Die filmische Welt des Larry Fessenden ist weniger eindeutig, als es auf den ersten Blick scheinen mag. In seinem 2001 entstandenen Film „Wendigo“ blieb die Frage, ob die titelgebende mythologische Figur innerhalb der Handlung tatsächlich existiert, der Interpretation des Zuschauers überlassen. In gleicher Weise verweigert Fessenden nun bei „The last Winter“ eindeutige Erklärungen für das Geschehen. Neben den menschlichen Konflikten zwischen den Bewohnern einer in Alaska aufgebauten Containerstation, die einem Ölunternehmen zur Vorbereitung der eigenen Förderpläne dienen soll, gibt es nur eine zusätzliche, weitgehend konstante Größe: die globale Erwärmung. Der Permafrostboden taut laut den Erkenntnissen des Umweltaktivisten James Hoffman langsam auf, wodurch das Unternehmen Ölförderung gefährdet ist. Hoffman arbeitet als grünes Feigenblatt im Dienst des Ölkonzerns, da bei der Lagerstättenerschließung laut Vertrag bestimmte Umweltstandards eingehalten werden müssen. Die Erkenntnisse aus Hoffmanns begleitender Forschung sind beunruhigend, aber auch relativ vage, so dass Hoffman aus seiner Position heraus die Aufschiebung des Projektes fordert, während der Konzernvertreter Ed Pollack die fehlenden Details entgegen der beunruhigenden Signale zu Gunsten wirtschaftlicher Interessen auslegt. Nachdem er Hoffman nicht dazu bringen kann, den weiteren Ausbau der Eisstraßen auch unter Umweltgesichtspunkten abzunicken, sorgt Pollack für dessen Abberufung. Doch die psychische Stabilität der einzelnen Stationsbewohner hat aus ungeklärten Gründen gelitten, so dass sich die Ereignisse zuspitzen, bevor Hoffman abreisen muss.
Seltsame Wahrnehmungen lösen Angstpsychosen aus, die schließlich einen ersten Todesfall verursachen. Gibt es eine in der wilden Natur begründete Kraft, die sich gegen das ausbeuterische Eingreifen des Menschen stemmt und die Hochmütigen bestraft? Larry Fessenden beantwortet diese Frage nicht und präsentiert stattdessen mit dem profitorientiert denkenden Ed Pollack und dem ökologisch motivierten Skeptiker James Hoffman zwei Archetypen, welche diese Frage entsprechend unterschiedlich beantworten, weil ihre Wahrnehmung auf die Welt völlig verschieden ist. Konsequenterweise sieht Pollack niemals übernatürliche Phänomene, sondern stets normale Schwierigkeiten, die gelöst werden müssen, während die übrigen Stationsbewohner langsam in den Sog der Bedrohung hineingezogen werden. Das gilt auch für den wissenschaftlich denkenden Hoffman, dessen Wahrnehmung sich schließlich der unerklärlichen Gefahr beugt. Die scheinbar klare Erkenntnis, dass die Crux bei einer Analyse der Folgen globaler Erwärmung in der fundamental andersartigen Wahrnehmung verschiedener Gruppen begründet ist, hat Fessenden in eine zwar simple, aber bestechende filmische Umsetzung gegossen. Es gibt im wahrsten Sinne des Wortes die Sehenden und diejenigen, welche nicht sehen. Wer von den beiden recht hat, ist innerhalb des Films nicht die Frage – auch wenn es eine Tendenz in Richtung ökologischer Sichtweise gibt. Entscheidender ist die Erkenntnis, dass sich die beiden konkurrierenden Figuren gar nicht über dasselbe verständigen können, weil sie etwas anderes sehen. Dies Kluft, so verrät „The last Winter“, muss ersteinmal überwunden werden, bevor die Menschen einer Lösung zukünftiger Probleme näher kommen können.
