Dem
Wahnsinn verfallen
Imprint (geschnittene Version)
special:
masters of horror - alle folgen
Takashi
Miikes Episode wurde im amerikanischen Fernsehen nicht ausgestrahlt,
weil die Zensoren sie nicht ohne Schnittauflagen durchwinken wollten.
Die Macher der Masters of Horror Serie ihrerseits wollten keine geschnittene
Ausstrahlung. Trägt eine solche Information bereits zur Legendenbildung
bei, wird diese wieder relativiert, wenn man weiß, dass "Imprint"
im britischen Fernsehen ungeschnitten zu sehen war. 10 Moralwächter
ergeben vermutlich auch 10 Meinungen und so hat es wenig Sinn, aufgrund
drastischer Aussagen wie "Banned in America" (zu lesen auf
der Imdb-Seite von "Imprint") Legenden über die Härte
einer Folge zu spinnen oder daran ihren Wert zu bemessen (wie es der
Klappentext auf den deutschen DVDs im übrigen zu allen Serienteilen
versucht). Was zählt ist das Werk selbst.
Die Geschichte, die Miike erzählt, ist im Stile einer kleinen
Schauergeschichte gehalten, die in scheinbar gewöhnlichen gesellschaftlichen
Verhältnissen das Grauen sucht. Ein Amerikaner reist nach Japan,
um seine Geliebte zu finden, die er mit nach Amerika nehmen möchte.
Da die junge Frau jedoch inzwischen ins Prostituiertenmilieu abgerutscht
ist, besucht der Amerikaner ein Bordell nach dem anderen, um sie zu
finden. So führt ihn sein Weg auch auf eine Bordellinsel, wo
er nur die Mitteilung erhält, dass sich seine Geliebte nicht
dort aufhält. Da das nächste Schiff erst wieder morgens
ablegt und es jetzt abends ist, lässt sich der Amerikaner überreden,
mit einer Prostituierten aufs Zimmer zu gehen. Er wählt eine
Frau aus, die abseits im Hintergrund sitzt, und man ahnt bereits,
dass hinter solch zurückhaltender Fassade etwas Finsteres schlummern
muss. Im Lauf der Nacht erfährt der Amerikaner Details über
den Verbleib seiner Geliebten sowie die damit verbundene Lebensgeschichte
seiner Prostituierten, die seine Vorstellungskraft übersteigen.
Miike ist ein Regisseur, der bereits mit "Audition" bewiesen
hat, in welch geschickter Art und Weise er seine Dramaturgie aufzubauen
vermag. Alles was der Amerikaner und mit ihm der Zuschauer in "Imprint"
erfährt, stammt aus dem Mund der Prostituierten, ist folglich
nur erzählte "Wirklichkeit". Zunächst berichtet
die Frau über ihre wenig schöne Vergangenheit, welche die
ärmlichen gesellschaftlichen Verhältnisse sowie die damit
verbundene Gewalt beinhaltet, denen sie entstammt. Mit jedem Nachfragen
des Amerikaners, der mehr wissen will, "enthüllt" die
Prostituierte weitere Details, welche schließlich immer unangenehmer
werden, bis die Schmerzgrenze der Realität erreicht ist. Miikes
Episode ist deswegen brillant, weil sie auf vielen verschiedenen Ebenen
funktioniert. Bei intellektueller Herangehensweise offenbart sich
recht schnell, dass die Prostituierte symbolisch für den Regisseur
im allgemeinen (also nicht Miike selbst) als Geschichtenerzähler
und der Amerikaner für das Publikum steht. Über diese Konstellation
reflektiert Miike die Beziehung zwischen beiden Akteuren, die durch
ein immer stärkeres Verlangen nach Sensationen auf Seiten des
Zuschauers geprägt ist. Der Amerikaner könnte aufhören
nachzufragen, genauso wie der Zuschauer aufhören könnte,
die Episode weiter zu sehen, aber er tut es nicht, weil der Drang
nach Sensationen befriedigt werden muss. Genauso könnte die Prostituierte
oder der Regisseur mit der Erzählung aufhören, aber auch
er/sie tut es nicht. Beide verbindet eine seltsame Abhängigkeit,
welche den Zuschauer auf die Frage zurückwirft, warum er sich
das ansieht. Eine Antwort gibt Miike indes nicht, die drastischen
Elemente seiner Inszenierung korrespondieren aber genau damit.
Gleichzeitig
funktioniert "Imprint" als Schauergeschichte, bei der sich
Stück für Stück ein weiteres schauerliches Detail enthüllt,
über dessen Wahrheitsgehalt nur spekuliert werden kann. Schon
zu Beginn baut Miike eine seltsam entrückte Atmosphäre auf,
indem bei der Bootsfahrt zur Insel eine schwimmende Leiche gefunden
wird, die sonst niemanden zu überraschen scheint. Im Zimmer einer
Seiteninstrumentspielerin befinden sich elektrisch betriebene Lampen,
was im 19 Jahrhundert - zu der Zeit scheint der Film aufgrund der
übrigen optischen Gegebenheiten zu spielen - kaum der Fall gewesen
sein kann. Die Prostituierte warnt den Amerikaner, dass die Insel
nicht zur Welt der Menschen, sondern zur Welt der Dämonen und
Huren gehört. Das alles sind Zeichen des Übernatürlichen,
welche die Geschichte ins Reich des irrealen Schreckens und Wahnsinns
verlegt. In seiner Sucht nach Informationen ist der Amerikaner aber
bereit, jede noch so brutale Erzählung zu glauben. Dabei gerät
er in einen Strudel aus irrsinnigen Folterphantasien, Schändungen,
Inzest und anderen unerträglichen Details, die sich wie ein fiebriger
Kleber auf seinen Geist legen, bis er selbst vollständig dem
Wahnsinn verfallen zu scheint. Billy Drago spielt den langsamen geistigen
Verfall, der schon zu Beginn der Geschichte eingesetzt hat, ebenso
mit großer Überzeugungskraft, wie Youki Kudoh der Prostituierten
einen hinterhältig grimmigen Einschlag verleiht.
