Comicverfilmungen gibt es inzwischen wie Sand am Meer, aber kaum eine Umsetzung sieht aus wie ein Comic. Mit „Renaissance“ hat Regisseur Christian Volckman einen perfekten Film-Comic geschaffen. Außer Schwarz und Weiß tauchen nur an einer Stelle Grauabstufungen auf, Farbe ist ebenfalls nur bei einem einzigen Motiv zu sehen. In diesem ästhetisch mit hartem Kontrast versehenen Paris des Jahres 2054 ist der Einzelgänger Karas unterwegs. Mit draufgängerischen, aber erfolgreichen Methoden arbeitet er für die Polizei. Im aktuellen Fall soll er eine entführte Wissenschaftlerin aufspüren. Ihr Arbeitgeber ist der mächtige Avalon-Konzern, welcher Paris beherrscht. Der Avalon-Chef hat ein ganz besonderes Interesse an der verschwundenen Wissenschaftlerin, da ihm deren aktuelle Forschung neue, unvorstellbare Macht verleihen könnte. Als Karas die Zusammenhänge immer klarer werden, stellt er sich gegen den omnipräsenten Avalon-Konzern.
Nach etwa zehn Minuten haben sich die Augen in der Regel an die aggressive Ästhetik gewöhnt, so dass die visuelle Pracht der detaillierten Schwarzweißzeichnung genossen werden kann. Wem das nicht gelingt, wird kein Vergnügen an „Renaissance“ haben. Die klare Ästhetik des Films steht im direkten Zusammenhang zu den Hauptkontrahenten innerhalb der Geschichte. Der Avalon-Konzern repräsentiert das Böse, Karas ist der gebrochene, aber integre Held. In dieser Funktion stapft er durch ein Paris, dem jegliche menschliche Wärme abhanden gekommen ist. Statt einem erfüllten Leben zählt in der Philosophie des Avalon-Konzerns nur noch ein jugendliches, langes Leben. Der Mensch wird zu einer reinen Hülle degradiert. Als Karas merkt, dass seine Ermittlungen dem weiteren Machtstreben des Konzerns in die Hände spielen, beweist er seine individuelle Größe und versucht den vermeintlichen Fortschritt zu verhindern. „Renaissance“ diskutiert über diesen Konflikt die Frage, ob neben wissenschaftlichem nicht auch ein philosophischer Fortschritt notwendig ist. Für Karas ist klar, dass die Entdeckung der entführten Forscherin die Menschheit auf philosophischer Ebene zurückwerfen würde. „Renaissance“ wagt sich auf seiner intellektuellen Ebene deswegen an nichts weniger als den Sinn des Lebens heran. Diese Fragestellungen bettet das Werk in eine ebenso spannende wie wendungsreiche Kriminalinszenierung ein, die auch auf der oberflächlichen Ebene funktioniert.
Bildqualität
Selbstverständlich ist die Bildqualität dieses aktuellen Animationsfilms exzellent. Bilddefekte existieren nicht, alles präsentiert sich mit ausgezeichneter Schärfe und Rauschen sucht man vergeblich.Tonqualität
Die Dialoge sind klar und verständlich, da sie rauschfrei aus den Boxen ertönen. Sowohl die deutsche als auch die englische Fassung kommen zwar im 5.1-Sound daher, liefern eine räumliche Atmosphäre aber zumeist nur über die musikalische Untermalung. Ansonsten werden die hinteren Boxen nur selten genutzt.Extras
Das Bonusmaterial der Doppel-DVD scheint zwar reichhaltig zu sein, fällt aber erschreckend schwach aus. Im 35minütigen Interview-Block kommen unter anderem Christian Volckman (Regie), Alexandre de la Patelliere und Mathieu Delaporte (Drehbuch), Anton Soumache und Alexis Vonarb (Produktion) sowie Nicholas Dodd (Musik) zu Wort. Dabei wurde das durchaus übliche Verfahren angewendet, die Antworten mit Zwischentiteln zu gliedern, auf denen das Thema angegeben ist, über das sich der Interviewpartner äußert. Im vorliegenden Fall führt das in weiten Teilen zu zusammenhanglosen Kurzaussagen, da die Themen der Zwischentitel oftmals nur sehr vage zu dem passen, was danach gesagt wird, und häufig nach eineinhalb Sätzen bereits der nächste Zwischentitel auftaucht, ohne das er angefangene Gedanke beendet worden wäre. Unabhängig davon liefern die Interviews die übliche Mischung aus Lobhudeleien über den Regisseur oder anderen an der Produktion Beteiligten, Inhaltsangabe und grobe Genreeinordnung. Die Produzenten gehen noch auf die Finanzierung sowie die langwierige Produktion ein, der Komponist erklärt, dass seine Musik irgendwie rockig klingt, aber mit einem Orchester eingespielt wurde, und der Hauptverantwortliche für die CGI-Effekte geht ein bisschen auf den technischen Aspekt der visuellen Konzeption ein.
