Zensiert!

The Last Horror Movie

Nach langen und schwierigen Auseinandersetzungen mit der FSK hat Legend Films im letzten Jahr schließlich die Bewertung "keine Jugendfreigabe" für eine 59 Minuten lange Fassung des britischen Films "The Last Horror Movie" bekommen. Ungekürzt ist der Film bei PAL-Kodierung 75 Minuten und 42 Sekunden lang. Die deutliche Diskrepanz zwischen den beiden Längen verdeutlicht, dass hier eine der stärksten Zensurmaßnahmen der letzten Zeit statt gefunden hat. Da auch die 59 Minuten lange Version durchaus drastisch wirkt, stellt sich die Frage, was den vollständigen Film so unzumutbar machte, dass erwachsene Menschen ihn in Deutschland nicht sehen sollen. Kurz die Inhaltsangabe des Films: "The Last Horror Movie" beginnt mit Szenen eines stylishen Horrorfilms, wie er aus Hollywood stammen könnte. Während der ersten Mordszene erscheint plötzlich Bildrauschen und Max Parry ist auf dem Bildschirm zu sehen. "The Last Horror Movie" suggeriert, man habe sich eine Videokassette aus einer Videothek ausgeliehen, bei der Parry seinen privaten Film über den ursprünglichen Horrorfilm kopiert hat. Parry erläutert uns als Zuschauer, dass sein Film interessanter sei. Zur Dokumentation zeigt er gleich einen seiner Morde, denn Parry ist ein Serienkiller, der seine Taten von einem Assistenten filmen lässt. Wir sehen nun eine Auswahl seiner Morde. Dabei wendet sich Parry zwischen durch immer wieder an den Zuschauer und reflektiert unter anderem über die Lust des Sehens. Sein Film enthält indes nicht nur Morde sondern auch Szenen aus seinem restlichen Leben, denn Parry verdient Geld damit, bei Hochzeiten zu filmen, darüber hinaus besucht er seine Schwester, weil er ihren Sohn sehr mag, oder trifft sich mit ihr und ihren Bekannten zum Picknick im Park.
Die Mordszenen des Films wirken aufgrund ihrer dokumentarischen Inszenierung und der Motivlosigkeit des Täters sehr hart, da man ihn nicht verstehen kann. Das gilt auch bereits für die 59 Minuten lange Version, wobei die ungeschnittene Fassung durch ein paar Szenen wesentlich drastischer ist. Jenseits der einfachen Gewalt, die von der FSK beanstandet wurde und die nur partiell abgemildert wurde, haben die Schnittauflagen das Ziel, das filmische Konzept Julian Richards auszulöschen. So musste alle Szenen entfernt werden, in denen der Täter bei seiner filmischen Arbeit mit Inszenierungsarten spielt und dadurch über das Medium Film sowie die Lust am Sehen reflektiert. Besonders augenfällig dafür ist ein Doppelmord, bei dem Parry seinen Assistenten anweist, nicht den Mord, sondern den jeweils anderen Menschen zu filmen. Danach wendet er sich an das Publikum und fragt, ob man denn nicht gerne gesehen hätte, was passiert ist. Neben den Szenen, die offensichtlich als intelligente Reflexion über Inszenierung und Medienkompetenz lesbar sind, mussten viele Monologpassagen weichen, in denen Parry zynische Aussagen über das Leben und seinen Wert trifft. Dabei ist es gerade der Zynismus, welcher Parry als amoralische Figur entlarvt, die keinerlei Sympathiewerte für sich verbuchen kann.
Ihre Entscheidung für die Schnittauflagen hat die FSK unter anderem folgendermaßen begründet: "Die Gewaltdarstellungen sind selbstzweckhaft inszeniert. Zu keinem Mord gibt es eine Erklärung oder den Versuch einer Hintergrundgeschichte. … Dem Zuschauer wird durch die persönliche Ansprache des Hauptdarstellers suggeriert, in allen Menschen stecke etwas von einem Massenmörder, manche wollten es nur nicht wahrhaben ("Sie wollten es doch sehen, seien Sie ehrlich!") [Dass die FSK hier das Ansehen von Morden mit dem Verüben der Morde gleichsetzt, zeugt von einem bedenklichen Wirklichkeitsverständnis] … Der Ausschuss kam zu dem Ergebnis, dass der Film jugendgefährdend ist. Die Mordszenen sind detailliert und selbstzweckhaft inszeniert. Sie sind in hohem Maße verrohend und wirken aufgrund ihrer gewollten Realitätsnähe sozialethisch desorientierend" [Ich habe den Film auch ungeschnitten gesehen, bin ich jetzt sozialethisch desorientiert?].

