Im Kampf mit den eigenen Dämonen

Re-cycle

Nach der Doppel-DVD im Februar diesen Jahres, die jedoch nur das übliche, untaugliche Bonusmaterial mit Werbe-Making-Of, nichts sagenden Interviews und ähnlichen Füllern enthielt, kam Ende September konsequenterweise die Einzel-DVD auf den Markt, die lediglich einen Trailer enthält.

In einer Welt voller Herausforderungen, emotionaler Verwicklungen durch Beziehungen und der ständigen Notwendigkeit, Entscheidungen zu treffen, bleiben stets geliebte Menschen oder Gegenstände zurück. Aus ihnen speist sich der Pool bewältigter oder auch unbewältigter Dämonen, denen man gelegentlich wieder gegenüber steht. In einer Romantrilogie hat die erfolgreiche Bestsellerautorin Ting-Yin die unglückliche Liebe zu einem Mann verarbeitet, der vor acht Jahren nicht den Mut aufbrachte, seine Frau zugunsten Ting-Yins zu verlassen. Jetzt steht sie mit ihrem neuen Buchprojekt nicht nur unter Erfolgsdruck, weil sie an ihre Bestseller anknüpfen muss, sondern auch weil ihr Verleger den neuen Roman ohne Absprache bereits angekündigt hat. Zeitgleich taucht der Mann wieder auf, der sie vor acht Jahren nicht heiraten wollte. Angesichts des emotionalen Stresses verwundert es kaum, dass sie bei der Arbeit an ihrem Geisterroman das Gefühl hat, irgendwer sei in ihrer Wohnung und beobachte sie, oder andere seltsame Phänomene wie mysteriöse Telefonanrufe wahrnimmt. Als plötzlich ein paar Geister auftauchen und Ting-Yin verfolgen, bis die Autorin schließlich in eine seltsame Phantasiewelt gerät, ist das Maß gewöhnlicher Überspanntheit jedoch weit überschritten. Hier begegnet sie nicht nur den Toten auf dem Weg ins Jenseits, sondern trifft auch auf ein kleines Mädchen, das alles daran setzt, dass die Autorin wieder in ihre eigene Welt zurückkehren kann.

„Re-cycle“ beginnt wie ein gewöhnlicher, wenn auch mit brillanter Effektivität gefilmter Geisterhorrorfilm. Mysteriöse Telefonanrufe mit seltsamer Geräuschkulisse am anderen Ende Re-cycle der Leitung, Wassereffekte und lange, dunkle Flure bilden das traditionelle Arsenal des Genres, das die Pang-Brüder so arrangieren, dass sich eine unheimliche Atmosphäre einstellt. Ihrem Filmtitel machen sie an dieser Stelle bereits alle Ehre, indem sie vorgefundenes Material so nutzen, dass es wieder frisch und unverbraucht wirkt. Mit dem Eintritt Ting-Yins in die surreale Phanatasiewelt erhält „Re-cycle“ eine weitere Bedeutungsebene, denn Ting-Yin trifft hier unter anderem auf die Elemente, die sie im Laufe ihres bisherigen Lebens aussortiert hat. So reflektieren die einzelnen Welten immer auch Aspekte aus der Persönlichkeit Ting-Yins. Auf einer riesigen Ebene mit überdimensionalem Spielzeug befindet sich auch etwas aus der Vergangenheit der Autorin. Ein kauziger alter Mann erteilt kryptischen Ratschläge, welche die junge Frau zusammen mit dem kleinen Mädchen, das als Führerin dient, Richtung Ausgang bringen sollen. Dabei wandern sie an Gräbern vorbei, deren Tote aus ihren Ruhestätten gestiegen sind, weil sie nicht mehr gepflegt werden, die Autorin muss sich durch einen mit abgetriebenen Föten angefüllten Tunnel zwängen und überall kann der Re-Cycler zuschlagen, der alles zersetzt, wenn er auftaucht. Die Pang-Brüder haben die verschiedenen Welten mit spirituellen Elementen vollgestopft, in denen es um Totenruhe, den friedlichen Übergang ins Jenseits, Reinkarnation und die rastlose Geisterexistenz geht. Dabei fällt vieles auf die Autorin zurück, deren psychische Verfassung aus unterschiedlichen Lebensabschnitten ein wichtiger Baumeister der bizarren Welten gewesen ist.

