Zwei Kartenteile für eine Mine Gold

Hasse Deinen Nächsten

Hasse Deinen NächstenDie Teile 16 bis 18 der Italowestern-Reihe hätte Koch Media auch getrost unter dem Titel Goldbox in einem Set veröffentlichen können, denn auch „Hasse Deinen Nächsten“ stellt das verderbliche Edelmetall in den Vordergrund des Interesses, das die Bösen vorantreibt. Gleich zu Beginn wird ein Mann nebst Frau gnadenlos erschossen, obwohl er den Sheriff in einem kleinen Kaff um Hilfe gebeten hat. Der will sich mit dem berüchtigten Gary Stevens aber nicht anlegen, welcher gerade in die Stadt reitet, um dem Hilfesuchenden eine Karte zu einer Goldmine abzunehmen. Einzig der kleine Sohn des Kartenbesitzers überlebt Stevens bleihaltige Argumentation. Der Bruder des Erschossenen sinnt nach dem Mord auf Rache. Gemeinsam mit dem skurrilen Totengräber des kleinen Ortes nimmt er die Spur Gary Stevens' auf, um den Mörder der Gerechtigkeit zuzuführen. Dabei müssen sie nach Mexiko, wo der reiche Bankier Chris Malone auf einem Anwesen residiert, der mit Stevens zusammenarbeitet. Doch Malone will das Gold letztlich für sich und stellt Stevens eine Falle. Die beiden Verfolger mischen jedoch kräftig mit, so dass in immer wieder neuen Konstellationen die Oberhand laufend wechselt.

Die Karte zu einem Goldvorkommen, die später durch Gary Stevens in zwei Teile geschnitten wird, setzt den Reigen in den Gang, den die Hauptfiguren mit ihren Pistolen miteinander tanzen. Dabei legt Regisseur Ferdinando Baldi weniger wert auf eine rasante Dramaturgie als auf bizarre Szenen. Denn das Hin und Her zwischen dem Bruder des Erschossenen, Gary Stevens und Chris Malone läuft relativ mechanisch ab. Sofern einer die Oberhand gegenüber einer der drei Parteien hat, taucht die Dritte auf, es wird geschossen und die Karten neu gemischt. Da die Schießereien zumeist als kurzes Stakkato mit vielen Nahaufnahmen der gerade Getroffenen inszeniert sind, ohne das eine Choreographie zu sehen wäre, sind sie zudem nur solide. Der Einfallsreichtum der Macher ist in die Ausgestaltung einiger Szenerien geflossen. So wird Gary Stevens durch Chris Malone an den Füßen baumelnd über eine Schlangengrube gehängt, während Ratten langsam das Seil durchnagen. Auf diese Weise will Malone von Stevens erfahren, wo sich der zweite Teil der durchgeschnittenen Karte befindet.

In einer Scheune kommt es zu einer der wenigen choreographierten Schießereien zwischen Stevens und dem Bruder des Erschossenen. Malone vertreibt sich gemeinsam mit seiner Frau die Zeit auf seinem Anwesen, indem er versklavte Bauern in einen Kampf mit Eisenklaue sowie Holzschutzschild hetzt, in dem es um Freiheit oder Tod geht. Horst Frank, der Chris Malone mit Hasse Deinen Nächsten unnachahmlich diabolischem Blick verkörpert, sorgt dann auch für die zentralen Qualitäten des Films. Seine dekadente, widerliche Art fügt dem profanen Motiv der Goldgier einen speziellen Aspekt hinzu. Er benötigt keinen zusätzlichen Reichtum mehr, da er ohnehin wohlhabend und mächtig ist. Ihm geht es hauptsächlich um die Lust am Spiel mit dem Tod, dem er seine Unterlegenen aussetzt. Seine sadistische Psyche reichert „Hassen Deinen Nächsten“ um einen Blick in die dunkle Seele des Menschen an. Umso bedauerlicher ist das hektische Finale, das die Figur Horst Franks nicht entsprechend seiner vorherigen Bedeutung für die Dramaturgie würdigt. Insgesamt ist „Hasse Deinen Nächsten“ aber trotz seiner vorhandenen Schwächen ein ordentlicher Italowestern mit kleinen Höhepunkten und vielen soliden Teilen.

