Der ehemalige US-Präsident George W. Bush ist einer der umstrittensten Politiker unserer Zeit gewesen. Im Laufe seiner Amtsführung haben sich seine Popularitätswerte nicht zuletzt aufgrund des ausufernden Irak-Einsatzes stetig abwärts bewegt. Da der amerikanische Regisseur Oliver Stone die öffentlichen Außenseiter gerne mit Wohlwollen betrachtet – man denke nur an seinen Fidel-Castro-Film „Commandante“ (2003), die Erhebung der Theorien des Staatsanwaltes Jim Garrison über den Mord an JFK zur alleinigen Wahrheit oder Stones Interesse am Scheitern von Alexander dem Großen -, überrascht seine filmische Biographie über George W. Bush nicht unbedingt. Der Ex-Präsident erscheint darin wie ein naiver Trottel mit Machtinstinkt. Diese Stone'sche Analyse ist zwar auch nicht schmeichelhaft, sie spricht Bush aber von der Bösartigkeit frei, die Kritiker seiner Präsidentschaft gerne zuweisen. Stone lässt das Leben Bushs mit Hilfe einer verschachtelten Struktur aus den Zeiten der Präsidentschaft sowie den davor liegenden Ereignissen Revue passieren. Dabei sind die grundsätzlichen Fakten vom lässigen Collegeleben, dem übermäßigen Alkoholkonsum, der religiösen Erweckung sowie den später auftauchenden politischen Ambitionen bekannt. George W. Bush tritt im Gewand des sorglosen Hallodri auf, der immer nur dann etwas Zustande bringt, wenn sein Vater George Bush zunächst die entscheidenden Fäden zieht. Das gilt beispielsweise für seine Annahme in Harvard, die ohne den politischen Einfluss seines Vaters kaum Wirklichkeit geworden wäre.
Die Vater-Sohn-Beziehung ist dann schließlich auch eines der Haupt-Themen in „W.“. Der übermächtige Schatten des ebenso erfolgreichen wie konservativ gesittet auftretenden George H.W. Bushs lastet so schwer auf seinem Sohn, dass dieser seine Minderwertigkeitskomplexe nur bekämpfen kann, indem er den Vater übertrumpft. James Cromwell verleiht Bush Senior die zurückhaltende Autorität dessen, der sein Gegenüber bereits mit einem strengen oder auch milden Blick zu einem kleinen Häufchen Elend zusammen schrumpfen lassen kann. Immer wenn Bush Junior wieder einmal das Gefühl befällt, nichts wert zu sein, schwört er sich, niemals wieder in eine solche Situation zu kommen. Mit der Trotzigkeit eines kleinen Kindes heult sich Josh Brolin als Bush Junior bei seiner Ehefrau aus oder er wandelt, schon Präsident geworden, kindisch monologisierend durch sein Machtzentrum. In Stones Biopic ist der Minderwertigkeitskomplex die entscheidende Triebfeder für das Fortkommen George W. Bushs. Außer einem seltsamen Instinkt für die richtige Tat zur richtigen Zeit – dazu zählt auch die religiöse Ausrichtung, die W. aber nur teilweise als strategische Linie begreift - präsentiert Stone keinerlei Erklärung, wie der naive Hallodri in das Präsidentenamt kommen konnte. Handfeste Fähigkeiten tauchen innerhalb des Films nicht auf. Entsprechend fällt auch die Interpretation der Präsidentschaft aus. George W. Bush formuliert hemdsärmelige, klare Botschaften, von denen er überzeugt ist. Dazu zählt eine naive, gutsherrliche Betrachtung der Weltpolitik, in der die Bösen nun einmal bestraft werden müssten. Das lässt ihn sympathisch erscheinen, weil ihm hinterhältige, strategische Überlegungen fremd sind.
