Stahlnetz
stilisiert
Nowhere
to hide
Wenn
heute im asiatischen Raum ein Remake des deutschen TV-Klassikers "
Stahlnetz"
realisiert werden würde, dann könnte etwas ähnliches
wie "Nowhere to hide" herauskommen. Regisseur Myung-se Lee
kreuzt relativ nüchterne Alltagsbetrachtungen aus dem Polizeileben
mit einer extrem stilisierten Inszenierung, die das bildgewaltige
Arsenal der Kinokultur nutzt.
Den Aufhänger für die Erzählung bildet der Mord auf
den "40 Stufen", welcher durch eine Polizeieinheit aufgeklärt
werden soll. Der eher grobschlächtig wirkende Ermittler Woo sowie
der sensibler auftretende Kim bilden ein Team innerhalb der Truppe.
Gemeinsam machen sie sich an die Arbeit. Durch die prophylaktische
Beschattung einer Bar erhalten sie einen ersten Hinweis, dem sie nachgehen
können. Die Freundin des Verdächtigen wird das nächste
Überwachungsobjekt der Polizeieinheit, aber so einfach lässt
sich der gesuchte Täter nicht festnehmen. Zwischen Jägern
und Gejagtem entwickelt sich ein Katz-und-Maus-Spiel.
Die Ermittlungsarbeit der Polizei ist weitgehend unspektakulär.
Im Stile eines Chronisten - zwischendurch werden immer die verstrichenen
Tage seit dem Mord auf den 40 Stufen eingeblendet - berichtet "Nowhere
to hide" über Beschattungen bei Minustemperaturen, brutale
Verhörmethoden oder zufällige Ermittlungserfolge. Die Darstellung
der Polizeiarbeit folgt keiner
Thrillerdramaturgie,
in der durch den Scharfsinn eines Helden ein schier undurchschaubares
Rätsel stückweise gelöst wird, wodurch sich die Spannung
immer weiter erhöht. Im Zentrum von "Nowhere to hide"
steht der ermüdende Alltag der Polizisten, deren Arbeit im wesentlichen
ein Geduldsspiel ist. Spannung sowie Rasanz kommt auf, wenn der gesuchte
Mordverdächtige auf der Bildfläche erscheint und Verfolgungsjagden
zu Fuß durch verwinkelte Straßen oder einen Zug das Geschehen
prägen. Myung-se Lees Kunst besteht darin, beide Element durch
seine extrem stilisierte Inszenierung zusammen zu fügen. Auch
die alltägliche Ermittlungsarbeit erzählt der Regisseur
mit Hilfe detailliert gestalteter Bildarrangements, deren Schönheit
ebenso überwältigend ist, wie sie das emotionale Kostüm
der Figuren wieder spiegeln. Eine Szenerie mit zwei Menschen, die
bei grimmiger Kälte alleine in einem Auto ausharren, während
im Beschattungsobjekt die Weihnachtsdekoration hell leuchtet, erzählt
mehr über das Wesen der Polizeiarbeit und ihre psychologische
Belastung als es ein mehrseitiges Traktat je könnte. Dass so
etwas zu Frustrationszuständen führt, die in fragwürdigen
Verhörmethoden münden, ist ebenso verständlich wie
erschreckend. Echte Sympathieträger besitzt der Film nicht. Stattdessen
zeichnet er ein nüchtern-trauriges Portrait der Polizei, das
auf meisterliche Weise die kleinen Details ins Zentrum rückt
und dadurch eine beeindruckende sowie wuchtige Präzision besitzt.
Bildqualität
Verschmutzungen
oder Bildpunkte tauchen nur sehr selten auf. Die Schärfe des
Bildes schwankt zwischen sehr gut in Nahaufnahmen und nur angenehm
in Totalen oder Halbtotalen. Vor allem Hintergrunddetails verwischen
hier schnell. Exzellent ist die Wiedergabe der kräftigen Farben,
so dass die atmosphärischen Qualitäten der stilisierten
Inszenierung voll zur Geltung kommen. Wenn man besonders kritisch
ist, könnten einige Szenen etwas heller sein, um mehr Details
zur Geltung zu bringen. Der gute Kontrast sorgt ansonsten aber für
ein plastisches Bild. In homogenen Flächen ist das Bild ein bisschen
in Bewegung, auch leichte Nachzieheffekte sind sichtbar. Insgesamt
aber ein recht gutes Bild.
