Melo-Musical

Singapur Queens


Singapur QueensIn seinem dritten Spielfilm nach „15: The Movie“ und „4:30“ widmet sich der aus Singapur stammende Filmemacher Royston Tan der Getai-Tradition, die in dieser Form in Singapur sowie Malaysia gepflegt wird. Auf diversen, in der ganzen Stadt extra aufgebauten Bühnen treten während des Geister-Festivals Getai-Sänger auf. Das Festival findet im siebten Mondmonat des chinesischen Kalenders statt, wobei dem 15. des Monats – dem Geister-Tag – die zentrale Bedeutung zukommt. Da der chinesische Mondkalender nicht synchron zu unser Monatsaufteilung verläuft, schwankt seine Lage zwischen August und September. Während das Festival selbst eine allgemeine chinesische Tradition zu Ehren der Geister ist, die in dieser Zeit die Lebenden besuchen, darunter befinden sich auch die Geister naher Verwandter, ist die Getai-Tradition eine Spezialität in Singapur und Malaysia. Dort treten Sänger auf, die Lieder mit süßlichen Melodien vortragen, um die Geister sowie die Lebenden zu unterhalten. Die Texte der Lieder haben oft einen schwermütigen Charakter, da sie sich häufig mit schwierigen Lebenslagen beschäftigen. Prostituierte und Bettler sind zwei Beispiele für die textlichen Protagonisten der Lieder.

Tan erzählt die Geschichte zweier Frauen, die innerhalb der Getai-Szene aufsteigen. Als Papaya-Sisters werden sie erfolgreich, nachdem Tante Ling die beiden zu ihrer Schwester gebracht hat, der Getai-Königin. Durch einen Zauber haben die Papaya-Sisters neue Stimmen erhalten, mit denen sie das Publikum betören können. Ein paar Regeln müssen sie aber einhalten, um den Pakt zwischen ihnen und der Getai-Königin zu erfüllen. Darunter ist auch das strikte Verbot, einen Mann zu lieben. Der taubstumme Sohn Tante Lings fährt die immer erfolgreicheren Papaya-Sisters innerhalb der kurzen Saison von einem Auftritt zum anderen, denn gute Stimmen alleine machen noch keinen Getai-Star. Die Zahl der Bühnen, auf denen die beiden auftreten, wird zu einem zentralen Teil ihres Künstler-Lebens. Mit den Durian-Schwestern steht bereits erbitterte Konkurrenz um die begrenzten Bühnen bereit. Während sich die beiden Schwesternpaare bekämpfen, verliebt sich der taubstumme Sohn Tante Lings in seine beiden Fahrgäste, die nach dem Pakt mit der Getai-Königin aber keine Männer lieben dürfen.

Royston Tan, der nach eigener Aussage selbst eine enge Beziehung zur Getai-Tradition besitzt, da sie ein wesentliches Unterhaltungsprogramm seiner Jugend war, hat eine Hommage an die vielen Sängerinnen und Sänger gedreht. Dabei huldigt er vor allem auch dem 2006 verstorbenen Getai-Star Chen Jin Lang. Die eingängigen, extrem emotionalen Melodien stehen im Verbund mit den visuell ausgefeilten Auftritten im Vordergrund. Die Kostüme der Papaya-Sisters präsentieren eine optische Extravaganz nach der anderen. Der Film zelebriert seine Hommage an die Getai-Tradition und erzeugt gleichzeitig eine Atmosphäre der überbordenden Singapur QueensSchönheit, die im Kontrast zum Schwermut der Texte steht. Ein jeder Getai-Auftritt wird dadurch bereits zu einem in sich geschlossenen eigenen Melodram widerstreitender Pole aus Leid, Hoffnung und der ausgefeilten Show-Kostümierung, die einen von den Alltagssorgen ablenkenden, eskapistischen Charakter besitzt. Die Struktur der einzelnen Auftritte reflektiert Tan wiederum in der Erzählung, die eine lange Zeit durch die bunten Kostüme sowie den Erfolg der Papaya-Sisters dominiert wird, bis das schon zu Anfang angekündigte, aber fast in Vergessenheit geratene Melodram mit aller Macht zuschlägt. Dazwischen tauchen ebenfalls immer Elemente der weniger süßen Realität auf, wenn es beispielsweise zu Streitereien im Auto auf der Fahrt von einer zur anderen Getai-Bühne kommt. Sie treten angesichts des sonstigen Augenschmauses aber in den Hintergrund. Tans geschickte Überwältigungsstrategie sorgt dafür, dass die tragische Wendung am Ende zwar unerwartet aber nicht unvorbereitet herein bricht. Dadurch gelingt es ihm die emotionale Wirkung zu steigern. Gleichzeitig reflektiert er auch über die Wahrnehmung des Menschen, der sich nur allzu gerne vom visuellen Rausch ablenken lässt, um die traurigen Seiten nicht zu sehen. Deswegen ist „Singapur Queens“ einen ebenso emotionales wie intelligentes Melodram.

