Im Hongkong-Film geht es gerne tragisch aus. Das mag an einer Vorliebe für theatralische, pathetisch inszenierte Schicksale liegen, welche im tragischen Ende ihre volle Kraft entfalten können. Daniel Chan orientiert sich an dieser Tradition, entfernt aber den Pathos, so dass sein Werk ein existentialistisches Drama erzählt. Die Hauptfigur ist ein naiver Bursche, der sich von seinem besten Freund dazu überreden lässt, in Gangsterkreise einzutreten. Sein Triadendasein läuft sehr zufriedenstellend, so lange das Geld ohne besondere Komplikationen sprudelt. Als der Neuling aber mit ansehen muss, wie sein Freund im Dienste des Verbrechens einen Mord begeht, möchte er aussteigen. Die Strafe dafür wäre der eigene Tod, denn einen anderen Kündigungsgrund akzeptiert der Gangsterboss nicht. Nach einem tödlichen Unfall seiner Ehefrau gerät der Neuling aber in einen Abwärtsstrudel aus Drogen und Gewalt, der eine Exekution durch seinen Boss verhindert.
An einer linearen Inszenierung der Geschichte ist Daniel Chan nicht interessiert, da er sein existentialistisches Drama auch formal als Aufeinanderprall von Vergangenheit und Zukunftslosigkeit energetisch aufladen möchte. So laufen die fatalen Ereignisse der Vergangenheit und die Gegenwart, welche als Reflexion der Vergangenheit bezeichnet wird, zielstrebig aufeinander zu, bis sie sich an einem Punkt treffen, an dem das Drama endgültig seinen deprimierenden Charakter zur Vollendung bringt. Intellektuell lässt sich „Slow Fade“ insofern als finstere Analyse der konsequenten Bewegung verschiedener Lebensbereiche lesen, welche das ihr zugeordnete Individuum zu zerquetschen drohen, wenn die fatalen Entscheidungen der Vergangenheit ein höheres Tempo aufnehmen als die Rettungsversuche der Gegenwart. Chan reflektiert über die Endgültigkeit bestimmter Lebensentscheidungen, deren machtvoller Einfluss alles weitere mitbestimmt. Das Leben ist danach kein langsamer Fluss, der sich beliebig umlenken lässt, sondern steht unter der ständigen Kontrolle durchgeführter Handlungen, an deren Auswirkungen Daniel Chan interessiert ist. Diese Energie will er in Bilder gießen, deren kinematographischen Qualitäten über jeden Zweifel erhaben sind. Die Kamera fängt detailliert gestaltete Szenerien eines nächtlichen Hongkong ein, die das finstere Treiben unterstützen. Chans Wille, jeglichen Pathos aus seiner Inszenierung zu entfernen, führt ihn jedoch in die Falle mangelnder Emotionalität. Zwei Schlüsselszenen des Dramas – der Mord im Dienste des Verbrechens und der tödliche Unfall der Ehefrau – leiden darunter. Beide wirken vergleichsweise nüchtern, was im Falle der Ehefrau noch dadurch verstärkt wird, dass sie als menschliches Wesen innerhalb der Handlung belanglos bleibt. Sie ist zu stark als Mittel zum Zweck erkennbar und deswegen bleibt ihr Ableben für die emotionale Wirkung des Dramas ohne Bedeutung. Das Intellektuelle schiebt sich in den Vordergrund, weil Chan auch bei Schlüsselszenen eine etwas pathetischere Inszenierung scheut. Das ist selbst für ein existentialistisches Drama, welches naturgemäß stärker den Kopf anspricht, etwas zu wenig.
Bildqualität
Asian Film Network spricht von einer neuen Abtastung des Films. Das Ergebnis siedelt sich in einem noch brauchbaren Durchschnittsbereich an. Bilddefekte oder Verschmutzungen treten nicht sonderlich in Erscheinung, dafür ist die Schärfe oftmals nur angenehm. Die Konturen sind etwas zu weich, der Detailreichtum könnte höher sein. Die Farbwiedergabe überzeugt durch kräftige Töne in den Nachtaufnahmen und durch eine kongeniale Darstellung der blasseren Ästhetik bei den Tagaufnahmen. In Bewegungen kommt es zu leichten Nachzieheffekten, Blockrauschen und stehenden Rauschmustern.Tonqualität
Der 2.0-Ton in kantonesischer Sprache kommt ohne störendes Rauschen mit klar verständlichen Dialogen daher. Die Musik entfaltet sich wirkungsvoll in den vorderen Lautsprechern. Wer es unbedingt möchte, kann sich auch einen deutschen 5.1-Upmix anhören, muss dann aber ein Grundrauschen in Kauf nehmen.Extras
Bonusmaterial existiert nicht.Fazit
„Slow Fade“ gefällt sich in seiner Rolle als existentialistisches Drama, dessen formale Konstruktion durchaus zu überzeugen weiß, darüber jedoch die emotionale Seite zu stark vernachlässigt. Technisch ist die DVD im unteren Durchschnitt anzusiedeln.Stefan Dabrock
Originaltitel | Wu jian lucheng (Hongkong 1999) |
Länge | 88 Minuten (Pal) |
Studio | Asian Film Network |
Regie | Daniel Chan |
Darsteller | Ken Wong, Josie Ho, Jimmy Wong, Roy Cheung, u.a. |
Format | 1:1,78 (4:3) |
Ton | DD 5.1 Deutsch, DD 2.0 Kantonesisch |
Untertitel | Deutsch |
Extras | - |
Preis | ca. 10 EUR |
Bewertung | durchschnittlich, technisch unterer Durchschnitt |