Der vorliegende Titel ist zugegebenermaßen keine aktuelle Veröffentlichung, erschien Vladan Nikolics ungewöhnlicher Thriller doch schon vor einem Jahr als Nummer Eins der Midnite Xpress Collection. Da die Reihe Ende Mai diesen Jahres mit den Titeln „A Gun for Jenifer“ (Regie: Todd Morris, 1996) und „Vampire Diary“ (Regie: Mark James, Phil O'Shea; 2007) – Besprechungen folgen – fortgesetzt wurde, soll hier die Gelegenheit genutzt werden, Nikolics Werk zu würdigen. Das New York des Films wird von zugereisten Charakteren dominiert, die in der Metropole auf der Suche nach Liebe und Identität sind. Unter ihnen befindet sich ein Mann, der als Profikiller Onkel Vanya ein Dasein als Schatten lebt. Ursprünglich stammt er aus dem ehemaligen Jugoslawien, wo er als Waisenkind aufwuchs und schließlich der Armee beitrat. Seine Volkszugehörigkeit ist völlig unklar. Er folgte seiner Geliebten Anna nach New York, die aus Deutschland stammt und in der Metropole als Ärztin arbeitet. Obwohl sie sich dann doch wieder aus den Augen verloren haben, liebt Onkel Vanya Anna immer noch. Deswegen versucht er die Beziehung neu in Schwung zu bringen, als er ihr zufällig bei einem Auftrag über den Weg läuft. Anna ist jedoch inzwischen mit dem Polizisten Dirk zusammen, führt die Beziehung aber nur halbherzig. Die Ereignisse um Onkel Vanyas Auftrag forcieren nicht nur die Konflikte innerhalb der Dreiecksbeziehung, sie bringen auch die den Auftraggeber des Killers auf den Plan, so dass sich alles immer weiter zuspitzt.
Im Stile eines Thrillers läuft die Geschichte auf ein dramatisches Finale zu, das noch einmal die Verlorenheit der Charaktere auf konsequente Weise reflektiert. Onkel Vanya bildet die zentrale Figur in Vladan Nikolics Panoptikum der gestrandeten Figuren. Als Waisenkind aus Ex-Jugoslawien ohne einen Hinweis darauf, ob er nun Serbe, Kroate oder Teil einer anderen Volksgruppe ist, ist seine Identität eine Nullstelle. Zeit seines Lebens musste er sich selbst ein Bild seiner Wurzeln erschaffen. Daraus wurde eine Existenz als Heimatloser, als Schatten, der sich in seine Profession flüchtet, die ihm zur Heimat geworden ist. Er ist der Profikiller, weil er das in der Armee gelernt hat und keine anderen Orientierungspunkte besitzt. Anna könnte so ein neuer Leitstern sein, wenn sie nicht selbst am Elend während der Kriege auf dem Balkan verzweifelt wäre, als sie für „Ärzte ohne Grenzen“ im Einsatz war. Aus der engagierten Helferin ist eine Frau geworden, die sich mit nüchterner Professionalität ihren Patientinnen in New York widmet, ohne tiefe Emotionalität entwickeln zu können. Die Beziehung zu Dirk führt sie, weil es alleine irgendwie auch nicht geht, ihre Heimat aber ist ihre professionelle Einstellung geworden, mit der sie als Ärztin arbeitet. Dirk wünscht sich eine tiefergehende Zweisamkeit, zu der Anna aber nicht mehr fähig ist. Sie, Onkel Vanya und auch viele der Nebenfiguren haben sich in ihre Profession zurückgezogen, um das Leben noch durchstehen zu können. Die Suche nach Identität, Heimat und Liebe spiegelt Nikolic mit seinem Inszenierungsstil wieder, der erst nach und nach verschiedene Aspekte des gleichen Geschehens offenbart.
