Todesursache: Kunst!

Murder Party

Murder PartyOptus Warhole lässt in Enki Bilals Graphic Novel „Beast-Trilogy“ (letztlich wurden es vier Bände) 61 Menschen in einer völlig weiss gestrichenen Wohnung umbringen. Dabei bleibt offen, ob es sich um biologische Menschen oder künstliche Repliken handelt. Das „All White Happening“ ist Teil der „Absolute Evil Art“ des größenwahnsinnigen, hier als Jefferson Holeraw auftretenden Warholes.

Jeremy Saulnier nimmt, ob bewusst oder unbewusst, in seinem Film „Murder Party“ die in Bilals Comic zum Ausdruck kommende Auseinandersetzung mit dem Kunstbegriff sowie die Frage auf, inwieweit das Böse den Menschen fasziniert und damit auch untrennbarer Teil seiner Natur ist. Denn neben einem filmischen Zitat der oben beschriebenen Szenerie besitzt die Grundgeschichte in „Murder Party“ Anklänge an die „Absolute Evil Art“, wenn auch in reduzierter Form. Die Hauptfigur Chris, ein vereinsamter, auf Medikamente angewiesener Mann, landet mit einem selbst gemachten Pappkostüm auf einer Halloween-Party, nachdem er die Einladung auf der Straße gefunden hat. Er ist der einzige Gast in der Lagerhalle, denn die übrigen jungen Menschen sind allesamt Kunststudenten, die ihren Besucher auf möglichst faszinierende Weise ins Jenseits befördern möchten. Der medial gebannte Mord als Akt der Kunst soll demjenigen ein hübsches Sümmchen Fördergeld einbringen, dessen Werk dem Mentor Alexander am Besten gefällt. Nachdem Chris auf einen Stuhl gefesselt wurde, muss er sich überlegen, wie er seinem Schicksal als Kunstobjekt entgehen kann. Die groteske Idee, den Mord an einem Menschen als Kunst zu inszenieren, nutzt Regisseur Jeremy Saulnier für seine satirische Betrachtung der Kunstsszene.

Nicht nur die Grundkonstellation an sich wirft Fragen über die Grenzen der Kunst auf – wobei das spätestens seit dem unter anderem durch Otto Muehl und Hermann Nitsch begründeten Wiener Aktionismus der 1960er Jahre nichts Neues mehr ist – auch die Künstler kommentieren über ihr Wesen die Frage nach dem Ursprung der Kunst. Sie selbst erscheinen wie leere Menschen ohne Inspiration, denen die eigenen Kunstwerke ohne Koks möglicherweise selbst erschreckend banal vorkommen würden. Dadurch werfen sie die Frage auf, inwieweit Kunst das Produkt eines künstlerischen Geistes sein muss, oder ob Zufall beziehungsweise ein emotional-intuitives Vorgehen ausreichen, um Kunst zu erschaffen. Vielleicht genügt auch die Macht des Murder Party Faktischen, die dann gegeben ist, wenn genügend Menschen eine Sache als Kunst anerkennen. Die kleine, mit grimmigem Humor in Szene gesetzte Fingerübung zur Kunstthematik gelingt aufgrund des dynamischen Schnitts beziehungsweise der fließenden Kamera, die zwischen den einzelnen Kunststudenten hin und her tanzt. Das absurde Szenario wird durch die jeweilige Kameraeinstellung auf den Punkt überspitzt. Der leere Stuhl, auf dem eben noch der gefesselte Chris gesessen hat, der sich unbemerkt befreit haben muss, als die Kunststudenten über so Tiefsinniges wie Pizza, Thai-Food und andere kulinarische Genüsse unterhalten haben, ist ein Beispiel für den gekonnten Rhythmus. Stacy Rock verkörpert die Kunststudentin Lexi mit der verkoksten Flippigkeit, die das zunehmend hysterische Geschehen in eine amüsante Splatter-Groteske verwandelt.

