Mit dem Horrorfilm „Nightmare Man“ hat Regisseur Rolfe Kanefsky durchaus bewiesen, dass er sich auf das Inszenieren diverser Spannungssituationen versteht. Seine Lust, den weiblichen Körper zu präsentieren, hat er auch dort bereits eingebracht. Insofern scheint seine Idee, R.L. Stevensons berühmte Geschichte „Dr. Jeckyll und Mr. Hyde“ in die Neuzeit zu übertragen und eine Frau zur Hauptfigur zu machen absolut folgerichtig. Die Handlung seiner „Adaption“ ist schnell erzählt. Jackie Hyde, eine Frau in den 20ern, verliert ihre Stelle als Telefonagentin, weil sie einerseits kaum etwas verkauft und andererseits einen Kunden angeschrien hat. Erstaunlicherweise erreicht sie nur wenig später die Nachricht, sie habe von einem Verwandten ein großes Haus geerbt. Nach dem Einzug findet sie eine seltsame rote Flüssigkeit, die das Ergebnis der Forschungsarbeit ihres verstorbenen Verwandten ist. Nach Einnahme dieser Flüssigkeit kann man seinen Körper nur mit der Kraft des Willens nach den eigenen Wünschen gestalten. Da Jackie Hyde durchschnittlich aussieht und aus ihrer Sicht ein paar Pfunde zu viel auf den Rippen hat, verwandelt sie sich optisch in ein Model, dessen Bild sie in einem Magazin gesehen hat. Jetzt klappt es auch mit den Männern, aber ihr neues Ego, Jacqueline Hyde, ist besitzergreifend und für ihre Partner tödlich.
Die Idee, Stevensons Geschichte auf diese Weise zu bearbeiten, ist so grell, dass sich Regisseur Rolfe Kanefsky nach besten Kräften hätte austoben können. Eine psychologisch fundierte Geschichte bietet sich angesichts des sexuellen Vordergrundes sowie Kanefskys Vorliebe für den weiblichen Körper kaum an, obwohl auch das in der Hand eines entsprechend versierten Regisseurs möglich gewesen wäre. Bedauerlicherweise liefert Kanefsky weder das eine noch das andere ab, so dass der Film auf belanglose Art und Weise zwischen allen Stühlen landet. Der Film wirkt, als habe sein Regisseur Angst gehabt, die sexuelle Seite zu stark in entsprechend schöne Bilder zu gießen, um sich nicht den Vorwurf gefallen lassen zu müssen, er habe einen Softporno gedreht. Die triebhaft grelle Seite, die Jacqueline Hyde repräsentiert, kommt im Ergebnis jedenfalls erstaunlich bieder daher. Eine Jogging-Tour mit eng anliegender Kleidung sowie der Wunsch absolute Lust zu empfinden, was in einer Art mental gesteuerter Selbstbefriedigung mündet, repräsentieren die wilde Seite.
Natürlich hält der Film zum Finale hin Steigerungen mit der einen oder anderen Sexszene sowie ein bisschen Mord bereit. Aber die stehen in keinem Zusammenhang zum bieder ausgestalteten sexuellen Erwachen der ersten Filmhälfte. Die Machtlust, die Jacqueline Hyde plötzlich ausagiert, existiert zuvor schlicht nicht, auch nicht in reduzierter Weise. Der Film erleidet deswegen einen völligen Bruch, zumal die Frage offen bleibt, was Kanefsky an der Geschichte interessiert haben mag. Für ein grelles Sex-and-Crime-Werk präsentiert der Film zu wenig Sex und auch zu wenig Crime. Spannung kommt ebenfalls nicht auf, weil die existierenden Mordszenen absolut gradlinig ablaufen, so dass keine Zeit bleibt, mit den „Opfern“ zu bangen. Der Widerstreit zwischen Jacqueline und Jackie Hyde taucht immer wieder kurz auf, wenn es Kanefsky für geeignet hält, einen verbindenden Faden durch den Film hinweg gibt es jedoch nicht. Am interessantesten ist noch die Idee, dass Jacqueline Hyde als einzige ihrer Art einsam ist, und deswegen mit Hilfe der roten Flüssigkeit ein ihr ebenbürtiges männliches Geschöpf erschaffen will. Darauf ist Kanefsky aber erst im Finale gekommen, so dass es bei dem eingangs erwähnten Hinweis bleibt: In der Hand eines entsprechend versierten Regisseurs hätte aus der Erzählung sogar ein psychologisch fundiertes Werk entstehen können und ein Kanefsky in Topform hätte eine wundervoll direkte bildliche Übersetzung der Triebthematik gedreht.
