Im
Netz der Melancholie
Hongkong
Crime Scene
Das
Hongkong-Kino arbeitet gerne mit extrem gefühlsaufgeladenen Szenerien,
deren übersteigerte Inszenierung das Filmformat zu sprengen droht.
Ein solch bedingungsloses Bekenntnis zu emotionalen Welten balanciert
häufig auf dem schmalen Grat zwischen berührender Anteilnahme
und unverständigem Lachen auf Seiten des Publikums, da das Intensive
auch als grenzenlos übertrieben und damit als unfreiwillige Parodie
wahrgenommen werden kann. Doch Regisseur Benny Chan beherrscht den
virtuosen Umgang mit den Emotionen seiner Protagonisten. Bereits Chans
Erstling "A Moment of Romance" verbindet die Liebe der beiden
Hauptfiguren mit einem Bandenumfeld, dessen Brutalität in drastischem
Gegensatz dazu steht. "Hongkong Crime Scene" stellt ebenfalls
eine Liebesbeziehung ins Zentrum der Erzählung. Vor 10 Jahren
verschwand die Freundin des Polizisten Suen. Seit dieser Zeit versucht
er, sie wieder zu finden oder wenigsten Gewissheit über ihren
Tod zu bekommen. So mache Leichenhalle hat er schon besucht. Nachdem
Suens Kronzeuge gegen einen Gangsterboss erschossen worden ist, macht
er sich auf die Suche nach dem Killer. Dabei stößt er auf
die Frau des Anwaltes, der den Gangsterboss verteidigt. Sie erinnert
Suen so intensiv an seine damalige Freundin, dass er nachts vor deren
Haus parkt, um sie zu beobachten. Während der weiteren Ermittlungsarbeit
gerät Suens Gefühlswelt in immer stärkere Unordnung.
Schließlich taucht auch noch der Killer des Kronzeugen auf und
versucht, Licht in Suens Dunkel zu bringen.
Benny
Chan trägt dick auf. Der Fall um die Ermordung des Kronzeugen
bietet bereits viel Material für eine rätselhafte Thrillerhandlung
mit dramatischen Actionszenen sowie berührenden Schuldkomplexen
auf Seiten der Polizei und des Anwaltes, die beide dazu beitragen,
dass der Gangsterboss möglicherweise straffrei bleibt. Zusätzlich
wirft Chan den Polizisten Suen aber noch in einen privaten emotionalen
Taumel hinein, der zunehmend die Ermittlungsarbeit zu überlagern
droht. Kaum eine Szene innerhalb des Films, die nicht ein visuelles
Gedicht über die Gefühlslagen seiner Helden ist. Die Melancholie
des Regens, ein einsamer Polizist im nächtlichen Auto, der eingefrorene
Gesichtsausdruck des Anwalts oder ein Profikiller auf einem Containerschiff
mitten im Ozean. Menschliche Beziehungen tauchen nur noch in Illusionen
auf. Der Polizist schwelgt in der Vergangenheit, der Anwalt kommt
immer erst sehr spät zur Familie nach Hause, seine Klienten belügen
ihn und der Profikiller lebt in einer unsteten Welt aus Thrill und
Sex. "Hongkong Crime Scene" zeichnet ein Bild städtischer
Bewohner, das durch Melancholie und Verbitterung geprägt ist.
Daraus resultiert ein Aktionismus auf Seiten der Hauptfiguren, die
sich ihre emotionale Welt zurück erobern wollen. Der Polizist
sucht seine Freundin, der Anwalt hat seine ganz persönliche Art
gefunden, mit seinen Klienten umzugehen und der Killer will dem Polizisten
bei der Bewältigung seiner Vergangenheit helfen. Doch im dichten
Netz der Melancholie droht das Scheitern aller Bemühungen.
Bildqualität
Das
Bild der DVD präsentiert sich in blitzsauberer Qualität.
Hier sind gar keine Verschmutzungen oder Defekte erkennbar. Die Schärfe
ist zumeist sehr gut, teilweise gleitet sie aber in schwächere
Regionen ab. Das gilt vor allem für den Detailreichtum. Die Farbwiedergabe
des eleganten Bildes überzeugt auf der ganzen Linie. Der leichte
Grünstich gehört zum stilistischen Handwerkszeug des Kameramanns.
In Bewegungen sind leichte Nachzieheffekte erkennbar. Der Kontrast
arbeitet ebenso gut wie keine Rauschmuster erkennbar sind.
Tonqualität
Die
5.1-Spuren liefern eine beachtliche räumliche Kulisse. Das gilt
sowohl für gelungene Effekte auf den vorderen Boxen, als auch
für die hinteren Lautsprecher, aus denen immer wieder Umgebungsgeräusche
zu hören sind. Die Musik tut das übrige dazu. Die Dialoge
sind klar und verständlich abgemischt.
Extras
Das
etwa 15minütige Making Of bietet neben stark inhaltlich geprägten
Ausführungen auch ein paar kleinere Deutungen der Darsteller
sowie des Regisseurs zu der Thematik des Films, die im englischen
Hongkong-Titel des Films "Divergence" zum Ausdruck kommt.
Der zweiminütige Beitrag von der Premiere des Films bietet inhaltlich
gar nichts, ist aber ganz drollig. Zunächst sind an der Produktion
Beteiligte zu sehen, die ein paar lockere Werbesprüche bringen,
den zweiten Teil bilden kurze Interviews mit dem Premierenpublikum,
das den Film lobt.
Der Trailer rundet das Bonusmaterial ab.
Fazit
Benny
Chan zeichnet ein Bild grenzenloser Melancholie, in dem menschliche
Beziehungen nur noch in verkrüppelter Form ein Zuhause haben.
Mit großer Inszenierungskunst vermischt er spannenden Thriller
und intensives Gefühlskino zu einem überdimensionalen Kunstwerk.
Technisch ist die DVD gut bis sehr gut.
Stefan Dabrock
|
|
Originaltitel |
San
cha kou (HK 2005) |
Länge |
100
Minuten (Pal) |
Studio |
Koch
Media |
Regie |
Benny
Chan |
Darsteller |
Aaron
Kwok, Ekin Cheng, Daniel Wu, u.a. |
Format |
1:2,35
(16:9) |
Ton |
DTS
Deutsch, DD 5.1 Deutsch, Kantonesisch |
Untertitel |
Deutsch |
Extras |
Making
Of, Aufnahmen von der Premiere, Trailer |
Preis |
ca.
18 EUR |
Bewertung |
sehr
gut, technisch gut |
|
|