Flucht in die Falle

Living & Dying

Was wäre, wenn ein paar Gangster Geiseln nehmen und feststellen müssen, dass sich unter den Geiseln zwei Gestalten befinden, die deutlich fieser als sie selbst sind? Das ist die Grundidee, welche hinter dem kleinen B-Thriller „Living & Dying“ steckt. Vier Räuber überfallen das Lohnbüro eines örtlichen Wirtschaftsbosses. Ihre anschließende Flucht mit der fetten Beute endet bereits nach ein paar Metern, da die Polizei früher am Tatort auftaucht, als das die Gangster erwartet hatten. Sie fliehen in eine kleine Kaffee-Bar und nehmen die Handvoll Gäste als Geiseln. Der grandios gescheiterte Raubzug wird zum völligen Desaster, als zwei der Gäste ihre Waffen ziehen. Um das Kommando zu übernehmen. Sie wissen zwar überhaupt nicht, wie sie heil aus der Sache herauskommen wollen, aber das große Geld ist zu verlockend, um es den unerfahrenen Räubern zu überlassen. Die unübersichtliche Situation, welche die Polizei nicht kennt, erschwert die Verhandlungen. Darüber hinaus taucht im Auftrag des bestohlenen Wirtschaftsbosses ein speziell ausgebildeter Agent auf, der zum Ärger des leitenden Polizeibeamten mit Rückendeckung durch den örtlichen Polizeichef den Einsatz an sich reißt. So spitzt sich nicht nur die Situation zwischen Gangstern und Ordnungshütern zu, auch innerhalb der Gruppen kochen die Konflikte hoch.

Es besteht nicht der geringste Zweifel daran, dass Drehbuchautor und Regisseur John Keeyes gegen Ende des Films selbst nicht genau wusste, wie er aus der Sache wieder herauskommen sollte. Denn wenn die beiden Gangster-Figuren, welche im Laufe des Films das Kommando über die Geiselnahme übernommen haben, keinen Fluchtplan haben, dann kann nur noch eine plötzliche, ungeplante Entladung oder ein glücklicher Zufall die aufgestaute Konfliktsituation beenden. In beiden Fällen muss der Drehbuchautor auf das Mittel der überraschenden Wendung zurückgreifen, wovon John Keeyes so reichhaltig Gebrauch macht, dass er sich im selbst ausgelegten Netz diverser Details verheddert. Das Ergebnis ist grober Unfug auf den letzten Filmminuten, der gar nicht nötig gewesen wäre, wenn Keeyes das begonnene Drama mit grimmiger Entschlossenheit zu Ende erzählt hätte. Das wäre dann zwar nicht überraschend, aber stimmig und ohne Verrat an der eigenen Geschichte gewesen. Die entfaltet bis kurz vor Schluss ihr solides, gemeines Potential, das im Filmtitel bereits sehr treffend ausgedrückt wird. Im Brennpunkt der verschiedenen Gruppen, die jeweils eigene Interessen verfolgen, treffen die unterschiedlichen Strategien und Ziele so konfliktreich aufeinander, dass eine friedliche Lösung unmöglich ist. „Wenn du krepierst, lebe ich“ war bereits der deutsche Filmtitel eines exzellenten italienischen Thrillers aus dem Jahr 1977 (Regie: Pasquale Festa Campanile). Der Satz beschreibt das Credo der beteiligten Gruppen in „Living & Dying“ sehr gut. Bei ihnen ist die eigene Existenz so eng mit dem Erreichen der Ziele verbunden, dass eine friedliche Lösung mindestens ihren sozialen Tod zur Folge hätte.

Das Leben der anderen wird vor diesem Hintergrund zur unwichtigen Größe. Insofern spitzt Keeyes die Situation geschickt auf einen Punkt zu, an dem zeitweise nur noch die rohe Kraft der einzelnen Machtstrategien waltet. Unter dem Einfluss der Kräfte würden Menschlichkeit und Ambivalenz bis zur Unkenntlichkeit zermalmt werden, das düstere Drama könnte sich grimmig entfalten und eine Analyse in Sachen Gewalt in Verbindung mit Gruppendynamik wäre die Folge. Vor dem Hintergrund einer abstrakten Modellsituation spielte der Vergleich mit der Realität, also die Glaubwürdigkeit nur eine untergeordnete Rolle, so dass die Kritik hier nicht ansetzen könnte Aber Keeyes verlässt diesen Pfad zugunsten einer Überraschungstüte, welche das Grundmoment des „Großen Coup“ retten soll. Die Folgen sind traurig. Der Film wird nicht nur harmlos, sondern auch noch dumm. Die teilweise drastische Gewalt verliert ihre Legitimität, da sie nicht mehr in ein konzeptionelle Gerüst eingebunden ist.

Bildqualität

Die kleine Produktion kommt auf der DVD mit gutem Bild daher. Dreckspuren oder Bilddefekte verbieten sich bei einem aktuellen Film ohnehin, aber auch die Schärfe vermag zu überzeugen. Sie ist aufgrund der Produktionsbedingungen zwar nicht bis ins kleinste Detail gestochen scharf, siedelt sich aber im guten Bereich an. Lediglich bei manchen Bewegungen werden die Konturen etwas matschig. Die Farbwiedergabe kommt ohne nennenswerte Schwächen aus, der Kontrast sorgt für ein ausgewogenes Bild. Das leichte Hintergrundrauschen stört nicht, sonstige Rauschmuster treten nicht auf.

Tonqualität

Der 5.1-Ton hält sich über weiter Strecken zurück, da die kammerspielartige Grundsituation nur selten Möglichkeiten für eine räumliche Klangkulisse bereit hält. Bei den Schießereien hat man aber auf laute Geräuscheffekte wert gelegt, die sich auf die Lautsprecher verteilen. Die deutsche Synchronisation klingt wie üblich wesentlich künstlicher als der Originalton. Die Dialoge sind in beiden Varianten klar und verständlich, störendes Rauschen gibt es nicht.

Extras

Das Bonusmaterial besteht aus dem Trailer.

Fazit

„Living & Dying“ scheitert auf den letzten Filmminuten. Regisseurs John Keeyes opfert das gruppendynamische Machtspiel der diversen Figuren zugunsten harmloser Schlusspointen, die dem Film nicht nur seine Grimmigkeit, sondern vor allem auch seine Stimmigkeit nehmen. Technisch ist die DVD gut.

Stefan Dabrock

   
Originaltitel Living & Dying (USA 2007)
Länge 94 Minuten (Pal)
Studio Galileo Medien
Regie John Keeyes
Darsteller Edward Furlong, Bai Ling, Michael Madsen, Arnold Vosloo, u.a.
Format 1:1,85 (16:9)
Ton DD 5.1 Deutsch, Englisch
Untertitel Deutsch
Extras Trailer
Preis ca. 15 EUR
Bewertung gescheitert, technisch gut