Bildqualität
Da der Film nicht anamorph codiert wurde, bleibt die Schärfe auf durchschnittlichem Niveau. Alles wirkt ein bisschen matschig. Die Farben sind nicht so intensiv, wie man es erwarten würde. Auch der Kontrast ist oftmals nicht in der Lage ein plastisches Bild zu erzeugen. Das gilt vor allem für Totalen oder Halbtotalen bei Tageslicht. In dunklen Szenen werden gelegentlich Details verschluckt. Zusätzlich beeinträchtigt ein leichtes Blockrauschen den Sehgenuss.Tonqualität
Entgegen der Coverangabe liegt der Originalton nur im DD 2.0 Format vor. Die vorderen Lautsprecher werden dabei allerdings sehr gut ausgenutzt, die Dialoge sind klar und verständlich. Wer es unbedingt möchte, kann sich auch einen deutschen 5.1-Upmix anhören.Extras
Der Audiokommentar von Rolfe Kanefsky (Regie), Gabriella Hall (Darstellerin, Produktion) und Blythe Metz (Darstellerin) geht auf die Auswahl der Drehorte ein, widmet sich immer wieder der technischen Umsetzung der Verwandlung Jackies in Jacqueline, liefert Informationen zu den Darstellern und erläutert szenenspezifische Details der Inszenierung, wenn Kanefsky auf Vorbilder und beabsichtigte Wirkung eingeht. Der Regisseur ist es auch, der den Kommentar in erster Linie prägt, indem er pausenlos etwas zu berichten hat. Ein solider bis guter Audiokommentar in englischer Sprache, der jedoch keine Untertitel besitzt.
Die Featurette „Nothing to Hyde“ (etwa 23 Minuten) beinhaltet ein paar B-Roll-Aufnahmen vom Dreh, zeigt wie Brustabdrücke für einen Spezialeffekt erstellt wurden und lässt ein paar der am Film beteiligten Menschen während der Dreharbeiten in kurzen, spontanen Aussagen zu Wort kommen. Insgesamt eher drollig als informativ.
Die zwölf entfallenen und erweiterten Szenen (zusammen etwa 21 Minuten) geben einen sehr guten Überblick über die weiteren Drehbuchideen, welche aus verschiedenen Gründen nicht realisiert wurden. Sehr hübsch ist zum Beispiel die Szene, in der die Hauptfigur am Anfang des Films zur Arbeit muss und ständig durch unerwünschte Werbeanrufe gestört wird. Die darauf folgende noch im Film enthaltene Szene offenbart sie schließlich als Arbeitnehmerin, die ihr Geld selbst mit solchen Anrufen verdient. Innerhalb des fertigen Filmes hätte der entlarvende Humor die Figur allerdings soweit demontiert, dass es sinnvoll gewesen ist, die Szenen zu entfernen. Als gelungene Miniatur ist sie amüsant.
Eine Bildergalerie und der Trailer runden das Bonusmaterial ab.
Fazit
Mit der Inszenierung von „Jacqueline Hyde“ setzt sich Regisseur Rolfe Kanefsky zwischen alle Stühle. Aufgrund der wenig zusammenhängenden Motive und Charakterentwicklungen gelingt es ihm nicht, den anvisierten Grusel-Thriller zu erschaffen. Auf der anderen Seite entpuppt sich die Inszenierung als zu bieder, um den Film als grelles Werk derangierter Emotionen zu etablieren. Technisch ist die DVD durchschnittlich. Das nicht anamorph codierte Bild ist eine Schwäche.Stefan Dabrock
Originaltitel | Jacqueline Hyde (USA 2005) |
Länge | 94 Minuten (Pal) |
Studio | Anolis |
Regie | Rolfe Kanefsky |
Darsteller | Gabriella Hall, Blythe Metz, Rebekah Ellis, James Ferris, u.a. |
Format | 1:1,78 (4:3) |
Ton | DD 5.1 Deutsch, DD 2.0 Englisch |
Untertitel | Deutsch |
Extras | Audiokommentar, Deleted Scenes, u.m. |
Preis | ca. 15 EUR |
Bewertung | gescheitert, technisch durchschnittlich mit Schwächen beim Bild |