„Die Erde war wüst und wirr, Finsternis lag über der Urflut“
(Genesis 1,2).
Lichtblitze erhellen die Szenerie für Sekundenbruchteile, bis der Mann, der in einer Höhle aus einer Schlammsuppe heraus steigt, eine Lampe findet. Die Lage des Ortes ist dem Mann ebenso unklar wie seine Identität. Langsam erkundet er die finstere Umgebung und macht sich auf den Weg nach oben, denn allem Anschein nach befindet er sich unter der Oberfläche. Gemeinsam mit ihm erkundet der Zuschauer das seltsame Stollensystem, in dem immer wieder die Wurzeln einer riesigen Pflanze zu sehen sind. Schutt, Trümmer und undefinierbare Geräusche dominieren die bedrohlich wirkende Atmosphäre. Auf dem Weg nach oben, der immer entlang der mächtigen Baumwurzel führt, gelangt der Held durch verlassene Labors, in denen er Videoaufzeichnungen derjenigen finden, die längst nicht mehr da sind. Bruchstückhaft entsteht dadurch ein immer genaueres Bild dessen, was passiert ist, wo sich der Mann befindet und wer er ist.
Die reine Handlung selbst ist nicht mehr als eine mythologische Blaupause eines Entwicklungsprozesses. Am Anfang steht eine Art Geburtsszene, die den Helden aus der Erde ausspuckt. Unerfahren und ohne Kenntnisse beginnt für die Figur ein Lern- und Erkundungsprozess, in dem es zwar auch um die eigene Identität der Figur geht, der aber letztlich einen allgemeinen metaphorischen Charakter besitzt. Erkenntnis wird zum Ziel des Menschen, die Details der Erkenntnis, die zu Tage treten, sorgen aufgrund ihres fragwürdigen Inhaltes für eine Reflexion über den Wert des Fortschritts und fordern indirekt eine ethische Begleitung ein. Vor allem der Schluss liefert eine klare Deutungsrichtung im Sinne kritischer Hinterfragung technischer Heilslösungen. Der Film selbst funktioniert deswegen kaum wie klassisches Erzählkino, da bis zum Ende alles recht vage bleibt.
Selbst die Erklärungen liefern nicht mehr als Stichworte für die Interpretation, lediglich deren grundsätzliche Richtung ist klar. Das zentrale Element der „Dramaturgie“ sind die Bilder in Verbindung mit dem Tondesign. Die Aufnahmen des Stollensystems sowie der Labore sehen fast vollständig schwarzweiß aus. Die harten Kontraste sorgen mangels weiterer Informationen dafür, dass der Handlungsort lange Zeit eine unklare und damit bedrohliche Atmosphäre erhält. Nichts in der unwirtlichen, durch Zerstörung geprägten Szenerie strahlt behagliche Qualitäten aus, und sei es auch nur ein Farbtupfer. Die ständig präsente Kulisse undefinierbarer Geräusche verweist unaufhörlich auf die fehlende Erkenntnis der Hauptfigur, die sich stets auf demselben Wissensstand des Zuschauers befindet.
Vestiel bedient auf diese Weise ebenso menschliche Urängste vor der Dunkelheit wie er den Impuls der Figur in Szene setzt, sich weiterzuentwickeln. Die ausgezeichnete Lichtgestaltung teilt die Räume immer wieder in Abschnitte guter und schlechter Sichtbarkeit auf. Wie ein Heilsbringer fließt das Licht in verschiedene Ecken, die dem Dunkel der Unwissenheit entrissen werden, gleichzeitig bleibt vieles im Dunkeln. Der Ort erfährt trotz zunehmender Erkenntnis durch die Videoaufzeichnungen eine immer währende Verwischung, die ihn als mythologische Projektionsfläche kennzeichnet. Die Bilder sind eine Art Reiseleiter, die nur Stichworte liefern. Sie wenden sich direkt an die innere Befindlichkeit des Zuschauers, der aus ihren wunderschönen, auf die Gefühlswelt ausgerichteten visuellen Qualitäten selbst etwas machen muss. Dass Vestiel am Ende so deutlich wird, dass zumindest der zivilisationskritische Ansatz ohne Zweifel auf dem Tisch liegt, steht leider im Gegensatz zu den offenen Bilderwelten im Stollensystem.
