Medaillen-Philosophie

Filth and Wisdom

Kopf und Zahl sind zwei Seiten der selben Münze, Medaille oder wie man die scheinbar banale, aber oftmals korrekte Lebensweisheit sonst nennen will. Madonna hat darüber einen ganzen Film gemacht, was möglich ist, weil die zum Sinnspruch eingedampfte Weisheit im Gewand einer Erzählung mit Menschen und ihren Sehnsüchten nicht mehr ganz so banal beziehungsweise einfach erscheinen mag. Der punkige A.K., der sein Geld mit SM-Rollenspiel-Dienstleistungen verdient, in denen er den strengen Lehrer oder den Militärkommandanten gibt, die Ballett-Tänzerin Holly und Juliette, die als Angestellte in der Apotheke ihres indischen Chefs arbeitet, bewohnen eine Londoner WG. Alle haben Ihr Lebensziel noch nicht erreicht. A.K. will als Musiker groß raus kommen, Holly kann mit dem Ballett-Tanz noch kein Geld verdienen und Juliette kümmert sich in der Apotheke mehr um Ihre Spendendose für afrikanische Kinder sowie die Beschaffung irgendwelcher Pillen für den eigenen Konsum, als um die Arbeit mit den Kunden. Als Kneipenphilosoph hat A.K. immer einen Sinnspruch auf den Lippen und er veranlasst Holly dazu, doch einmal über ein Engagement als Stripptänzerin nachzudenken. Die Figur habe sie schließlich und tänzerisches Talent sei auch vorhanden. Tatsächlich nimmt Holly den Vorschlag auf, da sie das Geld braucht. Ihr Traum scheint aber wie bei ihren Mitbewohnern weiter weg zu sein als je zuvor.

Soziales Engagement für Afrika, Tanz und Musik. Es fällt nicht schwer in den einzelnen Figuren immer auch ein Stück Madonna zu entdecken, aber die treffendste Assoziation – zumindest in diesen Tagen – ist vielleicht Britney Spears. Der amerikanische Pop-Star schoss vor knapp zehn Jahren an die Spitze der Charts, um anschließend als medial sexualisiertes Objekt verheizt zu werden, was seit 2005 zu einem auch öffentlich sichtbaren Niedergang führte, an dem sich sensationslüsterne Menschen auf erbärmliche Weise delektierten, ohne die Tragödie eines Menschen zu sehen. Mit dem Album „Blackout“ (2007) sowie spätestens mit „Circus“ (2008) gelang das Comeback der Britney Spears. Filth and Wisdom, damit müsste Spears etwas anfangen können und auch Madonna hat durchaus etwas im Sinn, das sich in der teils tragischen Geschichte Spears' widerspiegelt. Wenn in einer Szene die als Stripperin noch nicht erfolgreiche Holly im Schulmädchen-Kostüm an der Bar des Strip-Clubs lehnt, der Spot plötzlich auf sie gerichtet wird, der DJ Madonna vom Plattenteller nimmt, um Spears' „Baby One more Time“ aufzulegen, woraufhin Holly ein schwungvolles Tänzchen auf die Bühne legt, dann reflektiert Madonna auf clevere Weise über die negativen Begleiterscheinungen einer unfreiwilligen sexuellen Vermarktung, die sich in der Verortung des Spears-Doubles als Objekt im Strip-Club widerspiegelt, und Madonna beweist die ironische Schlagkraft, welche Ihre Komödie trotz mancher Tiefschläge locker erscheinen lässt.