Bildqualität

Hasse Deinen NächstenLaut Ulrich P. Bruckners Italowesternbuch „Für ein paar Leichen mehr“ wurde „Hasse Deinen Nächsten“ im Normalformat gedreht, das auch auf der DVD veröffentlicht wurde. Da an keiner der Seiten erkennbar etwas abgeschnitten wird, kann man davon ausgehen, dass das Bild der DVD dem vollen Umfang des belichteten Kameranegativs entspricht. Es ist im Filmgeschäft allerdings nicht unüblich, dass das Negativ zwar im Normalformat (entspricht einem Seitenverhältnis von 4:3) belichtet wird, das Bild aber für eine Breitwandauswertung eingerichtet wird. In diesen Fällen haben die oberen und unteren Bildbereiche für das Geschehen keine Bedeutung. Sie fügen weder in Bezug auf die Ausstattung etwas Nennenswertes hinzu noch spielen sich darin wichtige Dinge ab.

Als ehemaliger Filmvorführer verwette ich meinen linken Fuß, dass das in diesem Fall so gewesen ist, denn über den Köpfen der Figuren ist in den allermeisten Bildern so viel Platz, dass sie extrem verloren im Raum herum stehen. Wichtige Elemente wie gezogene Revolver oder Ähnliches tauchen in den Bildbereichen ober- und unterhalb eines Breitwandstreifens nicht auf. Bei Zooms auf Gesichter füllen die Köpfe nicht das gesamte Bild aus, wie es für den Italowesternstil typisch ist. Kurz und Gut: Das Vollbildformat der DVD entspricht ziemlich sicher nicht der visuellen Intention Baldis, so dass sich bei einem entsprechenden Fernseher anbietet, das Werk im Zoom-Format von 16:9 anzusehen. Lässt man diese Überlegungen weg, ist die Bildqualität gut geraten, denn die Schärfe überzeugt mit klaren Konturen und erstaunlich guter Detailabbildung, wenn man das Filmalter bedenkt. Defekte oder Verschmutzungen sind sehr selten, das Hintergrundrauschen zwar sichtbar aber kaum störend. Die Farben sind kräftig. Der Kontrast sorgt für ein gut differenziertes Bild. Bei Bewegungen kommt es zu leichten Nachzieheffekten. Sonstige Rauschmuster treten nicht nennenswert in Erscheinung.

Tonqualität

Der Ton der deutschen Synchronisation, die viel jünger als die übrigen Tonspuren ist, kommt in den Dialogen ohne Verzerrungen oder sonstige Schwächen aus, die übrige Kulisse ist leicht verzerrt. Der italienische sowie der englische Ton fallen etwas dumpfer aus, die Dialoge sind aber dennoch ebenfalls verständlich. Das leichte Hintergrundrauschen stört nicht. Hier und da neigt der Ton zu einem leichten Schrebbeln, ohne dass sich das in den Vordergrund schiebt.

Extras

Die Featurette „Hass und Rache“ (etwa 22 Minuten) vereint Interviewsequenzen mit Regisseur Ferdinando Baldi sowie Hauptdarsteller George Eastman. Während Baldi einen kurzen Blick auf das Italowesterngenre wirft und danach einiges zum Filmgeschäft allgemein sowie seine Ansicht zur Krise der italienischen Filmindustrie zum Besten gibt, äußert sich Eastman über seinen Einstieg in das Filmgeschäft sowie über einige Filme, in denen er mitgespielt hat. Ein Trailer sowie eine Bildergalerie sind ebenfalls enthalten. Auf der Innenseite der DVD-Hülle befindet sich noch ein Text von Oliver Bitzer, der auf den vorliegenden Film näher eingeht und die Hauptdarsteller vorstellt.

Fazit

„Hasse Deinen Nächsten“ veredelt seine solide Dramaturgie mit ein paar einfallsreichen Szenerien sowie einem Horst Frank, der seinen Bösewicht über den Durchschnitt hebt. Insgesamt ein solider Italowestern, der in guter Bildqualität veröffentlicht wurde, wenn das Format auch eher diskussionswürdig ist.

Stefan Dabrock

   
Originaltitel Odia il prossimo tuo (Italien 1968)
Länge 86 Minuten (PAL)
Studio Koch Media
Regie Ferdinando Baldi
Darsteller Spiros Focás, George Eastman, Roberto Risso, Horst Frank, Ivy Holzer, Nicoletta Machiavelli, u.a.
Format 1:1,33 (4:3)
Ton DD 2.0 Mono Deutsch, Italienisch, Englisch
Untertitel Deutsch
Extras Featurette „Hass und Rache“, Bildergalerie Trailer
Preis ca. 10 EUR
Bewertung solide mit kleinen Spitzen, technisch gut