„Ich will einfach mehr Action, alles andere ist mir zu blöd“ (Cynthia Khan in „In the Line of Duty 3“, 1988)
Wer hätte jemals diesem lupenreinen Film-Bekenntnis der ehemaligen Hongkong-Action-Darstellerin widersprechen wollen. Und diejenigen, die Lust dazu verspürten, konnten mit dem nächsten Tritt erfahren, was das bedeutete. Natürlich spielt Cynthia Kahn nicht in Benny Chans „Invisible Target“ mit, aber ihr Motto stand eindeutig Pate für das, was Chan auf die Leinwand gebracht hat.
Drei Polizisten kämpfen in Hongkong gegen eine Bande, die für einen brutalen Überfall auf einen Geldtransporter verantwortlich sind. Die Tat liegt bereits sechs Monate zurück, aber bei der Flucht der sieben Täter ging etwas schief. Drei starben im Kugelhagel der Polizei, die restlichen Vier entkamen ohne Beute. Jetzt sind sie zurück gekehrt, um die Rechnung zu begleichen. Denn irgendwer muss sie vor sechs Monaten verraten haben. Durch die Wucht der Explosion, mit welcher der Geldtransporter aufgesprengt wurde, starb die Verlobte des Polizisten Chan Chun, als sie gerade Ringe für die bevorstehende Heirat aussuchte. Seitdem benimmt sich Chan Chun immer waghalsiger bei seinen Polizeieinsätzen. Das Team ist ihm nicht mehr wichtig, nur noch die Rache zählt. Gemeinsam mit dem naiv-korrekten Polizisten Wai King-Ho und seinem Kollegen Fong Yik-Wei stoßen sie auf die Bande, mit der sie sich fortan ein mitreißendes Duell liefern.
Die Geschichte ist so gradlinig konstruiert, wie es sich für einen vor allem auf Kinetik bedachten Film gehört. Dennoch bindet Benny Chan auch Untertöne in das explosions- und kampfbetonte Geschehen ein. Chan Chun, der zunächst nur von seiner Rache getrieben wird, muss sich mit der Frage auseinandersetzen, inwieweit das mit seinem Selbstverständnis als Polizist vereinbar ist. Die angesichts der brutalen Gangster-Gewalt äußerst schmale Linie zwischen denjenigen, die Gewalt im Namen des Gesetzes ausüben, sowie denjenigen, die als Kriminelle durch die Stadt ziehen, ist eines der Themen, die im Kampfgetümmel angerissen werden. Der Einzelgänger Chan Chun lernt im Laufe der Handlung das Team mit seinen zwei Mitstreitern zu schätzen. Jeder der drei Polizisten besitzt eine eigene spezielle Motivation, den Kampf mit den Gangstern unter absurdem körperlichen Einsatz anzugehen. Während Chan Chun zunächst aus Rache, später aus dem Willen heraus, die Überlegenheit der Polizei zu demonstrieren, agiert, wird Wai King-Ho immer wieder auf seinen Bruder angesprochen, der einst für die Polizei arbeitete und sich auf die kriminelle Seite geschlagen haben soll. Fong Yik-Wei ist der typische, verbissene Cop, der seine Fähigkeiten immer wieder unter Beweis stellen muss. Sie repräsentieren drei unterschiedliche Heldentypen, die mit mit ihren bedingungslosen Methoden eine Sonderstellung innerhalb des Polizeiapparates einnehmen. Scharmützel mit den Vorgesetzten sind angesichts dessen natürlich vorprogrammiert.
Ihnen gegenüber steht eine Gangster-Bande, die fast skrupellos – auch hier werden Untertöne eingeflochten, indem die Grenzen der Skrupellosigkeit ausgelotet werden – versucht, die alte Rechnung zu begleichen und die entgangene Beute wiederzubeschaffen. Die Konfrontation der beiden extrem entschlossenen Gruppen resultiert in einem Action-Festival, das dem geneigten Hongkong-Actionfilm-Anhänger das Vertrauen in die Fähigkeiten der Regisseure aus der ehemaligen Kronkolonie zurückgibt. Wer bei den Glasstunts der „In the Line of Duty“-Serie seinen Spaß hatte, der wird in „Invisible Target“ eine neue Heimat finden. Menschen fliegen durch Scheiben, landen in den verschiedensten Körperpositionen auf Glastischen, die krachend zerbrechen, oder finden sich im Hagel der Glassplitter nach einer krachenden Explosion wieder. Sobald ein Set auch nur irgendein Glasbestandteil besitzt, kann man sicher, dass es das Ende der Szene nicht unbeschadet überlebt. Stunttechnisch gehört „Invisible Target“ zum Besten, was das Action-Kino bereit hält. Da fällt einer der Polizisten aus großer Höhe in einen Baum, stürzt durch das Astgewirr, landet mit dem Rücken auf der Kante eines LKW-Daches, bevor er schließlich auf das Straßenpflaster knallt. Obwohl der Stunt natürlich nur mit Hilfe eines Drahtseils möglich war, ist klar, wie gefährlich und damit wie physisch eine solche Aktion ist.
