Ausgesaugtes
Leben
Martin
George
A. Romero ist hauptsächlich aufgrund seiner Zombiefilme bekannt,
zuletzt lief sein "Land of the Dead" auch in den deutschen
Kinos. Sein filmisches Gesamtwerk umfasst daneben auch Werke mit ganz
anderen Themenbereichen. Der 1977 entstandene "Martin" interpretiert
den Vampirmythos auf eine ganz persönliche Weise. Die Titelfigur
Martin reist zu Beginn per Zug zu seinem Cousin Cuda, der in Pittsburgh
lebt. Fortan wohnt Martin bei Cuda und dessen Tochter. Der junge Mann
hilft im Geschäft seines Cousins aus, indem er Botengänge
übernimmt. Cuda kennt aber auch die dunkle Seite Martins, der
immer wieder Blutdurst verspürt, und verbietet ihm, Opfer in
der eigenen Stadt zu suchen. Immer wiederkehrend muss Martin jedoch
seinem Drang nachgehen, so dass er Frauen auflauert, um schließlich
ihr Blut zu trinken. Er betäubt sie zunächst durch eine
Injektion, trinkt ihr Blut und übt an ihnen danach sexuelle Handlungen
aus, weil er sich bislang nicht traute, eine lebendige Partnerin zu
suchen. Das Vergnügen gewöhnlichen Sexes eröffnet ihm
erst eine unglücklich verheiratete Hausfrau, deren Zuneigung
Martins Seelenzustand zu stabilisieren scheint. Cuda bezeichnet Martin
mehrfach als Nosferatu. In seinem Haus lagert er Knoblauchzehen und
hängt Kruzifixe auf, um sich und seine Tochter vor Martins Blutdurst
zu schützen. Keines der klassischen Abwehrutensilien zeigt jedoch
irgendeine Wirkung. Martin hantiert offensiv mit dem Knoblauch herum,
um Cuda zu überzeugen, dass dies sinnlos ist. Auf diese Weise
bleibt völlig offen, wie es zu Martins Zustand kam. Der völlig
in sich gekehrte junge Mann könnte einerseits tatsächlich
ein Vampir sein, andererseits ist es auch möglich, dass ihm seine
repressive Umgebung das nur eingeredet hat. "Martin" zeichnet
das sensible Portrait eines Menschen, der sich in einem Zustand höchster
Seelenpein befindet. Seine einzigen sozialen Kontakte bestehen zu
Cuda, der ihn als Nosferatu diffamiert, dessen Tochter, die ihn zwar
ernster nimmt, aber mit anderen Dingen beschäftigt ist, und den
Opfern, deren Blut er trinkt. Martins Vampirismus wirkt wie das sehnsüchtige
Verlangen nach einem Leben, dass er in seiner Isolation nicht hat.
Verzweifelt saugt er
anderen
Menschen in der Hoffnung den Lebenssaft aus, seiner Existenz neue
Impulse zu verleihen. Romero inszeniert den Vampirmythos in diesem
Sinne als soziologische Metapher. Es ist kein Zufall, dass das Pittsburgh
des Films wie eine Stadt des Niedergangs erscheint, deren Bevölkerung
abwandert oder unglücklich ist. Keine der auftretenden Figuren
besitzt ein intaktes Sozialleben. Die Hausfrau, welche Martin Sex
anbietet, ist verheiratet, eines seiner Opfer überrascht er gerade
bei einem Seitensprung. Deswegen ist Martins Suche nach einem besseren
Leben auch zum Scheitern verdammt. Denn das bessere Leben gibt es
in Romeros düsterer Gesellschaftssicht schon längst nicht
mehr. Durch seine Welt wandert der Tod und letztlich ist es egal,
ob er körperlich oder sozial erlitten wird.
