Die Macht des Klerus

Die Nackte und der Kardinal

Hinweis: Der folgende Text ruft in keiner Weise zum Kauf von DVDs auf. Es handelt sich um eine filmjournalistische Analyse.

Besonders subtil ist die Kirchenanklage in Lucio Fulcis Historienfilm „Die Nackte und der Kardinal“ nicht, aber es gibt geschichtliche Zusammenhänge, in denen das auch nicht notwendig ist. Der päpstliche Machtapparat des späten 16. Jahrhunderts, in dem sich die historischen Ereignisse um Beatrice Cenci zutrugen, liefert den eindeutig geldgierigen Hintergrund für Fulcis Verfilmung des Dramas. Mit leicht verschachtelten Rückblenden widmet sich der italienische Regisseur dem Leidensweg Beatrice Cencis, welche wie die übrigen Familienmitglieder unter dem tyrannischen Einfluss ihres Vaters Francesco Cenci stand. Aus unermesslichem Geiz verbietet das Familienoberhaupt seiner Tochter, zu heiraten. Das erspart die Mitgift. Für seinen ältesten Sohn hat er nur Verachtung übrig, weil ihm dieser immer noch auf der Tasche liegt. Der Kriegsdienst der beiden anderen Söhne erfreut ihn, weil das Geld spart. Nach einem Mordauftrag, der mit Francesco Cenci in Verbindung gebracht wird, muss der reiche Bürger Roms auf Anweisung des Papstes für eine gewisse Zeit aus der ewigen Stadt verschwinden. Gemeinsam mit seinem Hausstaat zieht er sich auf eine Burg zurück. Dort eröffnet ihm Beatrice, dass sie sich endgültig entschlossen hat, ins Kloster zu gehen. Da Franceso aber nicht damit leben kann, dass seine Tochter aus seinem Einflussbereich entschwindet, sperrt er sie in eine Kellerzelle ein. Nachdem Beatrice die Schändung durch ihren Vater ertragen muss, plant sie gemeinsam mit einem Bediensteten, der in sie verliebt ist, den Mord an ihrem Vater.

Fulci rollt die Ereignisse im Stile eines Chronisten auf, dem es nicht um Spannungsmomente im Sinne einer unvorhersehbaren Handlung geht. Die wesentlichen Elemente der Geschichte sind schnell klar, nur die Details müssen ausgefüllt werden. Stattdessen setzt der italienische Regisseur vollständig auf die Kraft des Dramas, in dem er den Eingangsmord im Auftrag Franceso Cencis mit dem Tyrannenmord Beatrices konfrontiert. Die Strafe für Francesco Cenci ist die zeitweilige Verbannung aus Rom, die Strafe für Beatrice ist die Hinrichtung. So vermittelt Fulci nicht nur die tragische Notlage, in der sich Beatrice befand, er steigert sie zusätzlich durch das klare Wissen um das feine Machtnetz des Papstes, das sich langsam aber sicher um die Gruppe der Attentäter legt. Das Familienvermögen der Cencis fällt in den Schoß der Kirche, wenn alle Mitglieder der Sippe für den Mord verurteilt werden. Ohne spekulative Brutalitäten – die Verhörfolterungen halten sich in Grenzen und werden entgegen der markigen Webeankündigungen des Verleihs hauptsächlich am männlichen Handlanger Beatrices und kaum an ihr selbst verübt – legt der Film die interessengeleitete Kirchenjustiz offen. Ihr geht es nicht um Gerechtigkeit, sondern um Geld und Macht. Insofern ist der Grundtenor des Films wenig subtil, wenn auch feingliedrig ausgearbeitet. Subtil ist demgegenüber das ungute Gefühl, das die Offenlegung kirchlicher Wurzeln hinterlässt. Die leichte, geradezu spielerische Art, mit welcher der päpstliche Ermittler im Wissen seiner Macht auftritt, vermittelt eine gespenstische Hinterhältigkeit. Sie wirft die Frage auf, inwieweit sich ein lange bestehendes System wie die Kirche, solcher historischer Bürden entledigen kann.

Bildqualität

Für die vorliegende DVD wurde ein Master verwendet, das sich in einem sehr guten Zustand befunden hat. Dreckspuren oder Bilddefekte treten deswegen kaum in Erscheinung. Aufgrund des Filmalters sieht das Bild vor allem bei Totalen und in Hintergründen relativ weich aus. Nahaufnahmen besitzen demgegenüber eine gute Schärfe. Die Farbwiedergabe weist kräftige Farben auf, die nur ganz leicht ausgeblichen sind. Der Schwarzwert ist sehr gut, der Kontrast sehr ordentlich. Stehende Rauschmuster beeinträchtigen die Schärfe bei Bewegungen. Vor dem Hintergrund des Filmalters ein guter Transfer.

Tonqualität

Die deutsche Tonspur bietet gut verständliche Dialoge und eine schöne Musikwiedergabe. Zeitweise tritt ein leichtes Hintergrundrauschen auf. Die italienische Tonspur ist ähnlich gut, rauscht aber stärker. Am schwächsten ist die englische Tonspur, die den typischen, blechernen Klang eines älteren Monotons gepaart mit einer dumpfen Einbettung aufweist.

Extras

Als Bonus ist ein laufender, teilweise informativer Text über den Film, seine Darsteller sowie den Regisseur Lucio Fulci enthalten. Eine Bildergalerie, der deutsche Vorspan sowie ein Trailer runden das Bonusmaterial ab. Der PC-Part enthält zusätzlich Aushangfotos und Plakate in Druckqualität sowie den Film in einer Version für portable Abspielgeräte.

Fazit

„Die Nackte und der Kardinal“ wird seinem exploitativen Titel dankenswerter Weise nicht gerecht. Stattdessen liefert der Film ein Historiendrama, das über die Präsentation unrühmlicher, kirchlicher Wurzeln die Frage nach der Fortwirkung machtorientierter Strukturen stellt. Technisch ist die DVD vor dem Hintergrund des Filmalters gut.

Stefan Dabrock

   
Originaltitel Beatrice Cenci (Italien 1969)
Länge 90 Minuten (Pal)
Studio New Entertainment World
Regie Lucio Fulci
Darsteller Adrienne Larussa, Tomas Milian, Georges Wilson, u.a.
Format 1:1,78 (16:9)
Ton DD 2.0 Mono Deutsch, Englisch, Italienisch
Untertitel Deutsch
Extras Texttafel, Trailer, u.m.
Preis -
Bewertung -