Auf der Suche nach dem eigenen Trauma

Waltz with Bashir – Graphic Novel und DVD

Die Graphic Novel ist im Atrium Verlag erschienen (22 EUR)

Die Libanonkriegsdokumentation „Waltz with Bashir“ ist sowohl als DVD als auch als Graphic Novel veröffentlicht worden. Der folgende Text stellt beide Medien vor.

Der Film: Wie kann es sein, dass unter den Augen der israelischen Armee ein Massaker verübt wird, ohne dass jemand eingreift? Wie kann es sein, dass die persönliche Erinnerung daran verschwunden ist? Ari Folman, der als junger Soldat den Libanonkrieg von 1982 erlebte, nimmt diese Fragen als zentrales Motiv für seine Animationsdokumentation über die damaligen Ereignisse. In den westlich von Beirut gelegenen Flüchtlingslagern Sabra und Schatila haben christliche Falangisten ein Massaker an zahlreichen palästinensischen Zivilisten verübt. Die genaue Zahl der Opfer konnte nicht geklärt werden.

Der Alptraum eines Freundes, der jede Nacht von 26 bissigen Hunden verfolgt wird, bringt Folman dazu, sich mit den Kriegserlebnissen auseinanderzusetzen. Sein Freund glaubt, dass der Traum eine Reaktion auf damalige Ereignisse ist. Überraschenderweise kann sich Folman überhaupt nicht an den Krieg erinnern. Deswegen beginnt er Nachforschungen bei Bekannten sowie Zeitzeugen, um seine eigene Geschichte wiederzugewinnen. Dabei lässt ihn ein eigenes Traumbild nicht mehr los, in dem junge Soldaten dem Meer entsteigen, an Land gehen und in Beirut einrücken. Einer der Soldaten ist Folman selbst. Der Erinnerungsschnipsel treibt ihn bei seiner Recherche an, die schließlich auch bei den Lagern Sabra und Schatila ankommt.

Die Traumbilder und die oft in leicht traumartige Bilder übersetzten Erzählungen der Kriegserlebnisse sorgen für die intensive Wirkung des Films. Ihr naturgemäß künstlicher Stil umgeht die Gefahr der Distanzierung durch eine Fokussierung auf die wesentlichen Elemente. Die wütenden Hunde funktionieren in der schroff gezeichneten Variante viel eher als Chiffre eines traumatischen Schreckens, als das mit anderen, realistischer visualisierten Mitteln möglich wäre, die aufgrund der höheren Anzahl optischer Reize in viel größerem Maße auch noch andere Assoziationen transportieren. Die klaren Kontraste, die intensive, farbige Einfärbung, das Geschoss einer Panzerfaust, welches in einer Obstplantage direkt auf die Kamera zufliegt, sind nur wenige Beispiele für die visuelle Kraft eines Films, der das Trauma selbst sichtbar zu machen scheint. Deswegen ist „Waltz with Bashir“ auch in erster Linie eine persönliche Geschichte des damaligen Soldaten Folman sowie der anderen Zeitzeugen, mit deren Hilfe die in letzter Konsequenz natürlich auch politische Dimension sichtbar wird. Dabei hat Folman aber eben nicht die Absicht, einen irgendwie ausgerichteten Kommentar abzugeben. Ihm geht es um ein Verstehen, das für ihn persönlich ein Verstehen seiner eigenen Geschichte bedeutet. Gerade die Reduktion darauf ist ein Glücksfall, weil sie eine Fokussierung auf das Drama bedeutet, ohne das ideologischer Ballast mitschwingt.

Die Graphic Novel: Für die Buchausgabe musste die Bilderflut des Films natürlich reduziert werden, so dass sich daraus eine Konzentration auf bestimmte Szenerien ergibt. Während der Film den Zuschauer durch die Bewegung leitet, findet das beim Buch durch die Eindampfung statt, welche den grundsätzlichen Gehalt aber nicht vermindert.