Der bedrohliche Re-cycler ist letzten Endes nichts anderes, als die Autorin selbst, die Teile des Vergangenen löscht oder für andere aktuelle Vorhaben nutzt. Als Gefangene ihrer Welt flüchtet sie vor den eigenen Dämonen, die sie zerstören könnten. Dazu zählt auch eine Abtreibung, deren Konsequenzen in einem moralischen Ende kulminieren, das jedoch mit einer weiteren Wendung wieder relativiert wird. Denn in letzter Konsequenz geht es nicht um ein Moralstück, sondern um die Auseinandersetzung der Autorin mit sich selbst. Eine Verurteilung von außen findet nicht statt. In den surrealen Welten wird die Konfrontation mit dem eigenen Ich hyperrealistisch greifbar. Das spiegeln die Pang-Brüder in der visuellen Gestaltung wieder, die immer wieder neue Momente des Staunens präsentiert. Das gilt sowohl für den verfallen Straßenzug mit brüchigen Treppen und rostigen Geländern zu Beginn wie für den Wald, in dem zahlreiche Tote an den Bäumen hängen, bevor sie herabregnen, oder ein Riesenrad mit darüber schwingender Schiffsschaukel. Sie alle ergeben ein in sich geschlossenes Werk, das visuelle Schönheit mit spirituellem sowie persönlichem Horror verbindet.

Bildqualität

Re-cycleEs ist nur sehr schwer zu beurteilen, welche Schwächen durch die filmische Umsetzung bedingt sind und wo die DVD weniger gelungen ist. Die Schärfe ist zunächst sehr gut, so dass ein detailreiches Bild zu sehen ist. Über dem gesamten Film liegt jedoch ein leichter Grauschleier, der einerseits ein Resultat der digitalen Bilderzeugung bei der Produktion sein könnte, andererseits auch in einer schwachen DVD-Umsetzung begründet sein könnte. Im Ergebnis gibt es jedenfalls fast keine Flächen, die schwarz aussehen, grau ist das dunkelste, was der Film zu bieten hat. Das wirkt atmosphärisch nicht immer gut. Das leichte Hintergrundrauschen stört demgegenüber nicht.

Tonqualität

Die 5.1-Spuren liefern eine solide räumliche Kulisse ab, die gelegentlich auch die hinteren Boxen in das akustische Geschehen mit einbezieht. Die Dialoge sind klar und verständlich, störendes Rauschen gibt es nicht.

Extras

Das Bonusmaterial besteht aus einem Trailer.

Fazit

„Re-cycle“ schickt eine erfolgreiche Bestsellerautorin in surreale Welten, die aus ihren eigenen psychischen Dämonen entstanden sind. Dabei geizen die Pang-Brüder nicht mit visuellen Ideen und zahlreichen spirituellen Reflexionen, ohne den Spannungsaspekt zu vernachlässigen. Technisch ist die DVD gut, wenn auch alles zu hell aussieht.

Stefan Dabrock

   
Originaltitel Gwai wik (Hongkong 2006)
Länge 104 Minuten (Pal)
Studio Splendid
Regie Oxide Pang, Danny Pang
Darsteller Angelica Lee, Lau Siu Ming, Zeng Qi Qi, u.a.
Format 1:2,35 (16:9)
Ton DD 5.1 Deutsch, Kantonesisch
Untertitel Deutsch
Extras Trailer
Preis ca. 17 EUR
Bewertung gut, technisch gut