Weltbilder sind so eine Sache. Nicht immer kann man sich mit ihnen anfreunden, häufig aber beiseite schieben, wenn sie nicht ganz offensiv vertreten werden. „Murder“ gehört in die Kategorie der Filme, bei dem das Weltbild mangels irgendwelcher Ablenkungsmanöver in einer so klaren Form zu Tage tritt, wie es nur selten der Fall ist. In anderen Texten steht bereits geschrieben, dass „Murder“ ein Remake des Adrian-Lyne-Films „Unfaithful“ (2002) ist, der wiederum auf dem Drehbuch des Claude-Chabrol-Films „La Femme infidèle“ basiert. Jeder kann sich nun selbst aussuchen, welches Vorbild die Inder kennen. Ob man „Murder“ tatsächlich als Remake klassifizieren will, sei ebenfalls jedem einzelnen Leser selbst überlassen, Ähnlichkeiten in der Handlung sind jedenfalls vorhanden. Im vorliegenden Fall wohnt ein indisches Ehepaar in Bangkok. Zwei Dinge bestimmen die Lebenssituation der beiden Verheirateten. Da der hart arbeitende Ehemann seine Frau vernachlässigt, fühlt sie sich in der Fremde sehr einsam. Die Ehe ist im Prinzip eine Farce, weil die Frau nur aus Schuldgefühl Ja gesagt hat. Ihr Mann war mit ihrer Schwester verheiratet. Letztere stieg anstelle der jetzigen Ehefrau in ein Flugzeug und kam ums Leben.
Als die Ehefrau nun den Mann wieder trifft, mit dem sie vor der Ehe das Bett geteilt hat, lässt sie sich auf eine Affäre ein. Das ist angesichts der gähnenden Langeweile in ihrem Dasein verständlich - nachdem ein paar Hintergründe zum neuen/alten Liebhaber eingeführt werden, trübt sich das Verständnis jedoch ein wenig ein. Der gute Mann war nämlich im Gefängnis, weil er in rasender Eifersucht einen vermeintlichen Nebenbuhler übel verprügelt hat. Die Szene, in der er auf den am Boden liegenden Gegner eintritt, klassifiziert ihn als eindeutigen Psychopathen. Dank der unnuancierten Darstellung, gibt es da kaum Alternativen. Natürlich kann sich selbst der ungeübte Filmfreund denken, dass so eine Affäre nur selten gut geht. Der Liebhaber endet als Leiche. Die Bangkoker Polizei verhaftet sowohl die Ehefrau als auch den Ehemann, welche beide in unendlicher Solidarität den Mord gestehen. Der Film besteht nun aus den beiden Verhören und zeigt das Erzählte in zwei langen Rückblenden, bevor es zum unvermeidlichen Finale kommt.
Die zugrunde liegende Geschichte ist ein Drama, dessen äußere Erzählung so langweilig ist, dass nur das innere Geschehen der Charaktere einen guten Film ausmachen könnte. Und genau das ist die Stärke dieses Bollywood-Films nicht. Mallika Sherawat, die später in Jackie Chans „Mythos“ eine gute Figur machen sollte, hat in „Murder“ neben ihrem Körper nichts zu bieten. So gelangweilt, wie sie sich fühlt, stapft sie in die Affäre hinein. Von innerer Zerrissenheit ist beim besten Willen keine Spur. Ein Drama lässt sich nur durch intensive Autosuggestion erzeugen, der Film erzählt es nicht. Der Höhepunkt der Verwicklungen ist schließlich dann erreicht, wenn der Ehemann einen Privatdetektiv anheuert, der seine Frau überwachen soll. Da ist der Film im Übrigen schon über eine Stunde alt. Die Arbeit des privaten Ermittlers ist dann aber genauso uninspiriert inszeniert, wie der Rest. Der Detektiv beobachtet aus sicherer Entfernung die Frau, um sie zu fotografieren, wenn sie sich mit dem Liebhaber trifft. Der Film erzählt an dieser Stelle nichts, was der Zuschauer nicht bereits weiß. Suspense wird auch nicht erzeugt, weil keine Entdeckungsgefahr besteht. Unerwartet kommt es auch nicht, dass der Detektiv seine Beweise zusammen tragen kann. Mit anderen Worten, „Murder“ hat in diesen Minuten keinerlei Erzählung. Und es sind nicht die einzigen.
(Achtung: Spoiler - nicht weiterlesen, wenn man den Film noch sehen will!)
Am Ende wird schließlich das anfangs erwähnte unangenehme Weltbild präsentiert: Es idealisiert die Ehe, die von Anfang an auf Sand gebaut war (das ist die Sache mit dem Schuldgefühl) als wahren Sinn des Lebens der beiden Hauptfiguren. Hier spielen angebliche Verantwortlichkeiten aus Zufällen die entscheidende Rolle. Darüber hinaus verlässt man eine Ehe nicht, welche das Schicksal des Lebens so eindrucksvoll in Stein gemeißelt hat. Wer sich damit anfreunden kann, der tue das. Ich kann es nicht. Darüber hinaus ist die Musik in „Murder“ schwülstigster Schlagerauswurf, der als völlig austauschbarer Einheitsbrei zu Tage tritt.
Bildqualität
Selten huschen ein paar Verschmutzungen oder Bildpunkte durch den Film. Die Schärfe schwankt zwischen gut und angenehm. Vor allem bei Bewegungen sind Schwächen auszumachen. Die Farben sehen demgegenüber so kräftig und intensiv aus, wie es sich für einen Bollywood-Film gehört, wenn er auch nicht ganz bunt ist, wie so manches andere Werk vom Subkontinent. Der Kontrast liefert ein plastisches Bild. Störende Rauschmuster gibt es kaum.Tonqualität
Der 5.1-Ton ist schlicht solide. Die Dialoge sind klar und verständlich, Rauschen tritt nicht auf. Die Musikwiedergabe kommt ohne größere Schwächen und Stärken aus. Die hinteren Boxen haben kaum zu arbeiten.Extras
Das Bonusmaterial besteht aus dem Trailer.Fazit
„Murder“ gehört zu den ganz schwachen Bollywood-Filmen, dessen Geschichte zudem nur dazu dient, ein zwiespältiges Weltbild unter das Volk zu streuen. Technisch liegt die DVD im oberen Bereich des Durchschnitts.Stefan Dabrock
Originaltitel | Murder (Indien 2004) |
Länge | 130 Minuten (Pal) |
Studio | Rapid Eye |
Regie | Anurag Basu |
Darsteller | Ashmit Patel, Mallika Sherawat, Emraan Hashmi, u.a. |
Format | 1:2,35 (16:9) |
Ton | DD 5.1 Hindi |
Untertitel | Deutsch |
Extras | Trailer |
Preis | ca. 14 EUR |
Bewertung | schwach, technisch oberer Durchschnitt |