Bildqualität

Das Bild der DVD ist gut. Verschmutzungen oder Dreckspuren treten hier nicht auf. Da der Film ab dem Zeitpunkt, ab dem Parry seine Version über den ursprünglichen Film kopiert hat, wie ein Homemovie wirken soll, gibt es keine Gründe für Kritik. Das Bild besitzt einen rauen Look, der den direkten visuellen Stil unterstützt. Das wurde kongenial auf die DVD übertragen.

Tonqualität

Beim Ton lässt sich vermelden, dass alles klar und verständlich aus den Boxen erschallt, so dass es auch hier keinerlei Grund für kritische Bemerkungen gibt.

Extras

Zentraler Teil des Bonusmaterials ist natürlich die überarbeitete Langfassung des Films, die in der Länge mit der ungeschnittenen Version identisch ist. Das konnte dadurch erreicht werden, dass die Szenen, bei denen die Monologe der Hauptfigur beanstandet wurden, wieder eingefügt wurden. Der Ton ist nicht zu hören, stattdessen wird die Meldung "Ton entfernt" sowie eine Angabe der Länge eingeblendet, bis der Originalton wieder erklingt. Anstelle der Szenen, die überhaupt nicht gezeigt werden dürfen, hat Legend ein Bildrauschen eingefügt, wie es auf dem Fernsehschirm sichtbar ist, wenn kein Signal anliegt. Auch dabei wird die Länge der Szene sowie eine Meldung "Szene entfernt" eingeblendet. Man kann Legend Films nur beglückwünschen, die Zensurthematik dadurch offensiv anzusprechen. Die überarbeitete Langfassung ist der mahnende Beweis, dass unsere Kultur das Thema Zensur noch lange nicht überwunden hat. Angesichts der Torso-Veröffentlichung, zu der Legend-Films in Deutschland gezwungen ist, stellt sich auch die Frage, auf welcher Grundlage die FSK ein Wissen erzielt hat, das auch nach etlichen Jahren Medienwirkungsforschung im wissenschaftlichen Bereich noch nicht gewonnen werden konnte.
Zu der überarbeiteten Langfassung des Films lässt sich der Audiokommentar von Julian Richards (Regie) und Kevin Howarth (Darsteller) schalten. Beide sprechen ohne jede Pause sehr engagiert über das niedrig budgetierte Projekt. Dabei unterhalten sie sich über die darstellerische Interpretation der Hauptfigur durch Kevin Howarth, diskutieren die Drehbedingungen sowie die speziellen Schwierigkeiten aufgrund der sehr langen Einstellungen und sprechen über die inhaltliche Konzeption des harten Films.
Der fünfminütige Beitrag "Das Vorsprechen" zeigt Aufnahmen der beiden Darsteller des Films, die während des Vorsprechens entstanden sind. Zwischendurch erläutert Regisseur Julian Richards, was ihm an den beiden gefallen hat.
Der Trailer rundet die DVD ab.

Fazit

"Last Horror Movie" konnte in Deutschland leider nicht ungeschnitten veröffentlicht werden, so dass die vorliegende DVD nur eine stark geschnittene Rumpffassung präsentiert. Durch die überarbeitete Langfassung als Bonusmaterial hat Legend Films das Beste aus der misslichen Situation gemacht und eine intelligente Reflexion über Zensurmaßnahmen abgeliefert. Technisch ist die DVD gut, das Bonusmaterial ist lohnenswert.

Stefan Dabrock

   
Originaltitel The Last Horror Movie (GB 2003)
Länge 59 Minuten (Pal)
Studio Legend Films
Regie Julian Richards
Darsteller Kevin Howarth, Mark Stevenson, Antonia Beamish, u.a.
Format 1:1,85 (16:9)
Ton DD 2.0 Deutsch, Englisch
Untertitel Deutsch
Extras Überarbeitete Langfassung des Films, Audiokommentar von Julian Richards (Regie) und Kevin Howarth (Darsteller), u.m.
Preis ca. 20 EUR
Bewertung zensiert