Alle Elemente verbinden sich zu einem stimmigen und schaurigen Gesamtbild,
dessen Ende eine beunruhigend seltsame Szene bereithält.
Hinweis: Bei der deutschen Veröffentlichung handelt es sich
um eine in der Folterszene geschnittene Version. Diese Schnitte
waren für die FSK-Freigabe (keine Jungendfreigabe) notwendig.
Bildqualität
Die
Bildqualität siedelt sich in "Deer Woman"-Regionen
an. Bildpunkte oder Verschmutzungen gibt es selbstverständlich
nicht zu beklagen. Die Schärfe ist sehr gut, das Bild wirkt detailreich.
Die Farbwiedergabe ist sehr gelungen, gleiches gilt für den tiefen
Schwarzwert, so dass sich die einzelnen Szenen gut entfalten können.
Rauschmuster halten sich in engen Grenzen.
Tonqualität
Der
Ton entfaltet seine dynamischen Qualitäten vor allem auf den
vorderen Lautsprechern. Die Dialoge werden rauschfrei und verständlich
wiedergegeben. Eine echte räumliche 5.1-Kulisse entwickelt sich
kaum. Insgesamt kann man aufgrund der guten restlichen Abmischung
aber sehr zufrieden sein.
Extras
Auch
das Bonusmaterial gleicht sich der Episodenqualität an.
Die etwa 47minütige Dokumentation "Imprinting" folgt
dem Stil japanischer Making Ofs, welche die Dreharbeiten dokumentarisch
ihrem zeitlichen Verlauf begleiten. So sind B-Roll-Szenen mit Einblendungen
über den Drehort und das Datum zu sehen, zu denen passende Interviewausschnitte
der Darsteller und Darstellerinnen, des Regisseurs oder anderer Beteiligter
geschnitten werden. Dabei erfährt man einiges über die Dreharbeiten,
sowie die Konzeption einzelner Szenen und die Sichtweise der Beteiligten
auf die Geschichte. Unter anderem kommt auch die Autorin der zugrunde
liegenden Geschichte zu Wort, welche sich breit über die in "Imprint"
entworfene Welt äußert. Interessant auch, wie viele der
japanischen Darsteller gelernt haben, die englischen Sätze auszusprechen,
ohne dass sie die Sprache beherrschen.
Das rund 15minütige Making Of besteht aus vier einzeln anwählbaren
Teilen mit den Titeln "The Sister (Double Size)", "The
Newborn Woman and Sister", "The Sister (Actual Size)"
und "Kill, Kill, Kill!" Hier geht es hauptsächlich
um die Spezialeffekte, deren Entstehung beleuchtet wird. Dabei werden
die Modelle auf interessante Weise durch den Macher der Spezialeffekte
erläutert. Das beinhaltet auch die Dreharbeiten mit den Modellen.
Das etwa 41minütige Interview mit Takashi Miike lässt überhaupt
keine Fragen offen. Der japanische Regisseur beleuchtet ausführlich
seine Regiemethodik (Handzeichen, Lautmalerei, etc.) und äußert
sich zum inhaltlichen Konzept seiner Episode, indem er zwar keine
konkreten Interpretationen bietet, aber Denkanstöße liefert.
Zwischen den etwas unterbelichteten Aufnahmen Miikes, die in einem
Kino entstanden sind, werden Aufnahmen vom Set geschnitten, bei denen
Miike bei seiner engagierten Arbeit beobacht wird.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das Bonusmaterial
rundum gelungen ist.
Fazit
In
"Imprint" reflektiert Takashi Miike über das Verhältnis
Geschichtenerzähler/Regisseur - Zuhörer/Zuschauer, indem
er seine Schauererzählung als reines Abhängigkeitsverhältnis
zwischen Erzähler und Zuhörer gestaltet. Gleichzeitig entwickelt
sich das Geschehen als immer fiebriger wirkende Reise in eine irreale
Welt aus Schauer und Schrecken. Technisch ist die DVD sehr gut, das
Bonusmaterial ist ausgezeichnet.
Stefan Dabrock
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Originaltitel |
Imprint
(USA 2005) |
Länge |
56
Minuten (Pal) |
Studio |
Splendid |
Regie |
Takashi
Miike |
Darsteller |
Billy
Drago, Youki Kudoh, Michie Itô, u.a. |
Format |
1:1,78
(16:9) |
Ton |
DD
5.1 Deutsch, Englisch |
Untertitel |
- |
Extras |
Interviews,
Making Of, u.m. |
Preis |
ca.
14 EUR |
Bewertung |
gut,
technisch sehr gut |
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