„Hinter den Kulissen“ teilt sich in die fünf Kapitel „Motion Caption“ (etwa fünf Minuten), „Special Effects“ (etwa vier Minuten), „Music and Sound“ (etwa dreieinhalb Minuten), „Stimmaufnahmen“ (etwa vier Minuten) und „B-Roll“ (etwa sechs Minuten) auf. Jedes Kaptitel präsentiert unbearbeitetes Rohmaterial, dessen Informationsgehalt gegen Null tendiert. Die Ansicht lohnt nur, wenn man Spaß daran hat, dem Komponisten beim Spielen einer kleinen Melodie zuzusehen (eine Einordnung ins musikalische Konzept findet nicht statt), gerne irgendwelche Filmszenen in einem fast perfektem Vorstadium auf einem Monitor anschaut, bei denen das Wasser noch nicht so animiert ist, wie sich der Leiter der Spezialeffekte das vorstellt, oder Daniel Craig im Synchronstudio beim Aufsagen zweier Sätze zusehen möchte.
Im ersten Kapitel „Motion Caption“ kann man wenigstens dieses Verfahren erahnen. Schauspieler zwängen sich in Anzüge auf denen viele Sensoren angebracht sind. Sie bewegen sich in einer Box, die durch einen 360-Grad-Ring aufgehängter Kameras gebildet werden. Dadurch kann jede Bewegung aus jedem Winkel aufgenommen werden. Die gewonnenen Bewegungsmuster werden in einem weiteren Schritt auf die computergenerierten Figuren übertragen, um sie zu animieren. Das Verfahren eignet sich, um die Figuren durch flüssige Bewegungen lebensechter aussehen zu lassen. Aufbereitet wird das Rohmaterial aber auch in diesem Kapitel nicht, so dass der Zusammenhang zu dem fertigen Filmprodukt nur schwer hergestellt werden kann. Ohne dokumentarische Erzählung bleibt das Material abstrakt.
Das gesamte Material des Beitrags „Hinter den Kulissen“ kann man sich sparen, wenn man den Musik-Clip ansieht. In eineinhalb Minuten stellt der intelligente Schnitt Zusammenhänge zwischen den Motion-Caption-Aufnahmen, der Musik, der Computeranimation und dem Film her. Damit leistet er, was das dröge Rohmaterial zuvor in einer Länge von etwa 22 Minuten nicht ansatzweise geschafft hat. Die einzelnen technischen sowie künstlerischen Leistungen bei der Erstellungen des Films werden sowohl in ihrer singulären Qualität als auch hinsichtlich der Bedeutung für das Gesamtkunstwerk vorgestellt.
Die neunminütige Featurette besteht im Wesentlichen aus einem Zusammenschnitt der Interviews, welcher durch Filmausschnitte ergänzt wurde. Eine Bildergalerie und der Trailer runden das Bonusmaterial ab. Die Lieblosigkeit, mit der die Doppel-DVD ausgestattet wurde, ist ausgesprochen beschämend.
Fazit
„Renaissance“ diskutiert mit Hilfe der erzählten Kriminalgeschichte die Frage nach dem Wert wissenschaftlichen und philosophischen Fortschritts. Dank der visuell ausgezeichneten Umsetzung gelang es Christan Volckman, einen Film-Comic zu schaffen. Technisch ist die DVD sehr gut, das Bonusmaterial untauglich.Stefan Dabrock
Originaltitel | Renaissance (Frankreich 2006) |
Länge | 100 Minuten (Pal) |
Studio | Ascot-Elite |
Regie | Christian Volckman |
Darsteller | Sprecher: Daniel Craig, Catherine McCormack, Romola Garai, u.a. |
Format | 1:1,78 (16:9) |
Ton | DD 5.1 Deutsch, Englisch |
Untertitel | Deutsch für Hörgeschädigte |
Extras | Interviews, Hinter den Kulissen, Trailer, u.m. |
Preis | ca. 18 EUR |
Bewertung | sehr gut, technisch gut |