Bildqualität
Das saubere Bild der DVD besitzt eine sehr gute Schärfe, mit klarer Konturenzeichnung. Die Detailfreudigkeit überzeugt ebenso. Der sehr gute Kontrast führt zu einem Bild, in dem sich einzelnen Elemente ohne Schwächen voneinander abheben, auch in dunklen Bereichen werden keine Details verschluckt. Nennenswerte Rauschmuster sind nicht vorhanden. Das Bild ist leicht körnig.Tonqualität
Die 5.1-Spuren verfügen über eine gelungene Abmischung der Dialoge sowie sonstigen Geräuschkulisse. Alle Lautsprecher werden in das Geflecht der einzelnen akustischen Reize einbezogen, so dass sich eine wahrhaft bedrohliche Atmosphäre entwickelt.Extras
Der Audiokommentar von Franck Vestiel (Regie) hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck. Einerseits wird deutlich, dass Vestiel eine sehr klare Vorstellung über den Aufbau jeder einzelnen Szenen hat, so dass er die jeweilige Kameraarbeit, die Bewegung der Darsteller und andere Aspekte der Gestaltung einordnen kann, andererseits verlässt er sich dabei nicht nur auf das Kommentieren dessen, was im Bild zu sehen ist, er erzählt auch ganze Passagen ähnlich einem Kommentar für Menschen mit eingeschränkten Sehfähigkeiten nach. Letzteres ist völlig überflüssig. Darüber hinaus liefert er Informationen über die Drehbedingungen, erläutert ein wenig die biblischen Hintergründe und ist zur Selbstkritik fähig. So entsteht ein Kommentar mit hörenswerten und überflüssigen Passagen, der deswegen ein wenig anstrengend ist.
Das etwa 45minütige Interview mit Franck Vestiel (Regie) und Cedric Jimenez (Produktion) weist ein paar Überschneidungen zum Audiokommentar auf, emanzipiert sich aber durch sehr genaue Ausführungen zur Arbeit mit den Schauspielern, dem Drehort sowie der Projektentwicklung von Vestiels Filmkommentar. In einem weiteren Beitrag (etwa 24 Minuten) sind Interviews mit Cedric Jimenez (Produktion), Clovis Cornillac und Vimala Pons (beide Darsteller) enthalten. Während Jimenez nicht viel Neues hinzuzufügen hat, äußern sich Cornillac und Pons über ihre Zusammenarbeit sowie die Drehbedingungen unter Tage. Insgesamt aber wenig informativ.
Das Making Of (etwa 45 Minuten) besteht hauptsächlich aus B-Roll-Aufnahmen der Dreharbeiten sowie der Proben.
Besonders bemerkenswert sind die Untertitel des teilweise vorhandenen französischen Oberkommentars, die entweder sehr wörtlich und damit sehr schlecht übersetzt wurden – Leute mit Französischkenntnissen mögen das überprüfen – oder aber Ausdruck eines Irrsinns sind. Hier eine kleine Kostprobe:
„Wenn man die Bedingungen sieht, unter denen Science-Fiction-Filme auf den Markt kommen, wird man mit unterschiedlichen Meinungen konfrontiert. Während die Liebhaber dieses Genres sich beklagen, dass so was im engsten Kreis stattfindet, ist die Mehrheit wohl wenig gerührt. Einige sind sogar angenehm überrascht. Denn bei der besonderen Figur des Films und der beschränkten Zielgruppe ist es schon etwas Besonderes, dass er überhaupt im Kino gezeigt wird.“
Das 24seitige Booklet besticht vor allem durch die Vorab-Zeichnungen zu verschiedenen Szenen sowie den Plan der Anlage, in welcher die Handlung spielt.
Der Trailer, der auf der ersten DVD enthalten ist, und ein Teaser auf der Bonus-DVD runden das Zusatz-Material ab.
Fazit
Der Film verlässt sich vor allem auf seine wunderschöne visuelle Gestaltung, die Bilder mythologischer Qualitäten erschafft, welche an das Innere des Zuschauers appellieren. Lediglich das Ende ist zu eindeutig, um das offene, metaphorische Werk auf dem eingeschlagenen Kurs zu halten. Die Zivilisationskritik entwertet die davor liegende künstlerische Konzeption. Technisch ist die DVD sehr gut.Stefan Dabrock
Originaltitel | Eden Log (Frankreich 2007) |
Länge | 97 Minuten (Pal) |
Studio | Sunfilm |
Regie | Franck Vestiel |
Darsteller | Clovis Cornillac, Vimala Pons, Zohar Wexler, Sifan Shao, u.a. |
Format | 1:1,85 (16:9) |
Ton | DTS Deutsch, DD 5.1 Deutsch, Französisch |
Untertitel | Deutsch |
Extras | Audiokommentar von Franck Vestiel (Regie), Interviews, Trailer, u.m. |
Preis | ca. 20 EUR |
Bewertung | visuell eindrucksvoll mit erzählerischen Schwächen, technisch sehr gut |