Nach seinem grimmigen „Suicide Circle“ und dem an der Schmerzgrenze zum Unfug balancierenden „Strange Circus“ erscheint bei Rapid Eye Movies nun ein dritter Sono-Film auf dem deutschen DVD-Markt. Eine junge Frau, die auf grausame Weise den Tod gefunden hat, landet auf dem Leichenhallentisch des skurrilen Yamazaki, der die Haare der Verstorbenen klaut, um sie an Haarsalons zu verkaufen. Dort ist das menschliche Produkt sehr beliebt, um echte Haarverlängerungen zu erschaffen. Yamazaki entführt die frisch eingetroffene Leiche in seine Wohnung, da die Haare der Toten unvermindert weiter wachsen, so dass er eine echte Goldgrube gefunden hat. Doch die wild wuchernden Haare bergen eine tödliche Gefahr. Die Haarverlängerungen, welche aus ihnen geknüpft werden, greifen ihre neuen Besitzerinnen an, bis diese dahin scheiden. Im Salon „Gilles de Rais“, der zu den besten Abnehmern Yamazakis zählt, arbeitet auch Yuko, die zwischendurch immer wieder auf ihre Nichte aufpasst, wenn ihre unverantworliche Schwester mal wieder die eigene Tochter kommentar- und lieblos abgibt. Ohne etwas von der Gefahr zu ahnen verpasst Yuko ihrer Nichte einen Satz der gefährlichen Haarverlängerungen.
Der japanische Regisseur Sion Sono ist ein Filmemacher bizarrer Bilderwelten, deren Metaphorik ihm wichtiger sind als gängige narrative Muster. Die verschiedenen Emotionen und gesellschaftlichen Verweise der symbolträchtigen Bilder sollen in den Köpfen der Zuschauer ein eigenes Netz persönlicher Narration knüpfen. Diese Technik geht auch in „Exte – Hair Extensions“ auf, wenn ihr auch die grimmige Durchschlagskraft des visionären „Sucide Circle“ fehlt. Das liegt an der absurden Grundanlage der Geschichte sowie der Charakterisierung Yamazakis. Ren Osugi kaspert sich mit wüstem Chargieren durch die Rolle des psychopathischen Haardiebs, der nicht nur ein grelles Amerika-T-Shirt und Latzhose trägt, sondern im unpassendsten Moment „Hair hair, my ha-air“ intoniert. Beides nimmt dem gesellschaftskritischen Ansatz vieler Handlungsteile die Grimmigkeit, an deren Stelle der Wahnsinn völliger Degeneration tritt. Als böse Bestandsaufnahme des gesellschaftlichen Zustands, der Fürsorge und Einfühlungsvermögen nur noch in Form psychopathischer Leidenschaft für das Schicksal einer Toten kennt, hat das allerdings durchaus seinen Reiz. Daneben dominiert der Hang zu oberflächlichen Schönheitsidealen und bitterer Verantwortungslosigkeit, wenn Yukos Schwester sich kaum um ihre Tochter kümmert, zwischendurch aber immer wieder auftaucht, um ihr Erziehungsrecht als Mutter auf gewalttätige Weise auszuüben. Über all diesen Themen schwebt die symbolische Wut der verstorbenen Frau, deren Haare als eine Art Nemesis der orientierungslosen Gesellschaft an den Menschen tödliche Rache nehmen. Selten zuvor wurde der menschliche Hautbewuchs so effektiv zu Horrorzwecken eingesetzt. Die Haare wachsen aus Augen, Mund, Wunden und jeder erdenklichen anderen Körperregion, die einem unangenehm sein könnte. So verknüpft Sono seine übergeordneten Themen, die er oftmals über symbolische Bilder nur andeutet, mit einer funktionieren Horrorgeschichte zu einem seltsamen Bilderreigen jenseits einer stringenten Narration.
Bildqualität
Die Schärfe entspricht nicht so ganz den Erwartungen an einen Film aus dem Jahr 2007. Alles erscheint etwas zu weich, die Detailfreudigkeit wirkt reduziert. Permanent ist ein Hintergrundrauschen zu sehen. Die Farbwiedergabe überzeugt demgegenüber durch eine passgenaue Übertragung des visuellen Konzeptes auf die DVD. Der Kontrast liefert eine ordentliche Vorstellung mit leichten Schwächen beim Schwarzwert. Dunkle Szenen erscheinen leicht milchig. In homogenen Flächen kommt es bisweilen zur Blockbildung, sonstige Rauschmuster treten nicht auf.Tonqualität
Die 5.1-Spuren bieten eine ansprechende räumliche Kulisse, die sich natürlich nicht mit spektakulären Actionfilmen messen kann, aber die hinteren Lautsprecher über die Musik und den einen oder anderen Effekt in das Geschehen einbezieht. Insgesamt ergibt sich daraus eine ganz nette Atmosphäre. Die Dialoge sind stets klar und verständlich, so dass es hier keinen Grund zur Kritik gibt.Extras
Das etwa 48minütige Making Of ist immer dann am interessantesten, wenn Regisseur Sion Sono etwas über seine künstlerische Intention sagt, auch Yamazaki-Darsteller Ren Osugi hat einiges über seine Art zu sagen, sich der Rolle zu widmen. Im Abschnitt über die Spezialaffekte sind ein paar interessante Aufnahmen zu den Haar-Bastelarbeiten zu sehen. Die restlichen Teile des Making Ofs ergehen sich demgegenüber oftmals in einer Wiedergabe der Handlung oder so banalen Informationen, dass ein Drehort sehr angenehm war, weil dort viele schöne Frauen anwesend waren. So bleibt ein Making Of übrig, dass viel Leerlauf und ein paar gute Passagen besitzt. Die zwei Deleted Scenes lohnen der Erwähnung nicht. Vier TV-Spots, ein Trailer und das „Hair“-Lied, das Yamazaki singt, runden das Bonusmaterial ab.Fazit
Regisseur Sion Sono widmet sich im Gewand eines Haar-Horrorfilms verschiedenden Zuständen der Orientierungslosigkeit. Dabei geht es ihm stärker um das Arrangement der Bilder, als um eine dichte Narration der zugrunde liegenden formalen Handlung. Technisch ist die DVD ordentlich.Stefan Dabrock
Originaltitel | Ekusute (Japan 2007) |
Länge | 108 Minuten (Pal) |
Studio | Rapid Eye Movies |
Regie | Sion Sono |
Darsteller | Chiaki Kuriyama, Ren Osugi, Megumi Sato, u.a. |
Format | 1:1,78 (16:9) |
Ton | DD 5.1 Deutsch, Japanisch |
Untertitel | Deutsch |
Extras | Deleted Scenes, Making Of, u.m. |
Preis | ca. 19 EUR |
Bewertung | gut, technisch ordentlich mit Schwächen beim Bild |