Die kinetischen Qualitäten des Films werden dadurch mit einer physischen Präsenz aufgeladen, die dem Geschehen ihre Intensität verleiht. Es herrscht ein ständiger Ausnahmezustand, der sich auch in die klassischen Martial-Arts-Kämpfe überträgt. Wu Jing als Bösewicht zeigt, was er athletisch zu bieten hat, auch wenn es die reinen, nur turnerischen Kämpfe ohne Seileinsatz wohl nicht mehr im Kino geben wird. Seine finstere Entschlossenheit spiegelt sich in seinem kompromisslosen Kampfstil wieder, der darauf ausgelegt ist, Schmerzen zu verursachen. Er ist als Anführer der Gangster deswegen der ideale Gegenpart für die drei Polizisten, welche sich an ihm abarbeiten können. Vielleicht ist „Invisible Target“ am Ende ein paar Minuten zu lang geraten, aber das stört angesichts eines Werkes überhaupt nicht, das mit großer Macht daran erinnert, warum Filme im englischen „Motion Pictures“ heißen.
Bildqualität
Das saubere Bild der DVD wartet mit einer Schärfe auf, die oftmals sehr gut ausfällt, hier und da aber ein wenig nachlässt. In manchen Totalen ist das Bild etwas detailarm ausgefallen. Die Kräftigen Farben überzeugen demgegenüber ebenso vollständig, wie der Kontrast eine sehr gute Figur macht. Rauschmuster treten nicht störend in ErscheinungTonqualität
Die Dialoge der 5.1-Abmischung fallen ein wenig zu leise aus, so dass dem einen oder anderen die Explosionen möglicherweise zur sehr aufs Ohr drücken. Hinsichtlich der räumlichen Atmosphäre lässt sich aber nichts negatives anmerken. Hier werden alle Lautsprecher inklusive Subwoofer sehr gut eingesetzt, so dass die Action ihre volle Wirkung entfalten kann.Extras
Vom Bonusmaterial der Hongkong-Doppel-DVD fehlt der Audiokommentar und die Soundtrack-CD. Das restliche Material hat Splendid für seine Doppel-DVD lizenziert und deutsch untertiteln lassen. Das Making Of (etwa 23 Minuten) enthält Interviews mit Regisseur Benny Chan, den wichtigsten Darstellern und anderen an der Produktion Beteiligten. Darin geht es sowohl um die inhaltliche Konzeption der Geschichte als auch um Stunts und andere Aspekte der Produktion. In den Interviews sind deswegen erfreulicherweise nicht nur Werbebotschaften enthalten, sondern es bietet tatsächlich Substantielles über den Film. Hinter „Premierenfeier“ verbirgt sich ein etwa zehnminütiger Beitrag über die Hongkong-Premiere des Films. Auf der Bühne des Kinos äußern sich Darsteller und Regisseur zum Film. Ein typischer Promotionauftritt der ganz unterhaltsam ist. Der Beitrag „Action“ widemt sich in etwa 18 Minuten den vielen Stuntszenen des Films. B-Roll-Aufnahmen und Interviews mit den Beteiligten wechseln sich dabei ab. Auch wenn die Überschneidungen mit dem Making Of ein wenig störend sind, kann man sich angesichts des Beitrags ein recht genaues Bild darüber machen, wie waghalsig die Stunts trotz Drahtseilsicherung immer noch sind. In jeden Fall sehenswert.
„Die Geschichte einer Trilogie“ (etwa elf Minuten) bindet die drei Filme „Heroic Duo“ („Seung hung“, 2003) „Hongkong Crime Scene“ („San cha kou“, 2005) und „Invisible Targt“ zu einer nachträglich konstruierten Trilogie zusammen. Darin wird die Art, Helden auf eine ähnliche Weise in den Mittelpunkt eines Films zu stellen, beleuchtet. „Soryboardshow“ (etwa 17 Minuten) zeigt klassische Vergleiche zwischen Filmszene und Storyboard, die jeweils von Regisseur Benny Chan kommentiert werden. So erfährt man zusätzliche Informationen über Planung und Durchführung der Actionsequenzen. Die „Deleted Scenes“ (etwa 14 Minuten) bieten wie üblich interessante und uninteressante Szenen. Sehr schön ist, dass auch sie durch Benny Chans Kommentar eingeordnet werden, auch wenn er manchmal nur zu sagen hat, dass die Szene aus Tempogründen entfernt wurde. Der Trailer rundet das Bonusmaterial ab.
Fazit
„Invisible Target“ überzeugt als kinetisches Tempokino vom Feinsten. Neben großartigen Actionsequenzen gelingt es Regisseur Benny Chan sogar, Untertöne in das wüste Geschehen einzuflechten,, auch wenn die zugrunde liegenden Themen nur angerissen werden. Technisch ist die DVD gut.Stefan Dabrock
Originaltitel | Naam yi boon sik (HK 2007) |
Länge | 125 Minuten (Pal) |
Studio | Splendid |
Regie | Bennny Chan |
Darsteller | Nicholas Tse, Jaycee Chan, Shawn Yue, Wu Jing, u.a. |
Format | 1:2,35 (16:9) |
Ton | DD 5.1 Deutsch, Kantonesisch |
Untertitel | Deutsch |
Extras | Making Of, Premierenfeier, u.m. |
Preis | ca. 16 EUR |
Bewertung | sehr gut, technisch gut |