„Verstörend und radikal...H6 tut körperlich weh, weil er weiter geht, als man als Zuschauer eigentlich geführt werden möchte“ (Fantasy Filmfest 2006).
Markige Zitate auf dem Cover einer DVD machen sich genauso gut wie reißerische Filmtitel zu Videokassetten-Zeiten. Die Zustimmung zum obigen Zitat hängt im Prinzip davon ab, ob man den Film so amüsant findet, dass einem vor Lachen der Bauch oder sonst ein Körperteil weh tut. Denn „H6 – Tagebuch eines Serienkillers“ führt das Genre des Torture-Porn, zu dem auch Filme wie „Hostel“ gezählt werden können, nicht zu neuen verstörenden Höhen, sondern ad absurdum. Das liegt an der Hauptfigur Antonio Frau, dessen Serienkillertypus nichts Dämonisches besitzt, sondern die Lächerlichkeit in der Allmachtsphantasie solcher Charaktere offen legt. Antonio Frau wird viele Jahre nach dem Mord an seiner Freundin aus dem Gefängnis entlassen. Erstaunt nimmt er zur Kenntnis, dass ihm eine Pension vererbt wurde, welche früher als Stundenhotel genutzt wurde. Kurzerhand zieht er in das große Haus ein, heiratet eine Nachtschwester und lockt fortan Prostituierte ins Zimmer Nummer sechs, um sie zu Quälen und schließlich umzubringen. Die Taten Antonio Fraus verfolgen zwei Ziele. Zum einen möchte er die Welt vom Abschaum befreien, zum anderen strebt er nach Berühmtheit. Deswegen dokumentiert er seine Taten akribisch in einem Tagebuch, spätere Veröffentlichung nicht ausgeschlossen.
Antonio Frau versammelt in sich die gängigsten Klischees über Serienkiller, welche in ihm bis zu Absurdität zugespitzt sind. Der gute Mann hört gerne klassische Musik, zu der er auch mal einen Rotwein trinkt. Sein Faible für Serienkillervorbilder deutet zudem auf eine gewisse Bildung hin, die er sich im Gefängnis erworben hat. Der ruhige Off-Kommentar suggeriert Überlegenheit gegenüber den Menschen, denen Antonio Frau begegnet. Teile seiner Opfer werden gekocht und der eigenen Frau als leckere Mahlzeit untergejubelt. Die Verdichtung zahlreicher Serienkillerklischees in der Figur Antonio Fraus erzeugt durch ihre Ballung an sich bereits eine absurde Figur, welche durch die Realität seiner Taten weiter der Lächerlichkeit Preis gegeben wird. Im starken Gegensatz zu seiner scheinbaren Überlegenheit und seinem wichtigsten Vorbild, macht sich Herr Frau an die einfachsten Gegner heran, die man sich vorstellen kann. Er verführt keine Frauen, sondern lockt lediglich Prostituierte in sein Etablissement, die jeder Wicht mit ein paar Scheinen ins Haus bekäme. Und selbst unter den Professionellen sucht er sich diejenigen heraus, welche herunter gekommen sind und keinerlei Gegenwehr leisten können. Auch das erste Übungsopfer, ein junger Herumtreiber, und ein völlig abgehalfterter Zuhälter passen ins Bild. Antonio Frau ermordet und quält nur bereits angeschlagene Menschen, um an diesen Opfern seine scheinbare Überlegenheit zu beweisen, an der er sich delektiert.