Bildqualität

Die Schärfe des sauberen Bildes siedelt sich auf solidem Niveau an, so dass die Konturen etwas weich wirken und die Detailfreudigkeit nur durchschnittliche Werte erreicht. Die kräftigen Farben überzeugen ebenso wie der gute Kontrast. Das Bild ist jedoch ein wenig unruhig, so dass Blockbildung und stehende Rauschmuster auftreten. Darüber hinaus ist das Bild in den dunkleren Szenen recht körnig.

Tonqualität

Die 5.1-Tonspuren liefern eine ordentliche Tonkulisse, die aufgrund des kammerspielartigen Charakters nur selten räumliche Qualitäten besitzt. Die Musik bezieht auch die hinteren Lautsprecher mit ein. Die Dialoge sind gut verständlich, störendes Rauschen existiert nicht.

Extras

Der Audiokommentar von Jeremy Saulnier (Regie, Drehbuch), Chris Sharp (Produktion, Darsteller) und Macon Blair (Darsteller) gehört zu den schwächeren Vertretern seiner Zunft. Die drei lassen zwar durchaus die Set-Atmosphäre aufleben und geben Einblicke in die Produktionsbedigungen im Independentbereich, aber viele der Ausführungen zu einzelnen Personen und Ereignissen haben privaten Charakter und sind ohne Wert für Leute, die nicht dabei waren. Während des laufenden Kommentars ruft scheinbar einer der Darsteller auf einem Handy an. Das Telefonat ist über das Mikrophon gut zu hören, so dass auch diese Aussagen Teil des Kommentars werden. Ob es sich dabei um ein zufälliges Telefonat oder um eine Inszenierung für den Kommentar handelt. Lässt sich nicht feststellen. So bleibt es zunächst als skurrile Fußnote bestehen.

Murder PartyDas Making Of (etwa 25 Minuten) überzeugt vor allem durch Ausschnitte der auf VHS gedrehten Frühwerke der „Murder Party“-Truppe. Als Jugendliche drehten sie Filme wie „Megacop“ (1986) und „Beowolf“ (1990). Da der Kontakt auch später nie abgerissen ist, formierten sie sich erneut, um „Murder Party“ zu realisieren. Neben den interessanten Ausführungen zur Entwicklung des Projektes enthält das Making Of auch viele Interviewschnipsel, in den kaum mehr als eine Inhaltsangabe zu „Murder Party“ zu hören ist. Ein Making Of mit Licht und Schatten. Die etwa vier Minuten lange Outtake-Rolle ist mäßig amüsant, da giggelnde Darsteller, die ihren Text mal wieder nicht aufsagen können, nur begrenztes Amüsenmentpotential besitzen. „Bastle Dein eigenes 'Brown Knight“ Kostüm“ (etwa fünf Minuten) zeigt Chris Sharp, der per Videoanleitung die Kostümherstellung erläutert. Zum Nachmachen für jedermann. Die im Film nur auf einem Kameradisplay abgespielte Videoinstallation der Kunststudentin Lexi ist hier im Vollbild mit einer skurrilen Einleitung enthalten (etwa 1 Minute und 20 Sekunden). Der Trailer rundet das Bonusmaterial ab.

Fazit

„Murder Party“ kreuzt die Horror-Komödie mit einer Reflexion über den Kunstbegriff. Als Fingerübung überzeugt das Werk vor allem durch den Schnitt, der die Dramaturgie auf den Punkt überzeichnet, so dass der Komödienfaktor gut ausgespielt wird. Technisch ist die DVD solide.

Stefan Dabrock

   
Originaltitel Murder Party (USA 2007)
Länge 77 Minuten (Pal)
Studio Atomik Films
Regie Jeremy Saulnier
Darsteller Alex Barnett, Macon Blair, Chris Sharp, Stacy Rock, Sandy Barnett, Paul Goldblatt, Skei Saulnier, u.a.
Format 1:1,78 (16:9)
Ton DD 5.1 Deutsch, Englisch
Untertitel Deutsch
Extras Audiokommentar mit Jeremy Saulnier (Regie, Drehbuch), Chris Sharp (Produktion, Darsteller) und Macon Blair (Darsteller), Making Of, u.m.
Preis ca. 17 EUR
Bewertung gute Fingerübung, technisch solide