Edgar Allan Poes Kurzgeschichte „Der Untergang des Hauses Usher“ (1839) gehört zu den oftmals verfilmten Werken der Literaturgeschichte. Neben Jean Epsteins Stummfilm „Der Untergang des Hauses Usher“ („La Chute de la maison Usher“, 1928) gehört Roger Cormans gleichnamige Version des Stoffes („House of Usher“) aus dem Jahr 1960 mit Vincent Prise als Roderick Usher zu den bekanntesten Verfilmungen. Hayley Cloakes neue Adaption der Kurzgeschichte versetzt die Handlung nun in die amerikanische Gegenwart, wodurch sie sich von den genannten Verfilmungen absetzt. Der eigentlich namenlose Ich-Erzähler der Kurzgeschichte steht innerhalb des Films im Zentrum der Ereignisse. Es handelt sich dabei um die junge Frau Jill, die auf dem College in Roderick Usher verliebt war. Eines Tages verschwanden Roderick und seine Zwillingsschwester Maddy, ohne eine ausführliche Erklärung zu hinterlassen. Als Jill ein paar Jahre später eine Einladung zur Beerdigung Maddys erhält, macht sie sich auf den Weg zum ländlichen Anwesen der Ushers. Auf Bitten Rodericks, den eine seltsame Krankheit plagt, bleibt sie noch einige Tage zu Besuch. Dabei verliebt sie sich nicht nur erneut in ihren Ex-Freund, sie gerät auch in den Bann des Hauses Usher.
Die Aktualisierung des Stoffes entfernt die gesellschaftliche Kritik, welche sich aus dem Niedergang eines Adelsgeschlechts ergab, vollständig aus der Handlung. Stattdessen setzt Regisseurin Hayley Cloake auf die Tragik der Liebesgeschichte. Ihre Hauptfigur Jill hat seit der unfreiwilligen Trennung von Roderick Usher um Männer einen Bogen gemacht, was Cloake in der Eingangssequenz etabliert, in der Jill zum Unverständnis ihrer engen Freundin den Avancen eines Mannes eine Abfuhr erteilt. Jills Fahrt zum Anwesen der Ushers ist jedoch keine Reise, die eine Restaurierung alter, unbeschwerter Liebe zur Folge hat, sondern eine Fahrt zu degenerierten Verhältnissen. Die scheinbare Lösung aus ihrem emotionalen Dilemma, keine Nähe zu Männern eingehen zu können, indem sie einfach das innerlich immer noch bestehende Band zu Roderick Usher erneuert, erweist sich als phantasmagorisches Trugbild. Der Film spiegelt das durch seinen reichhaltigen Filtereinatz bei den Außenaufnahmen rund um das Anwesen der Ushers wieder. Die bläulich schimmernden Bilder mit ihren gleichzeitig entsättigten Farben erzeugen einen nachhaltig flachen Eindruck, der an eine Art Schattenspiel-Kulisse erinnert, in der unwirkliche Gestalten geisterhaft umherwandern. Kahle Baumgerippe sorgen zusätzlich für die notwendige Atmosphäre emotionaler Leere, der das vergleichsweise üppige Innere des Anwesen gegenüber steht. Aber auch hier sorgen Schattenspiele im Treppenhaus für die entsprechende Flüchtigkeit, die als mahnende Zeugen einer trügerischen Realität fungieren. Während die Hintergründe des Fluchs vielen bekannt sein dürften und deswegen kaum zu Überraschungen führen können, gelingt Hayley Cloake eine überzeugende emotionale Deutung der zugrunde liegenden Kurzgeschichte.
Bildqualität
Das saubere Bild der neuen Produktion besitzt aufgrund der verwendeten Filter sowie der eingesetzten HD-Kamera einen leicht weichen Grundton, der durch das stets präsente Hintergrundrauschen verstärkt wird. In dunklen Szenen tritt es stärker zu Tage als bei hellen Aufnahmen. Die Schärfe ist folglich relativ gut, erreicht aber keine durchgehend gute oder sehr gute Werte. Die reduzierte Farbpalette wurde ausgezeichnet auf die DVD übertragen. Vor allem der Kontrast zwischen den Innen- und den Außenaufnahmen kommt gut zur Geltung. Der Schwarzwert könnte etwas tiefer sein, ist letztlich aber in Ordnung. Hier und da ist leichtes Blockrauschen zu sehen.Tonqualität
Die beiden 5.1-Spuren entsprechen der ruhig gehaltenen Inszenierung. Während die Dialoge jeweils klar und verständlich ohne störendes Rauschen erklingen, sind die hinteren Lautsprecher selten im Einsatz, so dass sich kaum eine dauerhafte räumliche Atmosphäre entwickeln kann. Das entspricht aber auch dem Inszenierungsstil.Extras
Der Audiokommentar der Regisseurin Hayley Cloake ist sehr gut geworden. Sie geht darin sowohl auf die produktionstechnische Seite (Budget, technische Ausstattung, u.a.) als auch auf das Verhältnis zur Kurzgeschichte ein, die für die Adaption verändert und erweitert wurde. Teilweise kommentiert sie auch szenenspezifisch die visuelle oder darstellerische Gestaltung des Films oder sagt etwas zu den Drehorten sowie den Schauspielern. Ein Kommentar, der sehr klar vermittelt, dass sie wohlüberlegt an das Projekt herangegangen ist. Die Geschnittenen Szenen, die recht unscharf aussehen und durch immer wieder auftretendes Flackern gekennzeichnet sind, bleiben harmlos und wurden zurecht aus dem Film entfernt. Der Trailer rundet das Bonus-Material ab.Fazit
Hayley Cloake deutet in ihrer Adaption die Egar Allan Poe Kurzgeschichte „Der Untergang des Hauses Usher“ als Liebesdrama mit Horroruntertönen, dessen ruhig entwickelter Spannungsbogen sich bis zum Finale konsequent zuspitzt. Dabei steht weniger die Überraschung angesichts des Fluches als die Tragik auf beiden Seiten des Liebespaares im Zentrum. Technisch ist die DVD weitgehend gut.Stefan Dabrock
Originaltitel | The House of Usher (USA 2006) |
Länge | 78 Minuten (Pal) |
Studio | Atomik-Films |
Regie | Hayley Cloake |
Darsteller | Austin Nichols, Izabella Miko, Beth Grant, Stephen Fischer, u.a. |
Format | 1:2,35 (16:9) |
Ton | DD 5.1 Deutsch, Englisch |
Untertitel | Deutsch |
Extras | Audiokommentar mit Hayley Cloake (Regie), Geschnittene Szenen, Trailer |
Preis | ca. 16 EUR |
Bewertung | gut, technisch weitgehend gut |