Weltraum für alle

Science Fiction Special-Edition

"Der schweigende Stern": "Ein Raumschiff mit internationaler Besatzung unternimmt 1970 eine Expedition zur Venus. Der Grund - eine 1908 in der Wüste Gobi niedergegangene kosmische Spule, die von diesem Planeten stammte. Es gelingt, den Inhalt der Spule zu entschlüsseln. Dieser offenbart einen fehlgeschlagenen Angriff der Venusbewohner auf die Erde. Schließlich auf der Venus, erwartet die Besatzung eine gigantische Vernichtungsmaschinerie, die außer Kontrolle geraten zu sein scheint" (Icestorm).
"Der schweigende Stern" ist einer der großen Klassiker des DEFA-Science-Fiction-Films nach dem eindringlichen Roman "Planet des Todes" des Visionärs Stanislaw Lem. Im Vordergrund der mit Hilfe menschlicher Dramen erzählten Geschichte - die Eltern des japanischen Besatzungsmitglieds starben durch die Hiroshima-Bombe - steht die internationale Zusammenarbeit. Selbst der amerikanische Wissenschaftler kann sich gegen den Widerstand im eigenen Kreis durchsetzen, um bei der russisch geleiteten Mission mitzufliegen. Im Kontext des Films haben die Russen den technologischen Wettlauf gewonnen und sind vor den Amerikanern mit einer Rakete startklar. Die schaurige Entdeckung auf der Venus reflektiert in direkter Weise die Gefahren des Atomzeitalters, das auch heute noch nicht vorüber ist.

"Eolomea": "Acht Raumschiffe sind spurlos verschwunden, die Verbindung zur Orbitalstation ‚Margot' ist abgebrochen. Maria Scholl, Leiterin der Station ‚Erde-Zentrum', beruft eine Konferenz ein, auf der sie mit Prof. Olo Tal aneinander gerät, der ihr was zu verschweigen hat. Ein absolutes Flugverbot wird verhängt. Der Lotse Kun und der Kosmonaut Dan verrichten unterdessen auf einem Asteroiden ihren Dienst. Kuns Sohn ist in einem der Raumschiffe" (Icestorm).
Der dramaturgische Aufbau von "Eolomea" besitzt teilweise fast experimentelle Züge. Im Laufe der dramatischen Ereignisse um die Suche nach den verschwundenen Raumschiffen werden immer wieder Szenen eines Treffens zwischen Maria und Dan eingeschnitten, das in der Vergangenheit auf der Erde statt gefunden hat. Maria und Dan haben sich damals lieben gelernt. Dabei bleibt aufgrund des irrealen Settings einer vulkanischen Insel unklar, ob es sich lediglich um eine romantische Projektion der beiden Menschen handelt oder ob das Treffen wirklich stattgefunden hat. Gegen Ende des Films löst sich der Handlungsablauf einzelner Szenen soweit auf, dass ihre zeitliche Einordnung nur noch schwer möglich ist. Dies führt unabhängig von der Frage, ob der erzielte Effekt Absicht war oder nicht, zu einer Zeitlosigkeit des geschilderten utopischen Aufbruchs in Richtung des sagenumwobenen Planeten Eolomea. Regisseur Herrmann Zschoche verdichtet die romantische Idee der Entdeckung ferner Zivilisationen mit der Romantik einer Liebesbeziehung und entwickelt daraus ein Geflecht faszinierender Gefühlslagen, an dessen Ende sich die Utopie des Aufbruchs als höheres Ziel durchsetzt.

