Überfall in den Abgrund

Tödliche Entscheidung

Tödliche EntscheidungGuter Sex und Reichtum sind Andy Hansons Traum eines erfüllten Lebens. Aber seine Realität sieht anders aus. Außerhalb der Urlaubs klappt es mit seiner attraktiven Ehefrau nicht so gut im Bett, das Geld für seinen Drogenkonsum unterschlägt er in der Firma, in der auch sein Bruder Hank arbeitet. Der versucht, seiner Tochter aus geschiedener Ehe ein guter Vater zu sein, und hat eine Affäre mit Andys Frau. Als der Firmenchef eine Wirtschaftsprüfung ankündigt, weiß Andy, dass seine Unterschlagungen ans Licht kommen werden. Deswegen schlägt er seinem Bruder Hank, der Schwierigkeiten hat, die Unterhaltszahlungen für seine Tochter aufzubringen, einen Überfall vor. Das Ziel will Andy aber erst verraten, wenn Hank fest zugesagt hat. Als Hank erfährt, dass es um das Juweliergeschäft der Eltern geht, gibt es kein Zurück mehr.

Ausgebleichte Farben dominieren die Lebenstristesse der beiden Brüder. Sidney Lumet arbeitet mit einem visuellen Stil der vielen Grautöne, welche die Diskrepanz zwischen Lebenstraum und Wirklichkeit im Dasein der Hanson-Brüder machtvoll in Szene setzt. Die öde, farblose Welt legt sich mit erdrückender Dominanz über die Protagonisten. Andy scheint, wie sein Bruder auch, mit seinem gedeckten Anzug in der ähnlich farbigen Kulisse seines Büros unterzugehen. Tödliche EntscheidungLumet inszeniert die beiden Brüder als Getriebene der Verhältnisse, denen sie keine Stärke mehr entgegenzusetzen haben. Sie sind nur noch Marionetten eines Lebens, das sie nicht haben wollen. Der Versuch, das Heft des Handelns wieder in die Hand zu nehmen, um das eigene Schicksal zum Guten zu wenden, findet folglich aus einer absurden Position der Schwäche statt. Konsequenterweise kulminiert die Kette der Fehlentscheidungen, welche die Ausführung des Überfallplans begleitet, in der absoluten Katastrophe mit abgründig-tragischen Konsequenzen. Die Kinder sorgen ohne es zu wollen dafür, dass die eigene Mutter zu Tode kommt, da der Überfall nicht so glatt läuft, wie gedacht. Der Helfer, den Hank engagiert, erweist sich ebenso als Fehlentscheidung, wie Andy seinem Bruder die Ausführung gar nicht hätte zutrauen dürfen. Die Mutter sollte an diesem Tag eigentlich gar nicht im Laden sein. Nacheinander erzählt Lumet die Geschichte aus den verschiedenen Perspektiven der Beteiligten, bis die Ereignisse in der Katastrophe kulminieren. Danach wird die Dramaturgie linear. So entblättert Lumet nach und nach das ganze Ausmaß der Tragödie, die wie die Häute einer Zwiebel immer noch eine weitere Schicht besitzt.

Die depressive Atmosphäre des Anfangs wird immer depressiver und tragischer. Selbst Ereignisse, die einen Hauch von Glück ausstrahlen könnten, besitzen den Geschmack des Untergangs, wie die Schultheateraufführung, in der Hanks Tochter mitspielt. Nach dem Ende der Vorstellung fragt das kleine Mädchen ihren Vater, ob sie an einem Schulausflug teilnehmen könne. Obwohl Hank genau weiß, dass er kaum in der Lage sein wird, das Geld zusammenzubringen, erlaubt er ihr die Teilnahme, um vor der Mutter und den Umstehenden nicht als Versager dazustehen. Im depressiven Umfeld der restlichen Ereignisse besitzt eine solche Szene schon keine Tragik mehr, sie dokumentiert die absolute Hoffnungslosigkeit der Situation, in der sich Hank und Andy befinden. So wie Tödliche Entscheidungschon nach Hanks letztem Wort zweifelsfrei feststeht, dass er sein Versprechen nicht wird halten können, so besitzt „Tödliche Entscheidung“ nur den Weg der Abwärtsspirale. Eine Option auf Besserung oder ein irgendwie geartetes Gegenbild gibt es nicht. Das tut dem Drama nicht gut, da keine Reibungspunkte existieren. Die Tragik kann ihre wirkliche Dimension stets nur dann entfalten, wenn sie einen Bezugspunkt besitzt. „Tödliche Entscheidung“ zeigt jedoch am Boden liegende Charaktere innerhalb einer komplett trostlosen Welt, deren einziger Triumph es ist, den kompletten Untergang wenigstens durch aktive Fehlentscheidungen selbst herbeigeführt zu haben, als nur Getriebene zu sein. Aber ohne einen Kontrast bleibt die Bitterkeit bei aller Inszenierungsqualität letztlich ohne Geschmack.