Diese Jämmerlichkeit setzt sich bei den Vergewaltigungen der auf einem Tisch gefesselten Prostituierten fort. Antonio Frau müht sich dermaßen unbeholfen beim Geschlechtsakt ab, dass man sich nicht mal sicher ist, ob es überhaupt zum Akt kommt oder ob er nicht nur so tut. Sein Sex wirkt wie die verzweifelten Versuche eines impotenten Mannes, während der Off-Kommentar etwas über primitive Bedürfnisse des Menschen schwadroniert, um so die sexuelle Wildheit der Natur vorzugaukeln. In „H6 – Tagebuch eines Serienkillers“ lauert an jeder Ecke die Diskrepanz zwischen dem Klischee des übermächtigen Serienkillers und der Realität Antonio Fraus, von dem nur noch das lächerliche Abziehbild seiner Wunschidentität übrig bleibt. Selten wurden die psychologisch kranken Überlegenheitsattitüden so konsequent auseinander genommen. Während Antonio Fraus Zerstückelungen seiner Opfer nur im Kamera-Off stattfinden, rückt Regisseur Martín Garrido Barón die metaphorische Zerstückelung des Serienkillertypus ins Zentrum seines Films.
Die FSK-18-Version des Films, die im Handel erhältlich ist, musste um etwa zehn Minuten geschnitten werden.
Bildqualität
Das Bild besitzt keine Verschmutzungen oder Defekte. Die Schärfe siedelt sich zumeist im guten Bereich an, nur selten gleitet sie ein wenig ab, so dass einzelne Szenen etwas matschig wirken. Der bräunlich-erdige Farbton, mit dem „H6- Tagebuch eines Serienkillers“ aufgenommen wurde, ist sehr gut auf die DVD übertragen worden. Das leichte Hintergrundrauschen stört kaum. Ebenso wenig fällt die leichte Unruhe in homogenen Flächen ins Gewicht. Der Schwarzwert ist sehr tief, so dass nicht immer alle Details sichtbar sind.Tonqualität
Die beiden 5.1-Fassungen unterscheiden sich kaum hinsichtlich der räumlichen Qualitäten. Nur selten werden die hinteren Boxen ins Geschehen einbezogen, wenn sie überhaupt akustisch in Erscheinung treten, dann durch die Musik. Die Dialoge sind in der deutschen Fassung etwas lauter abgemischt, was aber nicht unbedingt ein Vorteil ist. Nennenswertes Rauschen tritt nicht auf.Extras
Die DVD enthält Interviews mit dem Regisseur Martin Garrido (etwa 1 Minute und 40 Sekunden) sowie den Darstellern Fernando Acaso (etwa 5 Minuten und 40 Sekunden), der den Killer Antonio Frau spielt, und Alejo Sauras (etwa eine Minute), der das erste Opfer in der Pension spielt. Der Informationsgehalt erschöpft sich in unbrauchbaren Inhaltsangaben oder banalen Analysen (Fernando Acaso: „Antonio Frau ist ein vielschichtiger Charakter“). Der Regisseur offenbart unabsichtlich, dass ihm der Film völlig misslungen ist, weil er nun gerne einen Horrorfilm gemacht hätte, was „H6 – Tagebuch eines Serienkillers“ beim besten Willen nicht ist. Hinter „Behind the scenes“ (etwa 19 Minuten) verbirgt sich unkommentiertes, nicht untertiteltes B-Roll-Material der besonders langweiligen Sorte. Zwei Trailer runden das Bonusmaterial ab.Fazit
„H6 – Tagebuch eines Serienkillers“ ist nicht der anvisierte Horrorfilm, sondern das Portrait eines Killers geworden, der sich als armes Würstchen mit jämmerlichen Komplexen entpuppt. Das macht den Film interessant. Technisch ist die DVD gut, das Bonusmaterial ohne Belang.Stefan Dabrock
Originaltitel | H6 - Diario de un asesino (2005) |
Länge | 82 Minuten (Pal) |
Studio | Sunfilm |
Regie | Martín Garrido Barón |
Darsteller | Fernando Acaso , María José Bausá, Xénia Reguant, u.a. |
Format | 1:1,78 (16:9) |
Ton | DTS Deutsch; DD 5.1 Deutsch, Spanisch |
Untertitel | Deutsch |
Extras | Behind the scenes, Trailer, u.m.. |
Preis | ca. 16 EUR |
Bewertung | interessant, technisch gut |