"Im Staub der Sterne": Die Bewohner des Planeten Cynro haben einen Hilferuf vom Planeten TEM 4 empfangen. "Doch das Raumschiff …, das zur Hilfe ausgesandt wurde, findet keine Hinweise, die auf eine Notsituation schließen lassen. Im Gegenteil: Der Herrscher des Planeten gibt für seine Gäste ein rauschendes Fest. Was die Besatzung nicht weiß, er manipuliert dabei ihr Bewusstsein. Nur der an Bord gebliebene Navigator Suko schöpft Verdacht und versucht schließlich auf eigene Faust, das Geheimnis von TEM 4 zu entschlüsseln. Dabei macht er eine furchtbare Entdeckung" (Icestorm).
"Im Staub der Sterne" ist als eindeutiges Kind der 70er Jahre das absurdeste Werk der drei enthaltenen Science-Fiction-Filme. Die Cynro-Raumschiff-Besatzung wechselt ihre engen Overalls schneller als andere Leute die Unterhosen und die Bewohner von TEM 4 unterhalten einen Sicherheitsdienst, dessen Männer in kurzen Lackhöschen und Lackoberteilen mit Netzhemdenärmeln bekleidet sind. Das rauschende Fest, das für die Cynro-Raumschiff-Besatzung gegeben wird, macht teilweise auch den Eindruck, als sei das Drehbuch mit Hilfe berauschender Substanzen entstanden. Eine Deutung des Werkes fällt schwer, denn das hier gegen konformistische Ideale und Unterdrückung zu Felde gezogen wird, scheint aus falschem Blickwinkel überinterpretiert. Vielmehr handelt es sich um einen Unterhaltungsfilm, der eine einfache Geschichte für seine ausgelassenen Ideen und hübschen Bildarrangements nutzt. Dabei geben sich absurde Figuren, wie der TEM 4-Soldat Ronk oder dessen Kommandant, der völlig debil auf einer lichterbesetzten Orgel Musikstücke spielt, die Klinke in die Hand. Ein Muss!

Bildqualität

Die Bildqualität der drei Filme fällt sehr ähnlich aus. Das zugrunde liegende Material hat leider über die Zeit hinweg gelitten, so dass Verschmutzungen und Bildpunkte immer wieder auftreten. Insgesamt wirkt das Bild recht matschig, da die Schärfe nur mittelmäßig ist, was vor allem bei der Konturenschärfe auffällt. Über die gesamte Lauflänge sind Rauschmuster zu sehen. "Im Staub der Sterne" schneidet von den drei Filmen in diesen Punkten am besten ab, so dass er das schärfste Bild und die wenigsten Rauschmuster besitzt. Sehr gut ist bei allen Filmen die Farbpalette, die über weite Strecken sehr kräftig ausgefallen ist und auch den blassen Look der vielen Wüstenaufnahmen sehr gut wiedergibt. Insgesamt ist das Bild unter Berücksichtigung des Alters und seiner Produktionsbedingungen in Ordnung.

Tonqualität

Der Ton ist gut verständlich und kommt weitgehend rauschfrei aus. Sein großes Plus hat er bei der Musikwiedergabe, die volles atmosphärisches Potential entfalten kann.

Extras

Jede der drei DVDs enthält Bonusmaterial. Die DVD, welche "Der schweigende Stern" enthält, besitzt kurze Berichte wie die des "Agenzeugen", einer Art DDR-Wochenschau. In "Britische Filmemacher besuchen die DEFA" sieht man ein paar kommentierte Aufnahme unter anderem von den Dreharbeiten zu "Der schweigende Stern" und "Eine Rakete in der sowjetischen Zone" befasst sich mit einem angeblichen Raketenabsturz, der in der Berichterstattung des "Augenzeugen" Teil der Dreharbeiten zu "Der schweigende Stern" gewesen ist.
Daneben enthält die DVD den interessanten Textbeitrag "Sozialisten im All", der die Produktionsgeschichte des Films "Der schweigende Stern" auch vor der politischen Dimension des kalten Krieges beleuchtet. Eine sehr hübsche Galerie mit Szenenbildentwürfen sowie Bio- und Filmographien zur Crew runden die DVD ab.