So ist die scheinbar einfache Sichtweise mit den zwei Seiten der Medaille, gerade in diesem Teil der Geschichte ambivalenter, als sie zunächst erscheint. Der Schmutz (Strip-Club) selbst hat seine verschiedenen Seiten, weil Madonna in ihrem Film nicht die These vertritt, dass man ihn nur kennenlernen müsse, um am Ende vereinfacht ausgedrückt weiser zu sein, sondern es ist notwendig einzelne Teile anzunehmen, um sie gewinnbringend für sich nutzen zu können. Holly vermag hier zu lernen, wie sie die Inszenierung für sich selbst nutzbar machen kann, wenn sie selbst die Kontrolle behält. Letzteres ist absolut notwendig, um nicht in der Tragödie zu landen, wie es Britney Spears ergangen ist, bevor sie sich wieder empor kämpfen konnte. Madonna erzählt in ihrem Film folglich nicht nur, wie jede Medaille zwei Seiten hat, sondern dass auch jede Seite wiederum mehrere Aspekte beherbergt. Die darin zum Ausdruck kommende Dualität des Lebens erfährt am Beispiel lebender Menschen einen Komplexitätsgewinn, der aus einem Theorem etwas Nachvollziehbares macht. Inszenatorisch besitzt „Filth and Wisdom“ über weite Strecken jenen oben bereits erwähnten luftigen Humor, der ihn hervorragend konsumierbar macht. Leider gelingt der vielschichtige Blick bei den beiden anderen Gesichten weniger gut. Die SM-Rollenspiel-Nummer taugt für kaum mehr als ein paar karikaturartige Szenen, über die man entweder lacht oder auch nicht, die aber an keiner Stelle eine in sich bergende Ambivalenz ausstrahlen können. Die Frage nach ihrem Nutzen für A.K. bleibt jenseits des kurzfristigen Geldes unbeantwortet.

Die Geschichte um die in der Apotheke arbeitende Juliette, die pillenabhängig ist, strahlt ebenfalls nur die relativ einfache Botschaft aus, dass erst ein Rückschlag dazu führt – sie streitet sich mit ihrem Chef und kündigt -, dass man sich im Leben fortentwickelt. Das ist zwar nicht unbedingt falsch, taugt aber nur zu einer recht amüsanten, luftigen Komödienhandlung auf hübschem Niveau, die Komplexität des Strip-Club-Teils wir hier nicht erreicht. Im Ergebnis hat Madonna einen durchaus anständigen Film mit teilweise bemerkenswerten Ansätzen gedreht.

Bildqualität

Das saubere Bild der DVD besitzt bei ruhigen Bildern eine recht gute Schärfe mit etwas weichen Konturen und weniger Details, als man es bei einem aktuellen Film erwarten würde. Sobald Bewegung ins Spiel kommt, sind in manchen Szenen deutliche Nachzieheffekte sichtbar. Die Farben erscheinen kräftig und ansprechend. Der ausgewogene Kontrast sorgt für ein plastisches Bild. Nennenswerte Rauschmuster sind nicht zu sehen.

Tonqualität

Die 5.1-Spuren bieten klare und verständliche Dialoge, die in einem ausgewogenen Verhältnis zu den restlichen Geräuschen abgemischt wurden. Räumliche Effekte sind genrebedingt rar gesät, so dass im Wesentlichen die Musik dafür sorgen muss.

Extras

Das Bonusmaterial besteht aus dem Trailer.

Fazit

„Filth and Wisdom“ ist Madonnas lockere Komödie über die Dualität des Lebens, die über weite Strecken einen mit leichter Hand inszenierten Humor besitzt, aber nur in wenigen Szenen die Grundprämisse erweitert, dass erst das Schlechte das Gute definiert. Technisch besitzt die DVD Schwächen beim Bild.

Stefan Dabrock

Originaltitel	Filth and Wisdom (GB 2008)
Länge	81 Minuten (Pal)
Studio	Ascot Elite
Regie	Madonna
Darsteller	Eugene Hutz, Holly Weston, Vicky McClure, Richard E. Grant, u.a.
Format	1:1,78 (16:9)
Ton	DTS Deutsch; DD 5.1 Deutsch, Englisch
Untertitel	Deutsch
Extras	Trailer
Preis	ca. 17 EUR
Bewertung	luftig mit sehr guten Ansätzen, technisch mit Schwächen beim Bild