Bildqualität

Das saubere Bild der DVD weist über weite Strecken eine gute Schärfe auf, die lediglich bei Totalen sowie reduzierten Lichtverhältnissen etwas schwächer ausfällt, so dass die Konturen weich wirken. Die bunten Farben kommen mit ihren kräftigen Tönen sehr gut zur Geltung, der ausgewogene Kontrast unterstützt die farbenfrohe Szenerie auf wirkungsvolle Weise. Nur selten macht sich ein leichtes Hintergrundrauschen bemerkbar, sonstige Rauschmuster treten nicht in Erscheinung.

Tonqualität

Der 5.1-Ton nutzt vor allem die vorderen Lautsprecher souverän aus, so dass sich eine breite Klangkulisse ergibt. Bei der Musik, die auch in der deutschen Fassung natürlich im Original belassen und deutsch untertitelt wurde, kommen auch die hinteren Lautsprecher zum Einsatz. Die Dialoge sind klar und verständlich.

Extras

Singapur QueensDas etwa 20minütige Making Of besteht aus der üblichen Mischung einzelner Filmszenen und Interviewschnipseln verschiedener Mitglieder des Filmstabs. Darin erzählt Regisseur Royston Tan ein wenig über seine Beziehung zur Getai-Tradition sowie seine Intention zu „Singapur Queens“. Während das in einigen Passagen interessant ist, liefern die Darsteller fast nur Inhaltsangabenteile mit geringem Informationswert. Ganz witzig ist die Anekdote einer professionellen Getai-Sängerin, die von einem Auftritts-Abend erzählt, an dem Regisseur Royston Tan sie zu Recherchezwecken begleitet hat. Als Bonus-CD ist erfreulicherweise der ausgezeichnete Filmsoundtrack dabei. Der Trailer rundet das Bonusmaterial ab.

Fazit

Regisseur Royston Tan bündelt die melodramatischen Qualitäten der Getai-Tradition in einer emotional beeindruckenden Geschichte. Die bunten, eskapistischen Kostüme reflektieren dabei über die Sehnsucht des Menschen nach dem Schönen, die gerade auch in Zeiten des Leids ihren Platz reklamiert. Technisch ist die DVD gut.

Stefan Dabrock

   
Originaltitel 881 (Singapur 2007)
Länge 105 Minuten (Pal)
Studio Sunfilm
Regie Royston Tan
Darsteller Yuwu Qi, Mindee Ong, Yann Yann Yeo, Ling Ling Liu, May Wan Teh, Choy Wan Teh, u.a.
Format 1:1,85 (16:9)
Ton DD 5.1 Deutsch, mehrsprachige Originalfassung (Hokkien, Mandarin, Englisch, Kantonesisch)
Untertitel Deutsch
Extras Bonus-CD des Soundtracks,Making Of, Trailer
Preis ca. 13 EUR
Bewertung gut, technisch gut