Die "Eolomea"-DVD enthält die 20minütige Dokumentation "Kosmonautenträume - Made in Babelsberg", in der sich die Kostümbildnerin Barbara Baumann, der Kameramann Kurt Marks sowie der Filmtechniker Jan-Peter Schmarje an die Produktion des Films erinnern. Dabei liefern Schmarje und Marks sehr interessante Informationen zu verwendeten Tricktechnik, während Baumann die damalige Arbeitsweise in Verbindung mit Regisseur und Darstellern erläutert. Zwischen die Interviewaufnahmen wurden immer wieder Filmausschnitte gelegt.
Ein "Essay über die Musik der Scinece-Fiction-Filme" in Texttafelform setzt sich intensiv mit den Klangkollagen der Filmen auseinander und beleuchtet das Spannungsfeld zwischen der Zukunftsvision eines Science-Fiction-Films, die unter anderem durch irdisches Können wie musikalische Untermalung erreicht werden soll.
Eine Bildergalerie sowie Texttafelbio- und filmographien zu den Beteiligten des Projektes runden die DVD ab.

Die DVD "Im Staub der Sterne" enthält den 15minütigen Film "Staubwischen nach 30 Jahren - Kameramann Peter Süring erinnert sich". Darin handelt Süring verschiedene Themen ab. Unter anderem erzählt er etwas über die Drehorte in Rumänien sowie in einem Salzbergwerk und widmet sich den thematischen Aspekten des Films sowie einiger technischer Bedingungen beim Dreh. Den dramaturgischen Wert des Nackttanzes eines weiblichen Crewmitglieds kann er jedoch auch nicht erläutern.
Das Texttafel-"Essay über die Science-Fiction-Literatur der DDR" liefert einen interessanten Überblick zur Gattung der Phantastischen Literatur in der DDR. Eine Bildergalerie, Texttafelbio- und Filmographien sowie Trailer zu den drei Werken der Box "Der schweigende Stern", "Eolomea" und "Im Staub der Sterne" runden die DVD ab.

Zusätzlich enthält das Box-Set als sehr schöne Dreingabe eine Audio-CD mit Filmmusik aus "Im Staub der Sterne" und "Eolomea". Dabei handelt es sich um Auszüge aus der CD "Kosmos - Soundtracks of Eastern Germany's Adventures in Space" die Musik zu weiteren Weltraumabenteuern der DEFA enthält.

Fazit

Die Icestorm-Box liefert einen faszinierenden Einblick in das rar gesäte Genre des DEFA-Science-Fiction-Films, das laut in der Box enthaltenem Essay nur sieben Filme umfasst. Alle drei Werke können auf ihre jeweilige Art überzeugen und widmen sich positiven sowie negativen Utopien. Technisch ist die Box nur mittelmäßig, weil die Zeit das Ausgangsmaterial leider in Mitleidenschaft gezogen hat. Dennoch ist das Ergebnis unter der Berücksichtigung von Filmalter und Produktionsumständen in Ordnung. Gleichzeitig stellt die Veröffentlichung einen wesentlichen Beitrag zur kulturgeschichtlichen Aufarbeitung dar. Das beweist auch das sehr gute Bonusmaterial.

Stefan Dabrock

   
Originaltitel Der schweigende Stern (Milczaca gwiazada) / Eolomea / Im Staub der Sterne (1960 / 1972 / 1976)
Länge 95 / 79 / 95 Minuten (NTSC)
Studio Icestorm
Regie Kurt Maetzig / Herrmann Zschoche / Gottfried Kolditz
Darsteller Yoko Tani, Oldrich Lukes, Ignacy Machowski, u.a. / Cox Habbema, Ivan Andonov, Rolf Hoppe, u.a. / Alfred Struwe, Jana Brejchová, Violeta Andrei, u.a.
Format 1:2,35 (16:9) / 1:2,35 (16:9) / 1:1,85 (16:9)
Ton DD 2.0 Mono Deutsch
Untertitel Englisch
Extras Dokumentation Kosmonautenträume - Made in Babelsberg, Trailer, u.m.
Preis ca. 30 EUR
Bewertung gut