Bildqualität
Vielleicht
sollte man "Neuer 16:9 Widescreen Transfer von HD" nicht
ganz so offensiv auf das Cover der DVD schreiben, denn letztlich handelt
es sich bei "Martin" um einen 28 Jahre alten Low-Budget-Film,
dessen Bildqualität die dadurch geweckten Erwartungen niemals
erfüllen kann. Das Bild ist nicht besonders scharf, auch wirkt
es wenig detailreich. Die Farben sind weitgehend in Ordnung und auch
der Kontrast arbeitet auf brauchbarem Niveau. Das Bild ist teilweise
ungemein körnig, auch treten häufig stehende Rauschmuster
auf. Viel mehr ist bei "Martin" wahrscheinlich auch kaum
herauszuholen, nur muss sich Capelight angesichts der oben erwähnten
vollmundigen Werbung nicht wundern, wenn der Käufer unter Umständen
bitter enttäuscht ist. Insgesamt ist der Transfer unter Berücksichtigung
des Filmalters sowie der Produktionsbedingungen in Ordnung.
Tonqualität
Auch
der Mono-Ton liefert eine Vorstellung, die akzeptabel ist. Natürlich
tritt ein leichtes Rauschen auf. Der englische Ton ist dumpfer als
die deutsche Synchronisation und es kommt zu leichten Verzerrungen.
Dennoch lassen sich die Dialoge gut verstehen, so dass man nicht viel
zu kritisieren braucht. Wer es nicht lassen kann, dem Film einen Ton
aufzupfropfen, der niemals vorgesehen war, der kann auch einen deutschen
oder englischen 5.1-Upmix anwählen.
Extras
Auf
dem Audiokommentar sind George A. Romero (Regie), Michael Gornick
(Kamera), Richard Rubinstein (Produktion) und Tom Savini (Spezialeffekte)
zu hören. Es scheint so, als träfen sich hier ein paar alte
Bekannte wieder und so hört sich auch der Audiokommentar an.
Nur ganz selten äußert man sich in interessanter Weise
zum Film, wenn beispielsweise einzelne Motive erläutert werden.
Auch ein paar Produktionsanekdoten und die Arbeitsweise von George
A. Romero im Schneideraum gehören zu den brauchbaren Teilen des
Kommentars. Über sehr weite Strecken lobt man sich jedoch gegenseitig,
macht belanglose Witze über die Nacktszenen des Films oder erzählt,
in wessen Haus eine Szene gedreht wurde. Da man die Hausbesitzer jedoch
nicht kennt, ist das lediglich von privatem Interesse für die
Kommentatoren. Der nicht beteiligte Zuhörer bleibt dabei ausgeschlossen.
"Making Martin: A Recounting" ist ein etwa 10minütiger
Beitrag, in dem sich Romero (Regie), Savini (Spezialeffekte), Rubinstein
(Musik) und ein paar der Darsteller an die Produktion erinnern. In
knapper Form erzählen die Beteiligten etwas über die Produktionsumstände
oder ihre Sicht auf den Film. Auf diese Weise wird ein bisschen der
Geist der damaligen Zeit lebendig, in dem der Film entstanden ist.
Zwei Radiospots, ein TV-Spot, der Trailer und eine Fotogalerie runden
das Bonusmaterial ab.
Fazit
George
A. Romeros "Martin" nutzt den Vampirmythos für eine
faszinierende Gesellschaftsmetapher, die ein düsteres Bild sozialer
Beziehungen zeichnet. Technisch ist die DVD in Ordnung, das Bonusmaterial
überzeugt jedoch nicht, weil der Audiokommentar sehr schwach
ausfällt.
Stefan Dabrock
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Originaltitel |
Martin
(USA 1977) |
Länge |
91
Minuten (Pal) |
Studio |
Capelight |
Regie |
George
A. Romero |
Darsteller |
Lincoln
Maazel, John Amplas, Christine Forrest, Elyane Nadeau, u.a. |
Format |
1:1,85
(16:9) |
Ton |
DD
5.1 Deutsch, Englisch; DD 2.0 Mono Deutsch, Englisch |
Untertitel |
Deutsch |
Extras |
Audiokommentar
von George A. Romero (Regie), Michael Gornick (Kamera), Richard
Rubinstein (Produktion) und Tom Savini (Spezialeffekte); Making
Of, u.m. |
Preis |
ca.
20 EUR |
Bewertung |
guter
Film, technisch mittelmäßig |
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