Bildqualität

Das blitzsaubere Bild besitzt in den ruhigen Szenen eine sehr gute Schärfe mit klarer Konturenzeichnung und detaillierter Darstellung. Sobald sich die Kamera jedoch etwas zügiger bewegt, lässt die Schärfe deutlich nach. Die triste Farbatmosphäre wurde exzellent auf die DVD übertragen. Der Kontrast macht ebenfalls eine gute Figur. Hintergrundrauschen ist immer mal wieder vorhanden, stehende Rauschmuster tauchen ebenfalls auf.

Tonqualität

Die Tonspuren besitzen jeweils klare und verständliche Dialoge, die in einem guten Verhältnis zu den restlichen Geräuschen abgemischt wurden. Dem Dramacharakter des Films entsprechend sorgt vor allem die Musik für eine räumliche Atmosphäre während der intensiven Szenen.

Extras

Der Audiokommentar mit Sidney Lumet (Regie), Philip Seymour Hoffman und Ethan Hawke (beide Darsteller) entwickelt sich zu einem munteren Gespräch, in dem die drei sowohl die Inszenierungsart einzelner Szenen kommentieren, als auch über HD-Technik, die Art des Schauspielens oder Regieführens, Begebenheiten am Set und die restliche Besetzung sprechen. Der Kommentar wirkt nie langweilig und kann seine Informationsqualitäten ausspielen. In dem Beitrag „How the Devil Was Made“ (etwa 25 Minuten) kommen Sidney Lumet sowie die Hauptdarsteller und weitere Stabmitarbeiter zu Wort. Die interessanten Ausführungen über den Tonfall der Geschichte, das Drama der Charaktere, sowie die technische und künstlerische Machart des Films werden an den passenden Stellen durch Filmausschnitte ergänzt, die das Gesagte untermauern. Ein vorbildliches Making Of mit Substanz. Das unkommentierte Material „Behind the Scenes“ (etwa zehn Minuten) hat keinen großen Wert. Trailer sowie ein beiliegendes Filmposter zu „Tödliche Entscheidung“ runden das Bonusmaterial ab.

Fazit

„Tödliche Entscheidung“ scheitert bei aller Inszenierungskunst Sidney Lumets an der depressiven Gleichförmigkeit seines Dramas, das dem Abgrund keine Alternative, und sei es eine nicht erreichbare, an die Seite stellt. Technisch ist die DVD gut, das Bonusmaterial überzeugend.

Stefan Dabrock

   
Originaltitel Before the Devil Knows You're Dead (USA 2007)
Länge 112 Minuten (Pal)
Studio Koch Media
Regie Sidney Lumet
Darsteller Philip Seymour Hoffman, Ethan Hawke, Marisa Tomei, Albert Finney, u.a.
Format 1:1,85 (16:9)
Ton DTS Deutsch, DD 5.1 Deutsch, Englisch
Untertitel Deutsch
Extras Audiokommentar mit Sidney Lumet (Regie), Philip Seymour Hoffman und Ethan Hawke (beide Darsteller), How the Devil Was Made, u.m.
Preis ca. 15 EUR
Bewertung gescheitert, technisch gut