Ewiger Bruderkampf
Romulus und Remus
Die Sage um die Gründung der ewigen Stadt Rom gehört zu den schönsten Mythen des Altertums, da sie grundlegende menschliche Konflikte in einen epischen Rahmen gießt. Sie erzählt die Geschichte der Zwillingsbrüder Romulus und Remus, die als Söhne der Rhea Silva geboren werden – ein Geschenk des Kriegsgottes Mars an die zur Kinderlosigkeit verdammten Frau. Amulius, der Bruder des derzeitigen Herrschers von Alba Longa und Onkel Rhea Silvas, fürchtet um seine Thronchancen. Kurzerhand tötet er seinen Bruder und lässt die Zwillinge im Sumpfgebiet vor der Stadt aussetzen – in der Filmversion ist es die Mutter Rhea Silva selbst, die ihre Kinder durch Aussetzung am Tiber vor dem Tod bewahrt. Dort werden die Säuglinge durch eine Wölfin gefunden und aufgezogen, bis ein Schäfer die beiden entdeckt. In ländlicher Umgebung wachsen Romulus und Remus auf, um sich als Männer gegen das Regime Amulius’ zu wenden. Im Verlauf der Umsturzpläne verliebt sich Romulus in der Filmversion in eine hübsche Sabinerin, die dem militärischen Befehlshaber der albalonginischen Truppen zur Frau versprochen war. Sie folgt Romulus und Remus, die das willige Volk an den Platz führen wollen, wo sie nach der Prophezeiung eine ewige Stadt gründen sollen. Doch der Marsch steht unter schlechten Vorzeichen. Der König der Sabiner verfolgt die Flüchtenden mit Racheplänen. Remus neidet Romulus dessen natürliche, warmherzige Autorität sowie die hübsche Sabinerin.
Romulus und Remus sind zwar Zwillinge, in ihrem Wesen aber grundverschieden. Sie verkörpern den im Menschen schwelenden Kampf zwischen Gut und Böse, wobei sich der Film nicht damit begnügt, in Schwarzweißmalerei eindeutige Charaktere zu schaffen. Remus ist nicht auf simple Weise böse, aber durch Ehrgeiz und Neid zerfressen. In einer zentralen Dialogszene erläutert er der auch von ihm begehrten Sabinerin, dass sein Bruder Romulus stets mehr Glück hatte. Remus versucht das mit unbarmherzigem Willen zu übertreffen. In ihm wohnt der Konkurrenzkampf, der die Menschheit zu immer größeren Taten antreibt. Allein das notwendige Maß fehlt Remus. Damit erzählt Sergio Corbuccis „Romulus und Remus“ etwas über die Natur des Menschen, der nur durch einen Ausgleich der in ihm tobenden Kräfte das Dilemma aus Stagnation in harmonischer Lethargie und dynamischer Entwicklung mit Sozialverrat überwinden kann. Romulus verkörpert in stärkerem Maße den Ausgleich, indem er Führungsstärke mit Verständnis für seine Untergebenen verbindet. Nachdem die Flucht vor den anrückenden Sabinern bereits mehrere Tage dauert, treibt Remus die erschöpften Menschen ohne Rücksicht auf ihre schwächere Konstitution weiter an. Er kann sein Idealbild des körperlich starken Menschen nicht verlassen, das er in sich in perfekter Reinheit verkörpert sieht. Romulus gibt kurzerhand den Befehl zur Rast, das Volk dankt es ihm. Aber trotz aller Ausgleichsfähigkeit gelingt es Romulus nicht, seinen Bruder zu integrieren. Großmütig bietet er ihm an, was er zuvor gewonnen hat. Das muss für einen Charakter wie Remus als arrogante Gönnerhaftigkeit erscheinen. So bleibt der direkte Kampf zwischen den beiden Brüdern unvermeidlich. Corbuccis Regie bereitet ihn durch eine stets schwelende Spannung vor, schießt aber innerhalb des ganzen Films stets eine Idee zu kurz. Alle Konflikte sind erkennbar, aber keiner wurde bis ins Detail ausgearbeitet, vor allem das Ende wird rastlos herunter gespult. So bleibt ein hochinteressanter und unterhaltsamer Beitrag zum Genre des Sandalenfilms übrig, der filmgeschichtlich als eine Art Fingerübung der daran Beteiligten Sergio Corbucci (Regie und Drehbuch), Sergio Leone, Duccio Tessari und Franco Rossetti (alle Drehbuch) eingeschätzt werden kann.