Dafür ist vor allem Dick Cheney verantwortlich, den Richard Dreyfuss mit bissiger Intensität als verschlagenen Strategen verkörpert. Er ist hier der politische Architekt des Irak-Feldzugs, der bei Bush Junior vor allem deswegen auf offene Ohren trifft, weil Saddam Hussein ein böser Mann ist und er seinen Vater übertreffen kann, wenn er Hussein von der Bildfläche verschwinden lässt. In solchen Momenten scheint eine bittere Dramatik durch, die neben dem wohlwollenden Blick auf den naiven Bush auch entscheidend ist. Wie muss es um das politische System eines Landes bestellt sein, in dem ein naiver Tor die Präsidentschaft erlangt, der schließlich zum Getriebenen seiner Berater sowie seines Minderwertigkeitskomplexes gegen über seinem Vater wird? Wenn eines solche Gestalt einer der mächtigsten Männer der Welt werden kann, dann ist das ebenso beängstigend wie die Vorstellung, Bush Junior habe selbst die fragwürdigen, strategischen Ausrichtungen konzipiert und den Naivling nur schauspielerisch verkörpert. Während Stone den Präsidentschafts-Szenen auf diese Weise bissiges Leben einhauchen kann, fehlen ihm für das vorherige Vater-Sohn-Drama die entscheidenden Bildmomente, die das Geschehen emotional aufladen könnten. Viel mehr als sprechende Menschen in gewöhnlicher Umgebung zeigt er nicht. Einer Verstärkung des Dramas durch eine bildhafte Metaphorik geht Stone konsequent aus dem Weg. Es scheint so, als traue er seinem eigenen Ansatz nicht, mit dem er George W. Bush erklären will.
Bildqualität
Das saubere Bild der DVD weist zumeist eine gute Schärfe auf, die in manchen Szenen aber durch weiche Konturen leidet. Die Farbwiedergabe überzeugt durch eine sehr gute Reproduktion der natürlichen Palette der gewöhnlichen Handlungsorte. Der Kontrast sorgt für ein gelungenes, plastisches Bild. Nennenswerte Rauschmuster treten nicht in Erscheinung.Tonqualität
Die beiden 5.1-Spuren besitzen lediglich bei den Musikeinsätzen oder aber bei Applaus während einer Bush-Rede räumliche Qualitäten. Etwas anderes konnte genrebedingt aber auch nicht erwartet werden. Die Dialoge sind klar und verständlich. Die deutsche Synchronisation wirkt in der Intonation etwas ungelenk.Extras
Die Interviews mit den wichtigsten Darstellern (u.a. Josh Brolin, Elizabeth Banks, James Cromwell, Thandie Newton) und Oliver Stone (Regie) bestehen bei einer zusammengenommen etwa 25minütigen Lauflänge aus kurzen Antwortpassagen, die häufig Marketingcharakter besitzen. Einzig James Cromwell und Thandie Newton erläutern recht knapp ihre Interpretation der jeweiligen Figur, die sie verkörpern. Oliver Stone selbst kommt auch nur mit so kurzen Aussagen zu Wort, dass eine lohnenswerte Betrachtung des Projekts darin nicht möglich ist. Texttafelbio- und filmographien, eine Bildergalerie sowie der Trailer runden das Bonusmaterial ab.Fazit
„W.“ zeichnet George W. Bush als ehrlichen Naivling, der ein Getriebener seines Minderwertigkeitskomplexes gegenüber seinem Vater sowie seiner politischen Berater gewesen ist. Während Stones Blick auf den Menschen W. infolgedessen durch Sympathie geprägt ist, wirkt das politische System, das einen derart ungeeigneten Mann Präsident werden lässt, erschreckend gefährlich.Stefan Dabrock
Originaltitel | W. (USA 2008) |
Länge | 123 Minuten (Pal) |
Studio | Ascot Elite |
Regie | Oliver Stone |
Darsteller | Josh Brolin, Elizabeth Banks, Richard Dreyfuss, James Cromwell, Scott Glenn, u.a. |
Format | 1:2,35 (16:9) |
Ton | DD 5.1 Deutsch, Englisch |
Untertitel | Deutsch |
Extras | Interviews, u.m. |
Preis | ca. 13 EUR |
Bewertung | durchwachsen, technisch gut |