Tonqualität
Der
5.1-Ton liefert eine gut abgemischte räumliche Kulisse, die entweder
mit Hilfe der wuchtigen Musik für die notwendige Dynamik sorgt
oder aber über fein austarierte Umgebungsgeräusche wie Vogelzwitschern
beim Mord auf den "40 Stufen" die atmosphärische Inszenierung
unterstützt. Da die Dialoge zudem klar und verständlich
sind, macht der Ton eine sehr gute Figur.
Extras
Unter
dem Bonusmaterial auf der zweiten DVD ragt der koreanische Director's
Cut des Films heraus. Für die internationale Fassung wurden einige
Alltagsdetails herausgeschnitten, die für das Wesen des Films
aber von großer Bedeutung sind, da es genau um die alltägliche
Arbeit der Polizisten geht. Insofern ist die längere Fassung
seinem Pendant deutlich überlegen.
Der etwa siebenminütige Beitrag "Behind the scenes"
zeigt B-Roll-Material vom Dreh. Dabei sieht man die Schauspieler bei
den Proben zu einzelnen Szenen sowie beim Dreh selbst. Dank deutscher
Untertitel bleiben die Besprechungen nicht im Dunkeln, so dass das
Material durchaus gewisse Qualitäten besitzt.
Die ebenfalls siebenminütige Interviewrolle vereint Aussagen
der Schauspieler in den Hauptrollen, die zumeist aber wenig interessant
sind. Der eine erzählt mehr inhaltliches, der andere erläutert
seine Bedenken, die zunächst mit der Rolle verbunden waren. In
den besten Momenten sind die Interviews ganz nett, mehr aber auch
nicht.
Hinter Vergleich der Schnittfassungen verbergen sich zwei Beiträge.
Zum einen werden die visuell unbearbeiteten Szenen der Rohfassung,
denselben Szenen nach der Postproduktion gegenübergestellt (ca.
eineinhalb Minuten). Zum anderen sind alle längeren Szenen des
Director's Cut hintereinander geschnitten zu sehen (ca. 6 Minuten).
Beides ist eher geringwertig. Der Zusammenschnitt der Director's-Cut-Szenen
hat noch die meiste Berechtigung, da man hier in komprimierter Form
sehen kann, wo etwas geschnitten wurde. Wenn ein längerer Zeitraum
zwischen der Ansicht beider Fassungen liegt, ist das sicherlich eine
willkommene Hilfe.
Ein Musikvideo des im Film verwendeten Bee-Gees-Liedes "Holiday"
zu Ausschnitten aus "Nowhere to hide", eine Live-Aufnahme
der Bee Gees ("Holiday"), sowie mehrere Trailer des Films
runden das Bonusmaterial ab.
Fazit
Vor
allem im Director's Cut wird aus "Nowhere to hide" eine
faszinierende Mischung aus der chronistischen "Stahlnetz-Erzählweise"
und einer extrem stilisierten Inszenierung mit Regen, Schnee, Zeitlupen
und weiteren Mitteln. Dabei dringt Regisseur Myung-se Lee tief in
die Befindlichkeit koreanischer Ermittler ein, deren emotional-gesellschaftliche
Position er analysiert. Technisch ist die DVD gut, das Bonusmaterial
überzeugt vor allem durch den Director's Cut.
Stefan Dabrock
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Originaltitel |
Injeong
sajeong bol geot eobtda (Südkorea 1999) |
Länge |
97
Minuten (Pal) |
Studio |
Rapid
Eye |
Regie |
Myung-se
Lee |
Darsteller |
Joong-Hoon
Park, Sung-kee Ahn, Dong-Kun Jang, u.a. |
Format |
1:1,85
(16:9) |
Ton |
DD
5.1 Deutsch, Koreanisch |
Untertitel |
Deutsch |
Extras |
Koreanischer
Director's Cut (112 Minuten Pal), Interviews, Trailer, u.m. |
Preis |
ca.
23 EUR |
Bewertung |
sehr
gut, technisch gut |
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