Bildqualität
Da der Film von 1961 schon einige Jahre auf dem Buckel hat, sind hier und da Dreckspuren sowie kleinere Bilddefekte zu sehen, aber sie halten sich in Grenzen. In manchen Szenen wirkt das Bild sehr weich, andere besitzen eine gute Schärfe. Die Farbwiedergabe ist weitgehend kräftig ausgefallen, dazwischen mischen sich aber immer wieder Szenen, in denen alles leicht ausgebleicht erscheint. Ein leichtes Hintergrundrauschen begleitet den ganzen Film. Vor dem Hintergrund des Filmalters aber ein sehr ordentlicher Transfer. Allerdings fällt auf, dass links und rechts kleine Teile des Bildes abgeschnitten werden.
Tonqualität
Die Tonspuren siedeln sich in üblichen Monogefilden an. Die deutsche Synchronisation ist heller, dafür neigt sie zu Verzerrungen, der englische Ton weist keine Verzerrungen auf, fällt dafür dumpfer aus. Jetzt wird sich der eine oder andere fragen, wozu denn englischer Ton bei einem italienischen Film und wo bleibt der italienische Ton? Den Namen Steve Reeves und Gordon Scott lässt sich bereits entnehmen, dass die beiden Hauptdarsteller keine Italiener waren. Sie sind Amerikaner. Da der Film kaum mit Originalton vom Set gedreht wurde, denn das war zu der Zeit in Italien nicht üblich, musste vermutlich ohnehin alles synchronisiert werden. Dabei ist unwahrscheinlich, dass sich die beiden sich auf Italienisch selbst gesprochen haben, da italienische Sprachkenntnisse aufgrund der ohnehin vorhanden Notwendigkeit, eine Synchronisation anzufertigen, keine Voraussetzung waren, um als Darsteller in der italienischen Filmindustrie tätig zu sein. Demgegenüber wäre es aber möglich, dass sie sich in der englischsprachigen Synchronisation selbst gesprochen haben. Ob es sich so verhält, ist mir allerdings nicht bekannt.
Der Film liegt in Deutschland nun erstmals in der ungeschnittenen Fassung vor. Aus diesem Grund sind Teile des Films nur auf Englisch mit deutschen Untertiteln enthalten.
Extras
Das Bonusmaterial besteht im wesentlichen aus einem siebenminütigen Interview mit Steve-Reeves-Double Giovanni Cianfriglia (Die Cover-Angabe mit 15 Minuten ist falsch). Das Gespräch wurde an einem der Drehorte für „Romulus und Remus“ aufgezeichnet. Cianfriglia erinnert sich an die Szenen, die dort gedreht wurden, spricht ein wenig über seine Zusammenarbeit mit Steve Reeves und weiß zu erzählen, dass Reeves gerne Yoghurt und Salate aß. Das Interview erhält damit den Charakter einer lockeren Plauderei, die nicht allzu sehr in die Tiefe geht, aber ganz unterhaltsam ist.
Fazit
„Romulus und Remus“ behandelt zentrale dramatische Konflikte – Bruderkampf, Liebeszwist und Neid – ohne diese im Detail auszuführen. Der unterhaltsame Sandalenfilm erweist sich deswegen als Fingerübung. Technisch ist die DVD gelungen.
Stefan Dabrock
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Originaltitel |
Romolo e Remo (Italien 1961) |
Länge |
105 Minuten (Pal) |
Studio |
Koch Media |
Regie |
Sergio Corbucci |
Darsteller |
Steve Reeves, Gordon Scott, Virna Lisi, u.a. |
Format |
1:2,35 (16:9) |
Ton |
DD 2.0 Mono Deutsch, Englisch |
Untertitel |
Deutsch |
Extras |
Interview mit Steve-Reeves-Double Giovanni Cianfriglia, u.m |
Preis |
ca. 15 EUR |
Bewertung |
unterhaltsam, technisch sehr ordentlich |
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