Auf der Jagd mit dem Bösen Wolf

Red Riding Hood

„Red Riding Hood“ ist der englische Name für das altbekannte Märchen „Rotkäppchen“, das sich in so mancher Kultur großer Beliebtheit erfreut. Was Giacomo Cimini in seinem Spielfilmregiedebüt präsentiert, entpuppt sich als ausgesprochen freie und extrem bösartige Variante des Märchenstoffes. Als Rotkäppchen tritt das zwölfjährige Mädchen Jennifer auf, das alleine in Rom wohnt. Ihre Mutter zieht wieder einmal mit einem jungen Sexspielzeug in männlicher Form durch die Welt, hat aber eine Kreditkarte ohne Limit zurückgelassen. Regelmäßig trifft sich Jennifer mit einem 23jährigen Tutor, der ihr Unterricht gibt. Zurzeit steht der Roman „Don Quixote“ auf dem Lehrplan. Nachts zieht Jennifer mit ihrem maskierten Freund George, der nur furchterregende, tierische Geräusche von sich gibt, um die Häuser. Ihr Ziel sind Diebe, Lügner, Ehebrecher oder andere Menschen, die in Jennifers Augen nur wertloses Gesindel darstellen. Gemeinsam richten die beiden ihre Opfer hin. Da passt es dem Mädchen natürlich nicht, dass plötzlich ihre Großmutter auftaucht, der das Sorgerecht übertragen wurde. Denn die Großmutter will das Mädchen nach New York verfrachten, obwohl in Rom noch viele Aufgaben warten. Folglich bleibt Jennifer nichts anderes übrig, als ihren neuen Vormund ans Bett zu fesseln, um in Ruhe das gewohnte Leben fortsetzen zu können.

Tatsächlich hat sich Cimini bei seiner „Rotkäppchen“-Variante etwas gedacht. Die Geschichte um das erzieherisch vernachlässigte Mädchen, das nun die Welt vom Abschaum befreien will, lässt sich vortrefflich psychologisch ausdeuten. Vor allem die Tatsache, dass sie mit dem Bösen Wolf (George) gemeinsame Sache macht, dreht die ursprüngliche Moral um, welche Kinder gerade vor dem Bösen in der Welt warnen will. Das Rotkäppchen dieser Geschichte (Jennifer) ist da bereits einen gewaltigen, zynischen Schritt weiter. Als frühreife Göre benötigt sie selbstverständlich keine Lektionen über das Böse mehr, das sie natürlich kennt und identifizieren kann. Anstelle der passiven Rolle innerhalb des Märchens, das den Kindern den Rat mit auf den Weg gibt, das Böse zu meiden, nimmt Jennifer eine aktive Rolle ein. Sie stellt sich den Gefahren, um sie zu beseitigen. Während der Jäger in der bekannten Märchenfassung als Symbol für die institutionelle Autorität steht, hat Jennifer dazu kein Vertrauen mehr. Sie nimmt die Dinge selbst in die Hand. Da sie aber das reine, unschuldige Mädchen bleiben will, bedient sie sich des Bösen Wolfes als Machtinstrument. Sie hat gelernt, dass sich der Abschaum mit pazifistischen Methoden wie gutem Zureden nicht aus der Welt schaffen lässt, will sich aber nicht selbst die Finger schmutzig machen. Damit folgt sie der zynischen Machtlogik so mancher Herrscher. So interessant der intellektuelle Gehalt des Films auch sein mag, Cimini scheitert an der Inszenierung. Die Morde an den Sündern vollziehen sich mit mechanischer Präzision sowie der in solchen Fällen üblichen drastischen Gewalt. An keiner Stelle läuft Jennifer Gefahr, entdeckt zu werden oder hat es mit einem ebenbürtigen Gegner zu tun. Sie strahlt mit ihrem George tatsächlich die unüberwindliche Macht aus, welche sie auch inszenatorisch zu einer moralischen Strafinstanz werden lässt. Zum einen muss sich Cimini nicht wundern, wenn dem Film deswegen moralische Bedenken entgegen schlagen, zum anderen verzichtet er dadurch auf jegliche Spannung. Sein Film ist schlicht langweilig, da Cimini auch nichts unternimmt, um den Opfern Mitleid entgegen zu bringen. Die späteren Scharmützel mit der Großmutter ändern an der Statik der Dramaturgie auch nur sehr wenig.

Bildqualität

Die Vorlage selbst ist sauber und weist kaum Defekte oder andere Beeinträchtigungen auf. Die Schärfe siedelt sich auf durchschnittlichem Niveau an. Vor allem bei Bewegungen verwischen die Konturen zusehends. Die Farben sind demgegenüber so intensiv, wie man sich das wünscht. Der Schwarzlevel ist tief, der steile Kontrast sorgt aber dafür, dass immer wieder Details verschluckt werden. Das Hintergrundrauschen stört demgegenüber nicht.

Tonqualität

Die 5.1-Spuren sorgen dafür, dass die Dialoge klar und verständlich aus den Boxen erklingen. Eine räumliche Atmosphäre kommt hingegen nicht auf, da die hinteren Boxen kaum beansprucht werden. Dem einen oder anderen Zuseher wird es negativ aufstoßen, dass an den Stellen, an denen Italienisch gesprochen wird, feste englische Untertitel vorhanden sind, die vom verwendeten Master herrühren.

Extras

Das Bonusmaterial erschöpft sich im Trailer.

Fazit

„Red Riding Hood“ besitzt durchaus den intellektuellen Anspruch, das bekannte „Rotkäppchen“-Märchen psychologisch zu variieren und dem Rotkäppchen im Gegensatz zum ursprünglichen Stoff eine aktive Rolle zuzusprechen. Inszenatorisch besitzt Giacomo Cimini jedoch keiner Qualitäten, so dass sein Werk Langeweile ausstrahlt.

Stefan Dabrock

   
Originaltitel Red Riding Hood (Italien 2003)
Länge 89 Minuten (Pal)
Studio Atomik-Films im Vertrieb der Ascot-Elite
Regie Giacomo Cimini
Darsteller Susanna Satta, Kathleen Archebald, Roberto Purvis, u.a.
Format 1:1,85 (16:9)
Ton DD 5.1 Deutsch, Englisch; DD 2.0 Englisch
Untertitel Deutsch
Extras Trailer
Preis ca. 15 EUR
Bewertung schwach, technisch Durchschnitt