellen Liebe als Lebensglück („I love no one but you , my love belongs to you , someday I hope to marry you“ - Ich liebe nur dich allein, meine Liebe gehört dir, eines Tages heirate ich dich hoffentlich.“). Als Reed das Stück geschrieben hat, dürfte es für ihn kaum mehr als ein romantisches Liebeslied gewesen sein. Es bringt aber seine träumerische Ader zum Ausdruck, die bei ihm später angesichts sozialer Missstände in Südamerika die Sehnsucht nach einer utopischen Welt der Harmonie hervorbrachte und ihn für die Sache des Sozialismus kämpfen ließ. Dabei unterstützte er Salavdor Allende in Chile, schrieb Protestsongs oder wusch vor dem US-Konsulat in Santiago die blutgetränkte amerikanische Flagge rein, bevor er 1972 in die DDR übersiedelte. Die ersehnte utopische Welt, die wahre Heimat sollte er in der Realität nie finden.

Nur im Traum konnte ein Mensch wie Dean Reed zu Hause sein. Neben „Our Summer Romance“ enthält die CD mit der sanft dahin fließenden Ballade „The Search“, in der Reed die Bereitschaft besingt, für die wahre Liebe um die ganze Welt zu reisen, sowie einem Lied über die erste Liebe („Don't let her go“) zwei weitere Stücke aus seiner Feder. Das restliche Material haben andere Komponisten geschrieben. Reed interpretiert die zumeist flotten Rock'n'Roll-Nummern mit weicher Stimme, welche ausgezeichnet zu den gefühlvollen Texten passt.

Das 32seitige Booklet fasst mit einem Text von Stefan Ernsting, der auch in englischer Übersetzung enthalten ist, die seltsame Lebensgeschichte des Dean Reed zusammen.