Kampf und Tragödie

Shadow Boxing – Tödliche Schatten

Russisches Kino besitzt in Deutschland keinen besonderen Stellenwert. Kaum ein Film erreicht die heimischen Leinwände – „Wächter der Nacht“ war einer der seltenen Fälle, in denen doch einmal eine Kinoauswertung stattfand. Umso wichtiger ist das Medium DVD für diejenigen, die den Blick in weniger beachtete Filmländer wagen wollen. Sunfilm veröffentlichte dieser Tage den als Actionthriller vermarkteten „Shadow Boxing“, Legend Films legt im September mit der Kaufversion von „Velvet Revolution“ nach (als Leih-DVD liegt der Titel bereits vor). „Shadow Boxing“ beginnt mit dem Kampf des Jahres in der russischen Hauptstadt. Der heimische Artiom fordert den amerikanischen Boxweltmeister Larry Palmer heraus. Nachdem Artiom einen schweren Treffer hinnehmen muss, verliert er nicht nur den Kampf, sondern auch sein Augenlicht. Während ihn sein Förderer, ein Millionär mit zwielichtigen Kontakten zur Drogenszene, einfach fallen lässt, fühlt sich die junge, angehende Ärztin Vika für den Erblindeten verantwortlich. Sie hatte bei der notwendigen Voruntersuchung Risse in Artioms Netzhaut festgestellt, den Umstand jedoch geheim gehalten. Als sie versucht, das für die Augenoperation notwendige Geld aufzutreiben, wird sie Zeugin eines Mordes und muss zusammen mit ihrem kleinen Bruder Kostja, sowie Artiom vor den Schergen des bösen Drahtziehers fliehen. „Shadow Boxing“ besitzt alles, was ein großer Film benötigt – eine Liebesgeschichte, böse Buben, die es auf die Helden des Films abgesehen haben, zwielichtige Polizisten und am wichtigsten einen jungen Menschen, der von seinem Ersatzvater kalt lächelnd im Stich gelassen wird. Das letzte Element könnte den Film in wunderbare Tragödienhöhen versetzen, allein Alexei Sidorov ist daran entweder nicht interessiert oder ein schlechter Drehbuchautor und Regisseur. Beide Beteiligten, sowohl der millionenschwere Ersatzvater, als auch der hoffnungsvolle Boxer, nehmen es fast ungerührt zur Kenntnis, das ihre Beziehung nun in Feindschaft endet. Ein inneres Drama quält keinen von beiden. Der Millionär gibt reglos seine kühlen Anweisungen, der Boxer nimmt zwar den Kampf auf, aber ohne dass die Inszenierung eine gebrochene Verbindung zwischen den beiden inszenieren würde. Ein direkter Kampf wird nicht spürbar. Übrig bleibt eine Geschichte über drei Menschen, die sich auf der Flucht befinden. Das trägt den Film aber nur in durchschnittliche Gefilde, da die „Action, die dich umhaut“ (so ein Werbespruch auf dem DVD-Cover) nicht zu finden ist. Eine Verfolgungsjagd zwischen einem der Bösen und einem Taxi, indem der erblindete Boxer sitzt, ist eher ruhig inszeniert, andere regelrechte Action-Sequenzen tauchen kaum auf. Die wenigen inszenatorischen Highlights, die der Film durchaus besitzt, bleiben nur Einzelstücke. Sehenswert ist beispielsweise der Boxkampf zu Beginn des Films und ganz besonders hübsch ist eine Parallelmontage zwischen einem Überfall des blinden Boxers auf zwei Boten, die einen Geldautomat auffüllen wollen, sowie der Flucht Vikas vor einem Killer durch die Kulissenräume eines Theaters. Sidorov arbeitet hier mit einem in Zeitlupe zerspringenden Spiegel, in dessen Splitter sich Teile der Szenerie spiegeln, während der Boxer durch eine Glasscheibe springt. Hätte Sidorov mehr solcher inszenatorischen Idee eingesetzt, um innere Beziehungen zwischen den Handlungsträgern zu verdeutlichen, hätte aus „Shadow Boxing“ ein sehr guter Film werden können. So gibt es nur ein paar Juwelen ohne Verbindungen und einen soliden Thriller.

Bildqualität

bildDas Bild der DVD ist etwas besser geraten als der Film. Verschmutzungen oder defekte sucht man bei der aktuellen Produktion vergeblich. Die Schärfe ist durchaus in Ordnung, weist aber leichte Schwächen bei Details und Konturen auf. Die Farbwiedergabe ist sehr gut geworden, der Kontrast ist in manchen Szenen jedoch etwas gewöhnungsbedürftig, indem es zu einem Überstrahlen heller Flächen kommt. Das kann aber auch am gefilmten Material selbst liegen. Rauschmuster sucht man vergeblich.

Tonqualität

Der 5.1-Ton bietet eine solide räumliche Kulisse, bei der vor allem die Musik die hinteren Boxen beschäftigt. In den wenigen Actionszenen hätte man sich etwas mehr Dynamik und Effekte gewünscht. Die Dialoge sind klar und verständlich. Rauschen gibt es nicht.

Extras

Der 16minütige „Behind the scenes“-Beitrag ist nicht nur bereits nach drei Minuten als uninteressante, reines Marketingprodukt erkennbar, sondern nervt auch durch sich wiederholende Teaser. Der Trailer rundet das Bonusmaterial ab.

Fazit

Regisseur Alexei Sidorov gelingt mit „Shadow Boxing“ ein solider Thriller, der seine Auf-der-Flucht-Geschichte durch ein paar inszenatorische Highlights würzt. Letztere ergeben jedoch kein stimmiges Gesamtbild, so dass der Film nicht über den Durchschnitt hinaus kommt. Technisch ist die guter Durchschnitt, das Bonusmaterial hat keinen Wert.

Stefan Dabrock

   
Originaltitel Boy s tenyu (Russland 2005)
Länge 127 Minuten (Pal)
Studio Sunfilm
Regie Alexei Sidorov
Darsteller Denis Nikiforov, Elena Panova, Andrey Panin, u.a.
Format 1:1,85 (16:9)
Ton 1:1,85 (16:9)
Untertitel Deutsch
Extras Behind the scenes, Trailer
Preis ca. 20 EUR
Bewertung durchschnittlich, technisch guter Durchschnitt