Die Allmacht der Katzen

Tamala 2010 – A Punk Cat in Space

Es gibt Animes und es gibt „Tamala 2010 – A Punk Cat in Space“. Das Werk der Künstler Trees of Life entwirft eine verschachteltes, komplexes Gebilde eigener Art, deren vielfältige Kommentierung gesellschaftlicher Themen fasziniert. Die Sonderstellung entsteht folglich nicht durch revolutionäre Animationstechniken, sondern seinen erzählerischen Ansatz. Wie auch bei anderen Filmen, die hauptsächlich durch die Montage symbolträchtiger Bilder ihre künstlerische Vision entfalten, lässt sich unabhängig von der verschachtelten Präsentation eine halbwegs lineare Geschichte aus den Bilderwelten herausdestillieren. Die kleine Katze Tamala befindet sich auf dem Weg zum Orion, wo sie ihre leibliche Mutter sucht. Das Sternbild des Orion befindet sich aber außerhalb der Feline Galaxie, die Tamala nicht verlassen darf. Den Grund dafür kennt die kleine Katze nicht, weil sie sich ihrer Bedeutung, also ihrer Identität nicht bewusst ist. Tamala ist die Wiedergeburt einer religiösen Ikone des Minerva-Kultes, der zwar als ausgestorben gilt, aber in Gestalt des All-umspannenden Konzerns Catty & Co seinen Einflussbereich immer weiter ausbreitet. Die übergeordneten Mächte sorgen dafür, dass Tamala auf dem Planeten Q landet, dessen gesellschaftliches Leben durch Auseinandersetzungen zwischen Hunden und Katzen geprägt ist. Es herrscht nur eine gespannte Ruhe. Dort trifft Tamala den Kater Michelangelo, mit dem sie ein paar Tage verbringt. Dabei streifen die beiden über den Planeten. Währenddessen spitzt sich die Situation immer weiter zu, so dass die politische Führung der Hunde in Bedrängnis gerät. Der Weg für Catty & Co scheint frei zu sein.

Die tatsächliche Erzählung des Films ist deutlich weniger linear, weil die Erlebnisse Tamalas keinem erkennbaren Ziel mehr folgen, sobald sie sich nicht mehr auf direktem Weg zum Orion befindet. Auf dem Planeten Q stolpert sie von Situation zu Situation, ohne dass es zwischen den einzelnen Szenerien eine physische Verbindung im Sinne einer Dramaturgie gäbe. Stattdessen weht ein einheitlicher Geist durch die Bilderwelten, welche mal niedlich-süß und mal erschreckend aussehen. So unterschiedlich die Anspielungen und Zitate von Kubrick bis zur Religion auch sind, so einheitlich ist der erkennbare Wille der Künstler Trees of Life, eine umfassende Gesellschaftsdystopie zu zeichnen. In der Welt Tamalas ist der wirtschaftliche Großkonzern Catty & Co an die Stelle religiöser Systeme getreten. Spirituelle Empfindungen finden nur noch einen pervertierten Ausdruck in der Anhängerschaft zu den Waren des Wirtschaftsunternehmens. Während die Kritik am ungezügelten Kapitalismus insofern auf der Hand liegt, unterwandert „Tamala 2010 – A Punk Cat in Space“ simple Deutungen mit einseitigen Stoßrichtungen. Die Manipulation der Bevölkerung mit Hilfe einer Machtübernahme beim Briefverkehr – im Laufe der Zeit haben sich die Kommunikationsstrukturen und damit die Kontrolle des Minerva-Kultes/Catty & Co natürlich verändert - begann bereits zu Minerva-Kult-Zeiten, als es sich noch nicht um ein Wirtschaftsunternehmen handelte. Die institutionalisierte Religion verfolgt danach ebenfalls wenig spirituelle Ziele. Insofern geht es den Machern Trees of Life nicht nur um konkrete Angriffe auf Fehlentwicklungen, die in unserer globalisierten Wirtschaftswelt immer deutlicher werden, sondern es geht ihnen auch um eine Analyse der Strukturen dahinter. Dazu zählen nicht nur die Machtmechanismen – hier beispielhaft durch die Beherrschung der Kommunikationswege verkörpert -, sondern auch Geisteshaltungen auf seiten der Bevölkerung, die willig und unreflektiert die Fehlentwicklungen mitträgt.