Die Graphic Novel hat gegenüber der Filmversion den entscheidenden Vorteil, dass die einzelnen Bilder viel individueller erfasst werden können. Man kann sich beim Ansehen schlicht mehr Zeit lassen, so dass sich die Wirkung jedes einzelnen Bildes erhöht. Die Musik, die eine der großen Stärken des Films ist, fehlt zwar, aber so schiebt sich das Bild selbst als zentrales Element der Handlung weiter in den Vordergrund. Die Graphic Novel hat deswegen nicht nur als eigenständiges Werk ihre Berechtigung, sie ist auch dann noch ausgesprochen lohnenswert, wenn man den Film bereits kennt.

Bildqualität

Das blitzsaubere Bild der DVD besitzt wie bei einem Animationsfilm nicht anders zu erwarten eine ausgezeichnete Schärfe. Die kräftigen Farben überzeugen auf der ganzen Linie wie auch der Kontrast sehr gut ausfällt. Leider bilden sich um manche Elemente kleine Auren, die gelegentlich etwas störend sind. Insgesamt aber eine gute Bildqualität.

Tonqualität

Die 5.1-Tonspuren besitzen nicht nur klare und verständliche Dialoge, sie sorgen über einen gut verteilten Mix der Musik sowie immer wieder auftretende Nebengeräusche für eine gute räumliche Wirkung. Der satte Klang unterstützt die atmosphärischen Qualitäten. Die 2.0-Tonspuren können damit natürlich nicht mithalten, verrichten in ihren Möglichkeiten aber ebenfalls gut Arbeit.

Extras

Die Deleted Scenes (etwa 12 Minuten) bestehen vor allem aus Bildern zu einem Menschen, dessen Geschichte im Film nicht mehr enthalten ist. Das Material besteht aus Standbildern und animierten Vorstadien zu endgültigen Filmversion, die dann nicht mehr erstellt wurde. Da die darin geschilderten Erlebnisse weniger Kompakt mit den tatsächlichen Kriegshandlungen verbunden sind, ist es verständlich, dass sie nicht mehr im Film enthalten sind. Als eigenständiger Kurzfilm funktionieren die Bilder aber sehr gut. Daneben ist noch eine weitere geschnittene Szene enthalten.

Das deutsch untertitelte Making Of (1 Stunden und 9 Minuten) behandelt von der Projektentwicklung bis zur Durchführung alle zentralen Aspekte der Filmentstehung. In Interviews kommen der Regisseur, Animatoren sowie andere am Film beteiligte Menschen zu Wort. Darin geht es vor allem um die technische Umsetzung der Bilder, die durch unterschiedliche zeichnerische Stadien illustriert wird. Daneben sind Aufnahmen im Studio oder an anderen Orten zu sehen, wo die Szenen des Films mit realen Personen in stilisierter Form schon einmal vorab gedreht wurden um eine Vorstellung für die spätere Abfolge zu bekommen. Ein sehr gutes Making Of. Eine Bildergalerie sowie der Trailer runden das Bonusmaterial ab.

Fazit

„Waltz with Bashir“ arbeitet das Trauma des Libanonkrieges von 1982 mit intensiven Bildern auf, die durch eine teils hypnotische Musik vortrefflich unterstützt werden. Die Konzentration auf persönliche Erinnerungen diverser Zeitzeugen ist ein Glücksfall, da auf diese Weise das Drama im Zentrum der Aufarbeitung steht, ohne dass ideologischer Ballast den Blick verstellt. Technisch ist die DVD gut. Die ebenfalls erschienene Graphic Novel lohnt sich auch dann noch, wenn man den Film bereits kennt.

Stefan Dabrock

Originaltitel	Waltz with Bashir (Israel 2008)
Länge	87 Minuten (Pal)
Studio	Pandora Film
Regie	Trygve Allister Diesen, Lucky McKee
Darsteller	Ron Ben-Yishai, Ronny Dayag, Ari Folman, Dror Harazi, u.a.
Format	1:1,78 (16:9)
Ton	DD 5.1 Deutsch, Hebräisch; DD 2.0 Deutsch, Hebräisch
Untertitel	Deutsch
Extras	Making Of, Deleted Scenes, Trailer
Preis	ca. 18 EUR
Bewertung	ausgezeichnet, technisch gut