Die Parallelität einzelner Handlungsteile löst er auf, indem er in verschiedenen Räumen stattfindende, zusammengehörige Ereignisse nacheinander schneidet. Der Mord in einem Hotel, der als Katalysator für das folgende Geschehen wirkt, gibt seine Geheimnisse erst nach einigen Durchläufen preis, welche die Rolle der verschiedenen Charaktere beleuchten. So entwickelt sich eine Atmosphäre der Undeutlichkeit, da hinter jeder Wahrheit eine weitere steckt, die das Geschehen wieder uminterpretiert. Die Verlorenheit der Charaktere überträgt sich auf kunstvolle Weise auf den Zuschauer, der in das Geflecht der Suchenden eintauchen kann. Die Handlung wird zu einem Nebeneinander diverser Emotionen, wenn ein brutaler Killer – nicht Onkel Vanya, sondern eine Nebenfigur – kurz darauf am Bett seiner krebskranken Frau sitzt, die im Koma liegt. So lässt sich „Love“ immer wieder neu erfahren, da er die Möglichkeit bietet, aus den zahlreichen, kleinen Geschichten jeweils andere Aspekte herauszugreifen. Allen gemeinsam ist nur ihr elegischer Charakter, der die Suche nach innerer Klarheit als tragisches Scheitern reflektiert.
Bildqualität
Das saubere Bild des aktuellen Films präsentiert sich mit angenehmer Schärfe. Das gilt sowohl für die Konturendarstellung als auch für den Detailreichtum. Die reduzierte Farbpalette spiegelt das visuelle Konzept des Films ausgezeichnet wieder. Das gilt auch für die leichte Körnigkeit, die Ausdruck des verwendeten Filmmaterials ist. Der Kontrast sorgt nicht immer für ein plastisches Bild, so dass manche Bildinhalte ineinander laufen. In homogenen Flächen ist hier und da Blockrauschen zu sehen.Tonqualität
Der englische 2.0-Ton besitzt eine gewöhnungsbedürftige Abmischung, da Lautstärke der Dialoge deutlich schwankt. So ist es schwer, manchen Passagen zu folgen, während andere wieder unangenehm laut erscheinen. Das geht vermutlich auf die Produktionsumstände des Films und nicht die der DVD zurück. Davon abgesehen ist der Ton in Ordnung.Extras
Das Behind-the-scenes-Material (etwa 14 Minuten und 30 Sekunden) besteht aus B-Roll-Aufnahmen und Interviewaussagen des Regisseurs Vladan Nikolic, der ein wenig über das Innenleben der Charaktere sowie die filmische Struktur und die Produktionsbedingungen zum besten gibt. Ein solider Beitrag. Vladan Nikolics Kurzfilm „Serendipity“ (etwa 9 Minuten und 30 Sekunden) ist eine hübsche Fingerübung auf dem Gebiet der surrealistischen Komödie, die als Stummfilm daherkommt. Die Handlung sollte man unvorbereitet erfahren können, so dass eine Inhaltsangabe an dieser Stelle ausbleibt. Der Trailer und eine längere Trailerversion runden das Bonusmaterial ab.Fazit
Das teilweise elegische Portrait verlorener Charaktere auf der Suche nach Heimat in ihren diversen Ausprägungen überzeugt durch seine geschickte Schnitttechnik und einen präzisen Blick auf das Innenleben der einzelnen Figuren. Technisch ist die DVD oberer Durchschnitt.Stefan Dabrock
Originaltitel | Love (Serbien-Montenegro 2005) |
Länge | 91 Minuten (Pal) |
Studio | Independant Partners Filmverlag |
Regie | Vladan Nikolic |
Darsteller | Sergej Trifunovic, Geno Lechner, Peter Gevisser, Didier Flamand, u.a. 1:1,85 (16:9) |
Format | 1:1,85 (16:9) |
Ton | DD 2.0 Englisch |
Untertitel | Deutsch |
Extras | Behind the scenes, Trailer, u.m. |
Preis | ca. 18 EUR |
Bewertung | sehr gut, technisch oberer Durchschnitt |