Im
Tal der Leere
A
Hole in my Heart
Während
der Mainstreamfilm danach strebt, seine hochbudgetierten Glanzlichter
in immer grandioser wirkenden Szenarien an möglichst aufwendigen
Orten zu präsentieren, kehrt Lukas Moodysson ins Gewöhnliche
zurück. Sein Film benötigt lediglich eine Wohnung, um 94
Minuten DV-Material zu füllen. Zumindest gelingt ihm das fast,
denn am Ende gibt es einige wenige Szenen auch außerhalb der
Mietbehausung. Im Zentrum des Films stehen Rickard und Geko, die zusammen
mit der jungen Tess Amateurpornos drehen. Im Nebenzimmer sitzt derweil
Rickards Sohn Eric, der sich per Kopfhörer mit Noisecore-Musik
zudröhnt, damit er an dem Treiben seines Vaters nicht einmal
akustisch teilhaben muss. Das Rollo seines Zimmers ist stets heruntergelassen,
so dass eine angenehme Dunkelheit den Raum mit Friedlichkeit erfüllt.
Das Verhältnis zu seinem Vater ist ein wenig gestört. Aber
auch das Verhältnis der drei Amateurpornofilmer gerät zunehmend
aus den Fugen. Rickard ist gar nicht begeistert darüber, dass
Geko beim Sex einschläft, und auch Tess fühlt sich nicht
ganz wohl, als die beiden Männer plötzlich mit Baseballschläger,
Motorradhelm und Skimaske auftauchen.
Es ist schon ein widerlicher Skandal, dass Hollywood immer wieder
aberwitzige Millionensummen in seine schnöden Actionwerke pumpt,
während die wahre Kunst filmischen Schaffens in der Wohnung nebenan
stattfindet, was leider niemand bemerkt. Lukas Moodysson macht mit
"A Hole in my Heart" auf diesen Misstand aufmerksam, indem
er eindruckvoll nachweist, dass Emotionen im Vergleich zur wilden
Direktheit seiner Inszenierung der reinen Leere nur noch wie ein schnöder
Versuch erscheinen, eskapistische Gelüste zu befriedigen. Seine
Figuren befinden sich von Anfang an in einem Zustand größter
Frustration. Ihr ganzes Leben spielt sich nahezu vollständig
in der Wohnung ab, ohne dass sie untereinander menschliche Beziehungen
entwickeln würden. Eric kapselt sich vollständig ab und
die drei Amateurpornofilmer verlieren sich in der reinen Mechanik
des Sexes. Für Geko funktioniert selbst das nicht vollständig,
wenn er mitten in der Aktion einschläft. Es herrscht die reine
Leere.
Moodysson verzichtet auf platte Anbiederungen an den Mainstream, der
so etwas wie eine Figurenentwicklung vorgeben würde. Er belässt
es 94 Minuten lang bei der Leere, die bereits zu Anfang deutlich geworden
ist. Die später im Film vorkommenden Exzesse - unter anderem
gibt es eine Fress- und Kotzorgie - funktionieren keineswegs als Charakterentwicklung
im Sinne eines Handlungsbogens, sondern illustrieren lediglich auf
anderer optischer Ebene die emotionale Leere. Denn aufgrund des desolaten
Zustands der Figuren, in den man als Zuschauer bereits zu Anfang geworfen
wird, ist keine reale Steigerung der Situation mehr möglich.
Aus einem Zustand der Leere macht man auch durch herbeigezauberte
Aktionen drastischer Art keinen Zustand noch größerer Leere.
Und das ist gut so, weil es Moodysson erst dadurch gelingt, sich von
solch unnützen Fesseln wie Dramaturgie, Figurenzeichnung oder
gar emotionalen Bindungen ans Publikum zu lösen, die ansonsten
das Geschen auf den Leinwänden oder Bildschirmen so schamlos
vergiften. In seiner Radikalität wiegt "A Hole in my Heart"
vier Zentner und das muss Moodysson erst einmal einer nachmachen.
Bildqualität
Der
Film wurde auf DV-Material gedreht und soll letztlich die Ästhetik
einer schnell gedrehten Dokumentation nachahmen. Dementsprechend ist
das Bild häufig ein wenig unscharf, etwas griselig und manches
sieht ein wenig dunkel beziehungsweise ein wenig hell aus. Das passt
aber komplett zum ästhetischen Konzept des Films. Die Farbwiedergabe
ist gut.
Tonqualität
Die
5.1-Spuren liefern eine ausgezeichnete Abmischung. Während die
Dialoge klar und verständlich aus den Lautsprechern ertönen
wurden die Noisecore-Musikfetzen atmosphärisch perfekt auf alle
Boxen verteilt. Eine solche räumliche Klangkulisse konnte man
nicht erwarten, um so mehr überzeugt sie.
Extras
In
der Bonusmaterialsektion kann man sich die etwa 20minütige Featurette
"A Hole in my second Heart" ansehen. Dabei handelt es sich
um eine erhitzte Diskussion zwischen Regisseur Lukas Moodysson und
seinen Darstellern, die während der Dreharbeiten entstanden ist.
Moodyssons Art, den Film zu drehen, sorgte für starke Spannungen,
die sich hier entladen. Dabei bleibt völlig unklar, ob die Szene
real ist, oder ob sie lediglich inszeniert wurde und tatsächlich
gar keine Spannungen währen der Dreharbeiten vorhanden waren.
Ein Trailer rundet das Bonusmaterial ab.
Fazit
Lukas
Moodysson kultiviert über 94 Minuten Laufzeit eine Inszenierung
der Leere. Dies gilt sowohl für Emotionen sowie Charaktere. Technisch
ist die DVD gelungen, da die rohe Bildqualität des DV-Materials
dem ästhetischen Konzept entspricht, einen dokumentarischen Stil
zu imitieren.
Stefan Dabrock
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Originaltitel |
Ett
Hål i mitt hjärta (Schweden 2004) |
Länge |
94
Minuten (Pal) |
Studio |
Legend
Films |
Regie |
Lukas
Moodysson |
Darsteller |
Thorsten
Flinck, Sanna Bråding, Goran Marjanovic, u.a. |
Format |
1:1,77
(16:9) |
Ton |
DD
5.1 Deutsch, Schwedisch |
Untertitel |
Deutsch |
Extras |
Featurette
"A Hole in my second Heart", Trailer |
Preis |
ca.
20 EUR |
Bewertung |
leer,
technisch gut |
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