Bis dahin sind sie isolierte, zum Scheitern verurteilte Gestalten. Sehr oft sind die Stationsbewohner deswegen als kleine Punkte in der gigantischen Eiswüste oder alleine in den engen Gängen der Container zu sehen. Sie agieren aneinander vorbei, ohne einen Blick für die anderen Menschen oder die Natur zu haben, welche eine eigene, weiße Poesie entwickelt. Die Einsamkeit der einzelnen Menschen in der Gruppe ist Teil des bedrückenden Szenarios, das eine subtile Spannung entwickelt, aus der heraus die Angstpsychosen teilweise erklärbar sind. Die ruhige Isolationsdramaturgie steht dabei im Kontrast zur spielerischen Einführungssequenz, in der die Kamera wie eine beschwingte Schneeflocke um die Containerstation herumfliegt und an den einzelnen Fenstern halt macht, um die Figuren einzufangen. Gleichzeitig macht sich aber bereits hier das Gefühl breit, dass die Menschen unter Beobachtung stehen. In der friedlichen Nachtstimmung lauert bereits die bedrohliche Kälte des Todes.
Bildqualität
Die DVD überzeugt durch eine gute Schärfe, die bei der Detailzeichnung nicht immer optimale Werte erreicht, sich aber keine besonderen Schwächen erlaubt. Die Farbwiedergabe entspricht der kühlen Optik des beabsichtigten visuellen Stils. Der Kontrast sorgt für ein plastisches Bild. Trotz des tiefen Schwarzwertes gehen in dunklen Szenen keine Details verloren. Das leichte Hintergrundrauschen stört nicht. Die Kompression bleibt unauffällig.Tonqualität
Die Dialoge sind bei allen Tonspuren klar und verständlich, störendes Rauschen oder eine schlechte Abmischung existiert nicht. In den wenigen actionreicheren Szenen werden die hinteren Lautsprecher dynamisch in das Geschehen mit einbezogen, so dass die räumliche Kulisse sehr gut gelungen ist. Der Ton vermag die Atmosphäre eindrucksvoll zu unterstützen.Extras
Auf der ersten DVD ist neben dem Hauptfilm noch der Trailer enthalten, das restliche Bonusmaterial befindet sich auf der zweiten DVD. Das etwa 95minütige Making Of – auf der Hülle sogar Produktionstagebuch genannt – liefert das übliche B-Roll-Material, dessen unkommentierte Art und Weise leider in keiner Weise vermittelt, wie der Film entstanden ist. Für die Bezeichnung Produktionstagebuch auf der Hülle stand wohl die chronologische Schnitt-Reihenfolge Pate, eine irgendwie geartete Reflexion über den Dreh und deren Ereignisse findet aber nicht statt, so dass die Wortwahl irreführend ist. Insgesamt ein Making Of, dass seinen fehlenden Inhalt durch pure Masse wettzumachen versucht. Bei den „Interviews mit den Hauptdarstellern“ (etwa 15 Minuten) handelt es sich zumeist um sehr kurze Einzelantworten. Neben den Darstellern kommen beispielsweise auch der Kameramann oder einer der Produzenten zu Wort. Ron Perlmans Interview ist demgegenüber mehrere Minuten lang und hebt sich von den eher routinierten Antworten der restlichen Befragten ab, da er zum einen den Film aus seiner persönlichen Sicht einordnet und auch ein paar Worte über sich selbst verliert. Hinter dem „Interview mit dem Regisseur“ (etwa 13 Minuten) verbirgt sich ein Zusammenschnitt aus verschiedenen Gesprächen, in dem Fessenden einiges über sein persönliches Filmemacherdasein als Independent-Regisseur zum Besten gibt und „The Last Winter“ von verschiedenen Seiten beleuchtet.Fazit
„The last Winter“ nutzt sein ökologisches Thema für einen differenzierten Blick auf verschiedene Wahrnehmungsebenen, die in letzter Konsequenz auf tragische Weise verhindern, dass die unterschiedlichen Interessenvertreter aus Umwelt und Wirtschaft miteinander kommunizieren können. Fessendens Darstellung des isolierten Menschen besitzt eine bedrückende Intensität, die durch das endlose Weiß der Eiswüste verstärkt wird. Technisch ist die DVD gut.Stefan Dabrock
Originaltitel | The last Winter (USA 2006) |
Länge | 97 Minuten (Pal) |
Studio | Sunfilm |
Regie | Larry Fessenden |
Darsteller | Ron Perlman, James LeGros, Connie Britton, Jamie Harrold, Larry Fessenden, u.a. |
Format | 1:1,85 (16:9) |
Ton | DTS Deutsch; DD 5.1 Deutsch, Englisch |
Untertitel | Deutsch |
Extras | Produktionstagebuch, Interviews, u.m. |
Preis | ca. 16 EUR |
Bewertung | sehr gut, technisch gut |