Tamala selbst ist in diesem Sinne eine vielschichtige Ikone, die sowohl religiösen Wahn, psychologische Manipulation durch Corporate Identity – hier noch einmal durch den Niedlichkeitsfaktor Tamalas verdoppelt – und die pervertierte Fixierung auf optische Reize reflektiert. Gleichzeitig stellt sich wiederum die Frage, inwieweit das planetenweit verabreichte Sedativ Catty & Co zur Befriedung beiträgt, indem es die Bevölkerung ruhig stellt. Insofern verweigert sich „Tamala 2010 – A Punk Cat in Space“ einer klaren und einfachen Deutung. Stattdessen wirft die wilde Montage absurder Szenerien – ein Dreimaster im Weltall, Malereien mit Katzenfolterungen und – Kreuzigungen – Fragen zu gesellschaftlichen Themen, psychologischen Abgründen und der Realitätswahrnehmung auf. Denn immer wieder sind Bilder eines Stadtmolochs zu sehen, der nahe legt, dass diese trostlose Agglomeration die Realität darstellt und es sich bei Tamalas Welt nur um eine sich immer weiter krebsartig ausdehnende Welt manipulativer Ruhigstellung handelt. Die Kinder scheinen noch eine Ahnung davon zu haben, wenn sie von einem seltsamen Roboter und dessen Herrschaft träumen.

Bildqualität

Wie bei einem Animationsfilm nicht anders zu erwarten ist die Bildqualität natürlich exzellent. Alles ist gestochen scharf, sofern es gestochen scharf sein soll. Defekte oder Dreckspuren gibt es nicht. Auch Rauschmuster treten nicht auf. Der Kontrast ist sehr gut. Die Farbwiedergabe entspricht bei den farbigen Szenen – weite Teile des Films sind Schwarzweiß – ebenfalls dem visuellen Konzept der Macher.

Tonqualität

Die beiden 5.1-Spuren liefern klar verständliche Dialoge ohne störendes Rauschen. Für die räumliche Atmosphäre ist vor allem die Musik verantwortlich, welche mit klarer Qualität aus den Lautsprechern ertönt. Darüber hinaus halten sich räumliche Effekte eher in Grenzen.

Extras

Das Bonusmaterial besteht aus drei Musikvideos mit Stücken aus dem Films, einem unbrauchbaren vierminütigen Beitrag zur 3D-Animation des Stadtmoloch, der nur ein paar Vorzeichnungen sowie ein paar Kamerafahrten durch die fertige Stadtlandschaft präsentiert, und dem Trailer.

Fazit

„Tamala 2010 – A Punk Cat in Space“ ist eine vielschichtige Dystopie im Gewand eines Animes, die über psychologische wie gesellschaftliche Fragen in Form einer komplexen Montage reflektiert. Technisch ist die DVD sehr gut.

Stefan Dabrock

   
Originaltitel Tamala 2010 - A Punk Cat in Space (Japan 2003)
Länge 90 Minuten (Pal)
Studio Rapid Eye Movies
Regie t.o.L. aka. Trees of Life
Darsteller Mit den Stimmen von Hisayo Mochizuki, Shinji Takeda, Béatrice Dalle, u.a.
Format 1:1,85 (16:9)
Ton DD 5.1 Deutsch, Japanisch
Untertitel Deutsch
Extras Musikvideos, 3D-Animationen, Trailer
Preis ca. 21 EUR
Bewertung sehr gut, technisch sehr gut