Messerscharfes Intrigenspiel

Kill

KillAbgewrackte Häuser und menschenleere Straßen sind ein gern gesehenes Stilmittel des Italowestern, um den moralischen Verfall der jeweiligen gesellschaftlichen Ordnung in metaphorische Bilder zu gießen. Der japanische Regisseur Kihachi Okamoto macht sich das stilistische Arsenal des Italowestern zu Nutze, der sich mit Sergio Leones „Für eine Handvoll Dollar“ einst selbst beim japanischen Kino bediente. Okamoto beginnt „Kill“ mit entsprechenden Einstellungen einer Dorfstraße während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Der pfeifende Wind peitscht den Staub durch die Ödnis der heruntergekommenen Ansiedlung. Beim Versuch, gegen den quälenden Hunger ein Huhn zu fangen, treffen sich der ehemalige Samurai Genta und Hanji, ein Bauer, der Samurai werden will. Kurz nachdem das Huhn entkommen ist, tobt plötzlich ein Kampf zweier Gruppen auf der Straße. Attentäter ermorden den Statthalter, um dessen Herrschaft zu beenden, die ihrer Meinung nach die Gegend zugrunde richtet. Sie flüchten in eine nahegelegene Bergfestung, da die Verhältnisse im entstandenen Machtvakuum zu unsicher sind. Ein Bote soll die Kunde von der Ermordung des Stadthalters nach Edo bringen, damit ein offizieller Inspektor nach dem Rechten sieht und die Verhältnisse wieder ordnet. Die Attentäter haben aber die hintertriebene Art des mächtigen Ayuzawa unterschätzt, der ein mehrfaches Intrigenspiel beginnt, um die Attentäter loszuwerden und selbst die Macht zu übernehmen.

Genta und Hanji verdingen sich in der Auseinandersetzung, bleiben aber jeweils distanziert, so dass sie letztlich als übergeordnete Instanz auf das Geschehen einwirken. Ehre und klare Regeln haben in der dargestellten japanischen Gesellschaft keinen Platz mehr. Für die Macht wird solch störender Ballast über Bord geworfen. Das muss im Laufe der Handlung auch Hanji erfahren, der als ehemaliger Bauer eine romantische Vorstellung des Samuraiwesens mit sich herum trägt. Die Art und Weise wie Ayuzawa bereit ist, auch eigene Leute kaltlächelnd zu opfern beziehungsweise selbst dazu beitragen möchte, dass sie ermordet werden, zeugt von dem Verrottungszustand des gezeichneten Japan. Okamoto übersetzt das in morbide Bilder des Verfalls, die er mit den Mitteln der hysterischen Groteske anreichert. Neben der unwirtlichen Atmosphäre dominiert so das Misstrauen innerhalb der verschiedenen Gruppen. Die Attentäter in der Bergfestung lassen sich in der Enge des selbst gewählten Gefängnisses, das sie nach dem Auftauchen der Häscher Ayuzawas nicht verlassen können, Kill schnell auseinander dividieren. Es kommt zu einem Streit um Proviant sowie Vertrauen, das sehr brüchig geworden ist. Eine Frau aus dem privaten Umfeld eines der Attentäter, die noch vor den Häschern eingetroffen ist, sorgt für Unruhe innerhalb der Männergruppe. Von der Selbstkontrolle eines Daseins, das durch einen klaren Ehrenkodex geprägt war, ist nur noch ein zunehmend absurder werdendes triebbasiertes Verhalten übrig geblieben, das auf Alkohol und Frauen aufgebaut ist. Das andere Extrem zeigt sich im kaltherzigen Intrigenspiel Ayuzawas, dessen kalkuliertes Machtverhalten jeglicher Ehre entbehrt.

Okamoto seziert den Samuraimythos mit grimmiger Entschlossenheit, wobei er weniger auf eine düstere Atmosphäre setzt, als dass er das Geschehen mit sardonischem Humor betrachtet. Das liegt an seinen zwei Hauptfiguren, die nur distanzierte Beteiligte des ganzen Geschehens sind. Als solche strahlen sie gegenüber den restlichen Figuren eine Überlegenheit aus. Der Gegensatz verleiht den angestrengten Bemühungen der einzelnen Gruppen eine Komik. Während Genta aus früheren Erfahrungen das Samuraidasein durchschaut, verfügt Hanji über eine gewisse instinktive Klugheit, die sich mit einer Naivität vermischt, so dass er auf Gentas Hilfe sowie den Zufall angewiesen ist, um unversehrt aus den Kämpfen herauszukommen. Gemeinsam bilden sie eine neue Instanz, die an den verrotteten Zuständen zwar kaum etwas ändern kann, sie aber immerhin in ihrem Kern entlarvt.

Bildqualität

KillDas Bild der DVD weist immer wieder kleinere defekte und leichte Verschmutzungen auf, ohne dass sich das in der Vordergrund spielt. Die Schärfe kommt erwartungsgemäß nicht über ein durchschnittliches Niveau heraus, so dass das Bild oft etwas weich wirkt, der Detailreichtum ist eingeschränkt. Angesichts des Filmalters sieht das Bild aber sehr ordentlich aus. Der Kontrast überzeugt. Bei Bewegungen wird das Bild leicht unruhig, sonstige Rauschmuster treten nicht störend in Erscheinung.

Tonqualität

Die Tonspur könnte bei den Dialogen etwas mehr Volumen vertragen, da diese etwas flau klingen. Die Musikwiedergabe überzeugt auf dem Gebiet und überträgt die Atmosphäre auf wirkungsvolle Weise. Das gilt auch für die Nebengeräusche. Leichte Verzerrungen treten jedoch immer wieder in Erscheinung.

Extras

Das Bonusmaterial besteht aus einem Trailer sowie einem Teaser.

Fazit

„Kill“ nähert sich dem Samuraimythos mit Hilfe einer sardonischen Groteske, die zwischen Hysterie, kalkuliertem Intrigenspiel und entlarvender Draufsicht changiert. Ein gleichsam düsteres wie komisches Werk. Technisch ist die DVD sehr ordentlich.

Stefan Dabrock

   
Originaltitel Kiru (Japan 1968)
Länge 115 Minuten (Pal)
Studio Rapid Eye Movies
Regie Kihachi Okamoto
Darsteller Tatsuya Nakadai, Etsushi Takahashi, Naoko Kubo, Shigeru Kôyama, Akira Kubo, Eijirô Tôno, u.a.
Format 1:2,60 (16:9)
Ton DD 2.0 Mono Japnisch
Untertitel Deutsch
Extras Trailer, Teaser
Preis ca. 19 EUR
Bewertung sehr gut, technisch angesichts des Filmalters sehr ordentlich